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Klimafreundlicher Neubau KfN in der Bundesförderung für effiziente Gebäude BEG

Förderrecht testet – Ordnungsrecht zieht nach?

Logo AG Nachhaltigkeit, Bild: AKT

Text: Dr.-Ing. Volker K. Drusche, für die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit der Architektenkammer Thüringen

Rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa entfallen auf das Handlungsfeld Gebäude; die in diesem Bereich verwendeten Materialien machen rund 50 Prozent aller der Natur entnommenen Rohstoffe aus.

Die Baustoff- und Energieressourcen sind endlich – bis auf Weiteres auch die erneuerbaren Energien, zumal die Begehrlichkeiten in diesem Bereich das Angebot deutlich übersteigen. Das Zeitfenster zur Einhaltung des im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten CO2-Budgets schließt sich. Umfangreiche Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen und Ressourcenverbrauch sind längst überfällig. Wie von vielen Kammermitgliedern lange gefordert, ist es in der Bauwirtschaft notwendig, nicht nur den Energiebedarf im Betrieb zu betrachten, sondern alle durch Bauaktivitäten verursachten Umweltwirkungen, inklusive der „grauen Energien“ in den Baustoffen.



Wenn die Chance auf einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 gewahrt werden soll, wäre es zielführend, heute Gebäude zu errichten, die in den kommenden Jahrzehnten keine klimaschädlichen Folgen auslösen. Die Hürden für die Bundesförderung von effizienten Neubauvorhaben wurden dahingehend aufgezeigt. Die in der Bundesförderung effiziente Gebäude BEG zweistufig definierten Mindestanforderungen für „klimafreundlichen Neubau KfN“ sind jedoch noch zu unambitioniert. Da klar ist, dass es für einige Gebäude Härtefall-Ausnahmen geben muss, dürften alle anderen Gebäude in der Lebenszyklusbilanz keine Treibhausgase ausstoßen, um im Gesamtgebäudebestand der Null nahe zu kommen. Suffizienzbedingungen sind nicht enthalten. Ungeförderte Bauvorhaben bleiben noch vollständig unberücksichtigt. Dadurch drohen umfangreiche Log-in-Effekte mit negativen Auswirkungen für spätere Generationen. Ob die übernächste GEG-Novelle KfN-Fördermodalitäten in Ordnungsrecht übersetzt, erscheint wie so oft vom Einflussausmaß des fossilen Lobbyismus abhängig.

Seit dem 1. März 2023 wird im Förderrecht eine neue Hauptanforderungsgrenzgröße getestet: Treibhausgasausstoß THG bzw. Global Warming Potential GWP in kg CO2äq je Quadratmeter Nutzfläche pro Jahr, sowie die bereits bekannte Grenzgröße nichterneuerbarer Primärenergiebedarf QPNE je Quadratmeter Nutzfläche pro Jahr (aus den Absolutwerten eines 50-jährigen Gebäudelebenszyklus dividiert). Die Umweltfolgebilanzierung von Gebäuden im Lebenszyklus ist in zahlreichen Normen niedergeschrieben und keineswegs trivial.

Der Bund fördert im Rahmen der Bundesförderung effiziente Gebäude BEG seit 1. Juli 2021 Nachhaltigkeit durch eine eigene Nachhaltigkeitsklasse „NH-Klasse“. Voraussetzung für die Vergabe des Qualitätssiegels ist ein Nachweis der Erfüllung von Anforderungen an die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Qualität von Gebäuden. Der erforderliche Nachweis für die Förderung erfolgt über die Vergabe des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude QNG. Dazu wurde eine normierte Bilanzierung mit möglichst eindeutigen Regeln, Standardisierung und Vereinfachung geschaffen, um das System von einer großen Anzahl entsprechend qualifizierter Baubeteiligter praktikabel durchlaufbar zu gestalten. In einem zugehörigen Handbuch mit referenzierten Siegeldokumenten sind das Verfahren und die Nachweisführung zur Vergabe des Qualitätssiegels sowie Anforderungen an Zertifizierungsstellen festgelegt. Die Umsetzung der Anforderungen ist durch eine unabhängige Prüfung nach Baufertigstellung anhand der abgeschlossenen Planungs- und Bauprozesse und auf Grundlage ausgewählter Qualitäten nachzuweisen.


Bild: Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude QNG

Für die Abbildung der Treibhausgas-Emissionen im Lebenszyklus von Gebäuden ist für BEG-KfN-Bilanzierungen neben der GEG-Energiebedarfsberechnung eine ökobilanzielle Bewertung der Konstruktionen und Baustoffe erforderlich. Darin enthalten sind die Module A1-3 (graue Energien aus Materialbeschaffung, Transport und Produktion), B4 (Bauteilerneuerungen im Betrieb), B6 (Betriebsenergien), C3 (Abfallbehandlung) und C4 (Entsorgung). Nicht enthalten sind die Lebenszyklen A4 (Transport zur Baustelle), A5 (Errichtung), B1-B3 (Nutzung, Instandhaltung, Reparaturen), B7 (Wasserverbrauch im Betrieb), C1 (Rückbau/Abriss), C2 (Rückbautransport) und D (Recyclingpotentiale). Diese Lebenszyklusmodule könnten in einem Gebäude-Ressourcenpass bilanziert sein – so, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Bis auf einen Entwurf der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB sind jedoch noch keine öffentlich-rechtlich wirksamen Entwicklungen erkennbar.

Für die BEG-Förderstufe KfN plus gelten für Wohngebäude aktuell förderfähige Maximalwerte von GWP 24 kg CO2äq/m²a und Qpne 96 kWh/m²a. Die Anforderungsgrößen dieser Förderstufe können (vor Bauleistungsvergabe) von qualifizierten Energie-Effizienz-Expert*innen mithilfe einer dazu geeigneten Software bilanziert und gegenüber der KfW nachgewiesen werden. Die Förderung besteht aktuell aus zinsvergünstigen Darlehen je Wohneinheit bis zu 100.000 Euro. Bei kommunalen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden kommt ein Tilgungszuschuss von 5 Prozent hinzu.
Werden die Anforderungsgrößen im Rahmen des Zertifizierungssystems Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen QNG bilanziert, müssen sie von Berater*innen für Nachhaltigkeit (DGNB, BNB, NAWOH, BNK, Steinbeis) nachgewiesen werden. Die so erhöhte Förderung KfN premium QNG besteht aktuell aus zinsvergünstigen Darlehen je Wohneinheit bis zu 150.000 Euro. Für kommunale Wohngebäude und Nichtwohngebäude kommt ein Tilgungszuschuss von 12,5 Prozent hinzu.

Letztendlich darf nicht verschwiegen werden, dass der klimaneutrale Gebäudebestand nicht durch nachhaltig optimierte Neubauten erreicht werden kann; dies ist lediglich eine Grundvoraussetzung zur Vermeidung negativer Log-in-Effekte. Vielmehr ist es unabdingbar, den gesamten Gebäudebestand baldigst auf ein ebenfalls klimaverträgliches Niveau zu sanieren. Daran ändern auch die enthaltenen grauen Energien nichts. Im noch ineffizienten Gebäudebestand dominieren die schädlichen Umweltwirkungen (und Betriebskosten) aus hohen Betriebsenergieverbräuchen. Daraus ergibt sich für Planende ein hohes Maß an Einflussmöglichkeiten und Mitverantwortung.

Spoiler: So wie es beim sommerlichen Wärmeschutz bestenfalls nicht um Hinzufügen aktiver Kühltechnologien, sondern um passiven Sonnenschutz durch Reduzierung der Fensterflächen auf das zur Belichtung notwendige Maß und außen liegende Sonnenschutzelemente geht, beim Wärmeschutz um Reduzierung der Fensterflächen nach Nord und nachhaltig optimierte Anwendung unkritischer Dämmstoffe, geht es bei der Konstruktionswahl in Punkto Nachhaltigkeit weniger um die Bauweise an sich, sondern vielmehr um Minderverwendung von Klimakiller-Materialien wie zum Beispiel Zement, Metalle, PVC und dergleichen und in einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Bauwirtschaft generell, um eine vorgelagerte Zweck-Suffizienzprüfung mit Reduktion der baulichen Maßnahmen auf das zur Zweckerfüllung minimal notwendige Maß.

Dr.-Ing. Volker K. Drusche ist freischaffender Architekt aus Weimar, Sachverständigenbüro projektRAUM, und Partner im Energie-Effizienz-Institut.

veröffentlicht am 22.05.2023 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Kammergremien, Berufspraxis

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