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Nachhaltiges Bauen zum Schutz natürlicher Ressourcen

Rückblick auf die Kammergruppenveranstaltung in Nordhausen

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Prof. Dr. Angelika Mettke von der BTU Cottbus-Senftenberg bei ihrem Vortrag im Klimapavillon, Bild: Michael Rembe

Die Kammergruppe Kyffhäuser Südharz lud am 11. August 2021 in Kooperation mit der Stadt Nordhausen zu einer öffentlichen Weiterbildungs- und Informationsveranstaltung zum nachhaltigen Bauen in den Klimapavillon ein.

Der Schwerpunkt lag auf der Frage, wie durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen Ökosysteme als natürliche Ressourcen geschützt werden können. Expertinnen und Experten, unter anderem zu Recycling-Gips und Recycling-Beton, informierten über den neuesten Stand der Forschung.

Prof. Dr. Angelika Mettke von der BTU Cottbus-Senftenberg berichtete, dass das jährliche Aufkommen an Bauschutt in Thüringen circa 97.500 Tonnen beträgt. Nur zehn Prozent davon werden stofflich verwertet, 90 Prozent landen auf Deponien. Nach dem Kreislaufverwertungsgesetz besteht jedoch eine Verwertungspflicht. Zunehmend an Bedeutung gewinne der Einsatz mineralischer Recycling-Baustoffe, so Mettke. Recyclingbeton habe im Hochbau jedoch noch immer ein Imageproblem, obwohl die Bauverein AG, Darmstadt, bereits im Jahr 2000 bei einem Wohngebäude 12.000 m³ Recyclingbeton für Innenbauteile und Bodenplatte (WU-Beton) mit Erfolg einsetzte. Dabei wurden die Betonfestigkeitsklassen B 25 und B 35 nach DIN 1045 (C 20/25, C 30/37) erreicht. Qualitätszweifel, Innovationsskepsis und fehlende Erfahrungen führten noch immer zu einer fehlenden Nachfrage, sagte Mettke. Das sollte sich ändern!

Den beispielhaften Einsatz von Recycling-Beton stellte Prof. Mettke daraufhin anhand der im Jahr 2019 eröffneten innovativen Umweltstation in Würzburg vor. Bauherr des zweigeschossigen Massivbaus in Ortbetonbauweise
war die Stadt Würzburg, geplant wurde das Vorhaben von balda architekten und TRAGRAUM Ingenieure. Verbaut wurden rund 650 m³ Beton, davon 480 m³ Recycling-Beton in den Festigkeitsklassen C 20/25 (44 m³), C 25/30 (158 m³) und C 30/37 (277 m³). Im Ergebnis weisen die untersuchten RC-Betone hervorragende technische Eigenschaften auf, ihre Qualität ist mit der von Primärbetonen vergleichbar. Die Herstellungskosten gegenüber Normalbeton seien ähnlich, Transportwege sind möglichst kurz zu gestalten.

„Wir können nachhaltiges und zukunftsfähiges Bauen durch neutral ausgeschriebene Baustoffe aktiv mitgestalten“, schloss Prof. Mettke. So könnten Märkte für Recycling-Beton geschaffen werden; entsprechende Pilotprojekte führten zu mehr Transparenz und Akzeptanz.

Das Recycling von Gips und den Beitrag von Sekundärrohstoffen zur Kreislaufwirtschaft thematisierte anschließend Prof. Dr. Ariane Ruff von der Hochschule Nordhausen. In Deutschland erfolgt die Bedarfsdeckung an Gips-Rohstoffen über REA-Gips (circa 5 bis 7 Millionen Tonnen pro Jahr inklusive circa 2 Millionen Tonnen Export) und Naturgips (circa 4,5 Millionen Tonnen im Jahr). Prof. Ruff konstatierte, dass der Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger zu einem fast vollständigen Rückgang von REA-Gips bis spätestens 2038 führe.

Um den vermehrten Abbau von Naturgips in hochwertigen Landschaftsräumen zu vermeiden, sei daher verstärktes Recycling von Gipsprodukten und die Substitution durch andere Materialien erforderlich. Bauabfälle auf Gipsbasis werden jedoch nur zu knapp fünf Prozent recycelt – recyclingfähig wären zwischen 0,5 und 1,1 Millionen Tonnen im Jahr. „Abfall folgt dem Weg des geringsten Preises und nicht dem der höchsten Abfallhierarchie“, betonte die Expertin. Aktuell gäbe es verstärkte Forschungsaktivitäten zum Recycling und zur Anpassung der Gips-Produkte zur Verbesserung der Recyclingfähigkeit.

Kann Phosphorgips den zukünftigen Entfall von REA-Gips und Naturgips ersetzen? Dieser Frage war der dritte Vortrag des Tages von Stefan Coninx von der DMT Group gewidmet. Coninx erläuterte, dass das Abfallprodukt Phosphorgips bei der Verarbeitung von natürlichen Phosphatvorkommen in der Düngemittelproduktion entsteht. In Folge der Verarbeitungsprozesse hätten sich weltweit enorme Mengen davon auf Halden angesammelt, die oft Küstenregionen einnehmen. Allein in Europa gebe es 13 Standorte mit einer Jahreskapazität von 14,1 Millionen Tonnen pro Jahr. Das weltweit jährlich produzierte Phosphorgips-Volumen wird auf 100 bis 280 Millionen Tonnen geschätzt. Der wertvolle Gips könne recycelt werden und als Ersatz für den entfallenden REA-Gips dienen, so Coninx. Die Ressourcen aus Naturgipsvorkommen könnten geschont und die von den Phosphorgipshalden eingenommenen Flächen anderweitig, zum Beispiel für Landwirtschaft und Tourismus, genutzt werden. Phosphorgips aus Belgien werde bereits für Bauprodukte verwendet. Coninx räumte ein, dass geprüft werden müsse, ob sich das jeweilige produzierte Phosphorgipsmaterial für ein Recycling eignet. Ein hoher Radionuklidgehalt könne zu hohen Kosten in der Aufbereitung und Klassifizierung führen. Der Aktivitätsindex und nicht zu überschreitende Werte nach § 135 StrlSchG seien einzuhalten. In Versuchen konnte DMT nachweisen, dass Grenzwerte für dünnschichtige Anwendungen wie Gipskartonplatten deutlich unterschritten würden und beispielsweise mit Lehm vergleichbar seien. Praxisorientierte Untersuchungen und Analysen für konkrete Phosphorgipsstandorte und großtechnische Anlagen sind laut Coninx noch erforderlich. Für eine konkrete Versuchsanlage, die im industriellen Maßstab eine Verwertung von Phosphorgips aufzeigt, würden bereits erste Vorhaben laufen. Phosphorgips kann eine Alternative zu REA-Gips und Naturgips sein.

Kathrin Rembe, Pia Wienrich

veröffentlicht am 21.10.2021 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Kammergruppe Kyffhäuser Südharz, Kammergruppen

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