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Fachliche Konkurrenz: ja – Honorarkampf: nein.

Ein Interview mit Ingo Quaas, Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer Thüringen

Herr Quaas, Sie wurden im letzten Jahr von der Vertreterversammlung der Architektenkammer Thüringen neu in den Vorstand gewählt. Als langjähriges Mitglied der AG Integrierte Ländliche Entwicklung (AG ILE) und der AG Öffentlichkeitsarbeit ist Ihnen die Gremienarbeit nicht fremd. Welche Hoffnungen und Wünsche verbinden Sie mit der Vorstands­tätigkeit?
Ich sehe darin in erster Linie eine Möglichkeit, berufspolitische Belange meiner Berufsgruppe noch unmittelbarer in die Arbeit der Architektenkammer Thüringen einbringen und diese lebendig und kreativ mit gestalten zu können. Dabei sind mir als Stadtplaner die „Mühen der Ebene“ selbstverständlich vertraut, die Gremienarbeit mit sich bringen. Aber aus diesem Grund weiß ich eben auch, dass Veränderungen oft nur auf diesem Weg, Schritt für Schritt zu erwirken sind. Und Veränderungen waren und sind auch die Arbeit der Architektenkammer betreffend immer wieder notwendig, schon allein auf Grund der sich fortlaufend ändernden ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Im Rahmen meiner Arbeit im Vorstand der Architektenkammer hoffe ich, darüber hinaus einen kleinen Beitrag für eine noch stärkere Identifikation der Kollegen mit ihrer berufsständischen Vertretung erwirken zu können, denn: die Kammer sind wir.

Sie vertreten im Vorstand die Belange der Stadtplaner. Was sind für Ihre Berufsgruppe derzeit die größten berufspolitischen Herausforderungen?
Eine große berufspolitische Herausforderung stellt aus meiner Sicht nach wie vor die Akzeptanz der Berufsgruppe der STADTPLANER als die Spezialisten - genaugenommen Generalisten – für räumlich relevante Aspekte der Siedlungsentwicklung dar. Akzeptanz zunächst seitens der Auftraggeber, der Städte und Gemeinden, besonders mit Blick auf die in meinen Augen oft falsch verstandene Politik lokaler Wirtschaftsförderung vieler, insbesondere kleiner Gemeinden. Es ist nun einmal nicht möglich, dass in jeder Gemeinde oder in deren Nachbarschaft auch ein Stadtplaner seinen Wohnsitz hat, der dann möglicherweise prädestiniert wäre, in diesem Ort zu planen. Und das ist auch nicht notwendig. Hier gilt es das Berufsbild des Stadtplaners – besonders auch im Unterschied zu anderen Berufsgruppen – im öffentlichen Bewusstsein zu qualifizieren bzw. überhaupt zu etablieren.
Eine weitere große berufspolitische Herausforderung - in unmittelbarer Verbindung mit der erstgenannten - sehe ich in der Frage der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit von Freien Stadtplanern im Auftrag der Städte und Gemeinden. Es besteht aus meiner Sicht erheblicher Planungsbedarf, insbesondere gesamtstädtische und gemeindeübergreifende Entwicklungsaspekte betreffend. Es gibt viel zu tun, nur die kommunalen Haushalte lassen oft nicht viel zu. Und dennoch: städtebauliche Planungs- bzw. Beratungs- und Betreuungsleistungen müssen als eigenständige Leistungen anerkannt und auskömmlich honoriert werden. Ohne die HOAI-Debatte umfänglich aufzurufen, sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die darin enthaltenen Zeithonorare und Tabellenwerte seit 1996 unverändert fortbestehen und lediglich von DM in Euro umgerechnet wurden. Wenn man gleichzeitig bedenkt, dass seitdem die Höhe der anerkannt förderfähigen Nebenkosten halbiert wurde, wird deutlich, dass Fragen der Honorierung nicht ohne Qualitätseinbußen zum Gegenstand von Auswahlverfahren für städtebauliche Leistungen gemacht werden können. Fachliche Konkurrenz: ja – Honorarkampf: nein.

Jedes Vorstandsmitglied wird einen Ausschuss inhaltlich begleiten. Sie bilden für den Vorstand die Schnittstelle zum Ausschuss für Stadt-, Landschafts- und Umweltplanung und hierbei insbesondere die Schnittstelle zur AG Stadtumbau. Welchen Themen sollte sich der Ausschuss im Rahmen seiner Arbeit widmen?
Wir sollten uns gemeinsam überlegen, wie wir die zweifelsohne bestehenden Herausforderungen in den unterschiedlichen Handlungsräumen von Kulturlandschaften und Regionen, über Stadt-Umland-Räume und interkommunale Kooperationen bis hinein in die Städte und Dörfer noch erfolgreicher als Betätigungsfelder für Stadtplaner und Landschaftsarchitekten erschließen können. Dabei wird es unter anderem darum gehen, wie zum Beispiel die guten Erfahrungen aus dem Stadtumbau Grundlage auch für gemeindegrenzenüberschreitende städtebauliche Entwicklungskonzeptionen sein können, oder anders herum, wie mehr als bisher städtebauliche Aspekte in regionale Entwicklungskonzeptionen einbezogen werden können. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Kulturlandschaften in Thüringen muss es darum gehen, die Potentiale der Städte für die Entwicklung des ländlichen Raumes zu erschließen und umgekehrt. Die Städte brauchen die Region und die Region braucht die Städte.

Der gemeinsame Neujahresempfang 2009 der Architektenkammer Thüringen und der Ingenieurkammer Thüringen widmete sich den Perspektiven des ländlich geprägten Flächenlandes Thüringen. Wo sehen Sie Potentiale und wo zeichnen sich für Ihren Berufsstand verstärkt (neue) Aufgaben ab?
Der Freistaat Thüringen ist trotz ländlicher Prägung eigentlich ein „Stadtland“, denn beinahe in keinem anderen Bundesland existiert eine so dichte und vielgestaltige Stadtlandschaft wie in Thüringen. Die meisten der 127 Gemeinden mit Stadtrecht sind allerdings Kleinstädte, was nicht zwangsläufig zum Nachteil gereichen muss. Im Gegenteil: hier sehe ich ein ganz besonderes Potential des Freistaates und auch eine Chance für Stadtplaner. Ich sehe viele Kleinstädte als Kristallisationskerne für die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Doch dafür bedarf es unter anderem interkommunaler städtebaulicher Entwicklungskonzeptionen, die aufzustellen eine Aufgabe auch für Stadtplaner ist – vorausgesetzt, die Gemeinden sind dazu willens und finanziell in der Lage. Eine weitere neue (alte) Aufgabe für uns Stadtplaner sehe ich angesichts des demografischen Wandels in der Revitalisierung von Brachflächen. Trotz zunehmender Akzeptanz des Grundsatzes „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ mangelt vielerorts die Umsetzung zum Beispiel auf der Ebene der Bauleitplanung. Auch beim Aufbau effektiver und aktiver Flächenmanagementsysteme in den Städten und Gemeinden ist städtebaulicher Sachverstand unerlässlich.

Die Podiumsdiskussion „Zukunft der Architektenkammer Thüringen“ im letzten Jahr befasste sich u.a. mit den Perspektiven der Kammer. Wie sieht abschließend gefragt Ihre Vision zur Architektenkammer Thüringen 2013 aus?
Ich hoffe, dass es uns in diesen fünf Jahren gelingt, das Profil der Architektenkammer als berufsständische Vertretung zu schärfen, dass es uns gelingt, unsere Position insbesondere gegenüber der Politik zu stärken, immer mit dem Ziel, die Interessen unseres Berufsstandes noch erfolgreicher vertreten zu können. Meine Vision ist eine starke Kammer, stark vor allem durch das Engagement möglichst vieler Kolleginnen und Kollegen. Stark aber auch durch das kreative Potential unseres Berufsstandes, mit dem wir uns mehr als bisher in die Gesellschaft einbringen sollten.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin AKT

veröffentlicht am 26.01.2009 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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