Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

Forum Stadtumbau ohne Wachstum

Beitrag von Hannes Hubrich

"Städtebauförderung in Thüringen 2001" war der nüchterne Untertitel des Forums, welches am 28.Februar 2001 auf der Messe Erfurt stattfand. Den Veranstaltern, Architektenkammer Thüringen und Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), bescherte es einen bis auf den letzten Platz gefüllten Saal.

120 Stadtplaner und Architekten, Vertreter der Wohnungswirtschaft, der Kommunen und des Landes widmeten ihre Aufmerksamkeit dem akuten und nach geeigneten Lösungsstrategien verlangenden Problem der weiteren baulichen Entwicklung der Städte im Land.
Die Rahmenbedingungen, durch neueste Statistiken belegt, sind drastisch: Die Zahl der Einwohner Thüringens wird sich bis 2020 um weitere 200 000 verringern. Schon jetzt stehen mehr als 60 000 Wohnungen dauerhaft leer, in manchen Wohngebieten bereits über 20% des Bestands. Das betrifft nicht nur Plattenbauten, sondern ebenso sanierungsbedürftige und mitunter schon sanierte Altbauten. Hinzu kommen strukturelle und regionale Ungleichgewichte, die überdurchschnittliche Betroffenheit der Städte gegenüber ländlichen Gemeinden, noch immer nicht ausreichende Arbeitsplätze und die Abwanderung vor allem junger Fachkräfte und Familien.
"Wachstum nach innen" oder "Hoffnung durch Abriß" lauten anderswo die Schlagzeilen. Denn strukturelle Veränderungen, verbunden mit dem Umbau ganzer Städte und Regionen gibt es in Deutschland, Europa und der Welt vielfach, mit beachtenswerten positiven und aber auch mit negativen Ergebnissen. Neu ist, daß wir die jetzige Krise, den quantitativen Rückgang absehbar auf längere Zeit, als Dauerzustand akzeptieren müssen. Das erfordert, so Marta Doehler, SRL und Stadtplanerin in Leipzig, nicht nur die Aufgabe bisheriger Denkmuster, sondern auch neue Planungskonzepte, die präziser auf regionale und lokale, auf soziale und räumliche Werte eingehen und so jedem Stadtteil "sein" Leitbild und eine Chance auf den künftigen Bestand geben. Daß hier eine leistungsfähige interdisziplinäre Planung und damit nachhaltige Entwurfsideen, räumliche Kompetenz und Moderationsfähigkeit der Stadtplaner gefragt sind, unterstrich auch Uwe Wilke, Architekt und Stadtplaner in Erfurt.

Konrad Ballheim, Referat Städtebauförderung im Thüringer Innenministerium verwies anhand der bisherigen Ergebnisse in Leinefelde, Meiningen und Gera auf den Gewinn einer gut abgestimmten Arbeit zwischen freien Planern und den Architekten wie Stadtplanern in den Behörden. Offensichtlich ist, daß nicht der bloße Abriß, die Bereinigung des Wohnungsmarktes die Planungsstrategien bestimmen darf, sondern die architektonische und sozial-räumliche Qualität, die Wohnungen, Wohnumfeld und Stadtteil anschließend aufweisen. Besonders deutlich wird hier der immense Einfluß, den die örtliche Politik, engagierte Bürgermeister und Stadträte auf die Durchsetzung dieser Ziele haben.
Entsprechend positive Erfahrungen konnten Reinhold Hytrek, Architekt in Erturt, anhand von Planungen in Sömmerda und Harald Kissel, Stadtplanungsamt Darmstadt, anhand eines Stadtmarketing-Projekts in Viernheim und der sozialen Aufwertung des Stadtteils Darmstadt-Eberstadt vorstellen. In den Mühen der Planung und Durchführung solcher Projekte erweisen sich die Vorgänge in Ost und West als durchaus vergleichbar. Die Überzeugungskraft urbaner Visionen, aber auch den Nutzen realer Themen etwa der Gesundheit, des Sports oder der Freizeit für die Suche nach Leitbildern für die Stadtteil- und Stadtentwicklung zeigte Christian Moczala, Architekt in Weimar auf.
Der Freistaat Thüringen hat die Dringlichkeit forcierten Handelns erkannt und will seine Steuerungsrolle bei den anstehenden strukturellen Veränderungen und den daraus erwachsenden sozialen Aufgaben aktiv wahrnehmen. Das bekräftigte Staatssekretär Manfred Scherer, im Thüringer Innenministerium nun für das Bauen im Land zuständig. Die entsprechenden Förderprogramme und Richtlinien liegen den Städten bereits vor. Diese werden, so Olaf Langlotz, Thüringer Landesverwaltungsamt, Referat Bau- und Wohnungswesen, durch das Amt kritisch begleitet. Prämisse ist die Einbettung der Wohnungsbauförderung in die städtebauliche Planung, weil sich die demographische Entwicklung letztlich auf alle Bereiche städtischer Planung auswirken wird. Städtebauförderung soll danach vor allem Infrastrukturförderung sein und Wohnungsbauförderung soll zugleich Stadtentwicklung sichern.

Ab 2001 sollen in Thüringen an den betroffenen Standorten etwa 4000 Wohnungen jährlich abgerissen werden, finanziell gestützt durch den Freistaat. Bedingung der Förderung: die Vorlage schlüssiger Stadt- oder Stadtteilentwicklungskonzepte, auf genauen Analysen und Zahlen beruhend, gesamtstädtisch und wohnungswirtschaftlich abgestimmt. Das gesetzte Ziel ist weniger Quantität und dafür mehr städtische und wohnliche Qualität. Inwieweit dieser Planungsbedarf den erwarteten Schub auf die Arbeit vor allem der Stadtplaner ausübt, werden die nächsten Monate zeigen. Denn der Schwund betrifft neben der Bevölkerung auch viele Stadtkassen und deren Planungsbudget. Generell nötig ist mehr Kooperation in den Städten und zwischen den Beteiligten. Im Herbst des Jahres ist Gelegenheit, weitere Erfahrungen auszutauschen und eine erste Bilanz zu ziehen. In gemeinsamer Aktion werden dazu die Architektenkammer Thüringen, der Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft, das Thüringer Innenministerium und der Gemeinde- und Städtebund Thüringen am 20. September nach Leinefelde einladen.

veröffentlicht am 25.04.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken