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Leserbrief von Günter Andres

Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost

Redaktion: Der Leserbrief gibt nicht die Meinung der Redaktion wieder, er ist eine Einzelmeinung, die aber zur Diskussion im DAB Thüringen einlädt. MB

Das Pfund der Stadt ist die Altstadt!


Öffentlichkeit


Da der Stadtumbau Ost bundesweit res publica, eine öffentliche Sache ist, die in der Presse bereits reflektiert wurde, ist es Politikerpflicht, die Diskussion über den Stadtumbau Ost, bezogen auf unsere Heimatstadt Erfurt erst recht öffentlich zu führen. Dies begrüße ich ausdrücklich und gratuliere dazu. Das Versteckspiel mit dem "Masterplan", das erst durch die gezielte "Indiskretion" der TLZ- gelobt sei die Pressefreiheit(!)- beendet werden konnte, war ein warnendes Menetekel für einen Rückfall in die Zeit vor Glasnost und Perestroika. Dieser Fehler sollte nicht wiederholt werden.

1. Forderung: Die Diskussion zum Stadtumbau Ost, Erfurt muss auch fernerhin öffentlich geführt werden


Politische und städtebauliche Dimension
Der Vertrag und die Diskussion zum Stadtumbau Ost, Erfurt war fast ausschließlich auf städtebauliche Ziele abgestellt. Es fehlen die politischen und kulturellen Zielstellungen. Diese können nicht ausschließlich vom Städtebau kommen. Damit ist der Stadtplaner schlicht und einfach überfordert. Dort ist das politische und kulturelle Kalkül sowohl in der Zielstellung wie auch im Teil B, wenn auch latent, enthalten. Dieses Leitbild muss natürlich für Erfurt maßgeschneidert werden. Dazu sind identitätsstiftende und innovative Postulate in eine prägnante Form zu gießen.

2. Forderung: Formulierung eines politisch, kulturellen Leitbildes in Thesen.


Basisdaten Analyse


Da die Basisdaten der Bevölkerungsentwicklung eine wichtige Ausgangsposition für den ins Visier genommenen Stadtumbau Erfurt in den nächsten 20 Jahren darstellen, sind sie mit denen des Statistischen Bundesamtes abzugleichen. Ihre Konsequenzen in Bezug auf den Erwartungshorizont sollten in den 3 Alternativ- Ebenen pessimistisch, realistisch und optimistisch ausformuliert werden. Die Stadt sollte sich im Stadtumbau nicht zum Erfüllungsgehilfen der großen Wohnungsunternehmen machen lassen. Erfurt ist eine Stadt der Bürger und nicht eine Wohnungsbörse, die mit Kampagnen den Markt manipulieren wollen. Wichtiger noch sind die Zustandsanalyse der Stadt und die Beantwortung der Frage: Wie konnte es zu dem statistischen Abwärtstrend der Einwohnerzahlen der Stadt, mit den spektakulären Folgen der Infertilität, besonders der Abwanderung der Jungen und Leistungsfähigen wegen der fehlenden Perspektiven, kommen? Warum gibt es diese Sorgen nicht in Jena oder Weimar?
Es geht dabei nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern eine Diagnose zu versuchen, um daraus die geeignete Therapie zu bestimmen. Diese sollte integraler Teil des Stadtumbaus Erfurt werden, um erst einmal mit anderen Städten der Region gleichzuziehen. Der Zugewinn an Lebensqualität ist die 2. Säule des Wettbewerbs. Darüber wird noch zu sprechen sein.

3. Forderung: Die Diagnose ohne Ressentiments muss 1. Voraussetzung für den Stadtumbau Erfurt werden.


Zielstellung


Die Unverwechselbarkeit der Stadt Erfurt, auf die wir zu recht so stolz sind, die uns Heimat, Geschichte, Gegenwart und Zukunft ist, lässt sich nicht mit "Europäische Stadt" und "Stadt am Wasser" definieren.
Erfurt ist keine, noch keine Europäische Stadt, dies muss, müssen wir mit aller Bescheidenheit eingestehen, wenngleich wir mit Dom und Severi fast ein Ensemble von europäischem Format haben, leider eben nur fast, denn es fehlt auf dem Petersberg immer noch die innovative "Akropolis"!
Es gibt Städte in Europa mit multilateraler Kultur und Geschichte, die diesen Anspruch haben und als Auszeichnung verdienen und außerdem einzigartig sind. Kurze Wege dagegen gehören zu den ebenso selbstverständlichen städtischen Komponenten wie das Wasser, "da spricht man nicht drüber, das hat man", oder eher umgekehrt?! Wir sind nicht Hamburg oder Dresden mit Wasserlandschaften in der Stadt. Wir haben aber dafür die größte erhaltene Altstadt Deutschlands. Mit diesem Pfund können wir wuchern!
Als Voraussetzung für den Stadtumbau sollte ein Funktions-, Formen- und Farbenkanon als Determinante für die Typik der Stadt definiert werden. Der in dem Informationsmaterial angesprochene Aspekt von der Europäischen Stadt ist, wenn auch in anderer Hinsicht als gemeint, von großer Tragfähigkeit, nämlich als Zielgröße für die Entwicklung Erfurts zur Europäischen Stadt mit allen Konsequenzen, einschließlich zum Beispiel der zur Zeit noch unpopulären Ansiedlung und Integration ausländischer Bürger. Dieser Zielkatalog muss sich auf die Gestaltung und Entwicklung aller Stadtgebiete und auf die in Aussicht genommene Region erstrecken und seinen Niederschlag in allen relevanten städtischen Planwerken finden.

4. Forderung: Festlegung des Kanons von Erfurt und des Zielkatalogs


"Europäische Stadt Erfurt"
Abschließend stellt man fest, dass Erfurt am Anfang dieses Jahrhunderts vor einer vielversprechenden Aufgabe steht, deren Bewältigung über das Wohl und Wehe seiner Bürger auf lange Sicht entscheidet. Dazu wünsche ich Glück und das Wehen des Hl. Geistes, der weht wo er will. Vielleicht auch hier.

Dr. Günter Andres, Architekt BDA Erfurt

veröffentlicht am 17.06.2002 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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