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Nur die beste und nicht die erstbeste Lösung

Ein Interview mit Klaus Reich, Vizepräsident und Vorsitzender des Landeswettbewersausschusses der Architektenkammer Thüringen



Herr Reich, der Neujahrsempfang der Architektenkammer Thüringen stand unter dem Motto „KulturLandschaft Thüringen“. Welche Bedeutung hat der Berufsstand der Architekten für die KulturLandschaft Thüringen?
Die Architektenkammer Thüringen möchte mit dem Jahresmotto 2008 „KulturLandschaft Thüringen“ für die Standortpotentiale der Region werben und auf verschiedenen Veranstaltungen besonders auf die Bedeutung der Baukultur aufmerksam machen.
Der Berufsstand der Architekten sieht seine Kernkompetenz in der Förderung der Baukultur. In Thüringen zeugen Tausende Bau- und Kunstdenkmäler sowie historische Stadtkerne und Landschaftsräume vom reichhaltigen kulturellen Erbe. Die Architekten und Innenarchitekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten stellen sich der Verantwortung und sind in der Lage, dieses Erbe im Sinne einer modernen Denkmalpflege zu bewahren und für gegenwärtige und zukünftige Nutzungen lebendig weiter zu gestalten. Der gesellschaftliche Wandel erfordert tief greifende Veränderungen im Stadtumbau, die nur unter Beachtung hoher Qualitätsansprüche gelingen und die gesamte Kompetenz des Berufsstandes in Anspruch nehmen.

Ich denke, wir stehen am Anfang einer neuen Epoche des Planens und Bauens, bei der einmal mehr die Chance besteht, aus den Potentialen unserer Region Standortvorteile zu machen.

Sie sind Vizepräsident der Architektenkammer. Welches sind für Sie die größten berufspolitischen Herausforderungen für das Jahr 2008 und welche Wege wird die Architektenkammer beschreiten, um ihnen zu begegnen?
Trotz schwächelnder Baukonjunktur verlangen die anspruchsvollen und komplexen Bauaufgaben nach hervorragend ausgebildeten Architekten und Ingenieuren. Ich fordere deshalb mit Nachdruck, für den vorliegenden Referentenentwurf des Thüringer Architekten- und Ingenieurgesetzes die mindestens 4-jährige Regelstudienzeit für alle Fachrichtungen festzuschreiben, als Voraussetzung der Eintragung und damit der Zuteilung der Bauvorlageberechtigung.
Bei der geplanten Novellierung der HOAI muss deren verbindlicher und gesetzesgebender Charakter erhalten bleiben. Die verbindliche Regelung der Mindestsätze ermöglicht den Fortbestand des für die Baukultur so wichtigen Qualitätswettbewerbes.
Unter der Zielstellung „KulturLandschaft Thüringen“ möchte ich an die Vorbildwirkung des öffentlichen Auftraggebers appellieren. Die Ausgabe von öffentlichen Mitteln sollte neben ihrer wirtschaftlichen Verwendung an höchste Qualitätsmaßstäbe gebunden sein. Mit Architektenwettbewerben gelingt in aller Regel die beste und nicht die erstbeste Lösung.

Die Förderung der Aus-, Fort- und Weiterbildung wird auch 2008 einen Schwerpunkt innerhalb der Berufspolitik einnehmen. Mein großes Interesse gilt dabei dem Fortbildungsprogramm der neu ins Leben gerufenen Bauhaus Akademie Schloss Ettersburg.

Ich wünschte mir eine hohe Beteiligung der hiesigen Büros an den Architektouren sowie am diesjährigen Staatspreis für Städtebau und Architektur und den zum zweiten Mal ausgelobten Preis zur Förderung der Baukultur.

Die Architektenkammer Thüringen wird im Herbst Gastgeber des 4. Mitteldeutschen Architektentages sein. Hier wird unser Jahresmotto der „KulturLandschaft Thüringen“ die mitteldeutsche Region beleuchten.

In Vorbereitung der Wahlen zur Vertreterversammlung wünsche ich mir eine aktive Diskussion innerhalb der Kammergruppen sowie eine breite Bereitschaft zur ehrenamtlichen Tätigkeit der Mitglieder innerhalb der Interessenvertretung des Berufsstandes.

Als Vorsitzender des Landeswettbewerbsausschusses setzten Sie sich gleichzeitig auch sehr für die Stärkung des Wettbewerbswesens ein. Wie beurteilen Sie die Wettbewerbskultur in Thüringen? Welche Aufgaben hat sich der Landeswettbewerbsausschuss für 2008 vorgenommen?
Architektenwettbewerbe haben nicht nur in Deutschland eine große Tradition, sie sind für unseren Berufsstand ein Alleinstellungsmerkmal. Keine andere Berufsgruppe stellt sich deutlicher dem öffentlichen Qualitätswettbewerb, wie die der Architekten.

Die Öffentlichkeit erwartet zu recht für wichtige Bauaufgaben alternative Lösungsvorschläge. Die Architekten erwarten, dass die Auslobung der Wettbewerbe entsprechend den geltenden Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe - kurz GRW - erfolgt.

Unter Wettbewerbskultur verstehe ich Chancengleichheit, eine angemessene Honorierung, die Beurteilung der anonym eingereichten Beiträge durch ein qualifiziertes, unabhängiges Preisgericht sowie die verbindliche Aussicht eines der Preisträger auf die weitere Beauftragung der Leistungen mindestens bis zur abgeschlossenen Ausführungsplanung.

Bedauerlicherweise stellt diese Art von Wettbewerbskultur im Freistaat die Ausnahme dar. Gutachterverfahren, Parallelbeauftragungen und alle Arten von unbezahltem Ideenklau beschäftigen die Gremien der Kammer.

Architektenwettbewerbe müssen fester Bestandteil der Förderrichtlinien zur Verwendung von öffentlichen Mitteln werden, da nur dies den Interessen der Öffentlichkeit entsprechen kann.
Der Landeswettbewerbsausschuss bereitet zurzeit eine Ausstellung zur Werbung für Wettbewerbe vor. Aus dem Fundus der über 100 Wettbewerbe, die in den letzten 10 Jahren betreut wurden, soll eine Auswahl hervorragender bereits realisierter Projekte präsentiert werden. Unter dem Motto „Kammer vor Ort“ wird diese Ausstellung in den Städten und Gemeinden Thüringens vorrangig Beispiele aus dem kommunalen Sektor zeigen, die zur Nachahmung anregen.

Mit der baldigen Einführung der neuen Wettbewerbsordnung, deren Anwendbarkeit bedeutend einfacher werden soll, hoffen wir auf eine große Resonanz bei den privaten und öffentlichen Bauherren zur Durchführung von Wettbewerben. Wie schon öfter zitiert: die beste Lösung und nicht nur die erstbeste Lösung wird zum Beitrag für die Baukultur unseres Landes.

Der Präsident der Architektenkammer begleitet im Rahmen der Wirtschaftsdelegation den Ministerpräsidenten regelmäßig zu Auslandsreisen, eine Möglichkeit, um u.a. für Thüringisches know-how zu werben. In welchem Zusammenhang könnte Ihres Erachtens die Außendarstellung Thüringens, auch die der Qualität der Baukultur noch verbessert werden?
Unter unserem Jahresmotto „KulturLandschaft Thüringen“ sollte es uns auch gelingen, in der Außendarstellung die Standortvorzüge unserer Region mit größerer Begeisterung zu schildern.

Thüringens Städte sind geprägt von einer reizvollen und vielfältigen Architektur. Die historischen Stadtkerne zeugen von reichen kulturellen Traditionen der deutschen und europäischen Geschichte. Orte mit preisgekrönter moderner Architektur werden dabei ebenso zu Besuchermagneten wie die Stätten des Weltkulturerbes. Neben den weltweit bekannten Orten des kulturellen Erbes sollte es jedoch in Zukunft auch gelingen, die so genannte Impulsregion (Erfurt - Weimar - Jena) wirklich zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört neben einer abgestimmten Stadtentwicklung eine deutlich verbesserte Infrastruktur, die die Region zusammenzieht und damit attraktive Standortfaktoren für Arbeit, Wissenschaft, Forschung und Erholung schafft.

In der Außendarstellung bedeutet dies ein einheitliches Erscheinungsbild für die gesamte Region, zum Beispiel auf Internationalen Immobilienmessen, wie der EXPO-REAL in München. Hier sollten die Kommunen mit ihrem kulturellen Potential, den Universitäten und Wirtschaftsstandorten gemeinsam werben. Unsere Städte sind im internationalen Maßstab zu klein, nur eine funktionierende Region wird interessant für internationale Investitionen.

Wie beurteilen Sie den Vorstoß der Bauindustrie, mit dem Leitbild „Bauwirtschaft“ Planen und Bauen aus einer Hand zu forcieren? Welche Erfahrungen existieren in Thüringen mit der neuen Vergabeform Private Public Partnership? Welche Chancen und Risiken sind Ihres Erachtens mit dieser Vergabeform verbunden?
Der Vorstoß der Bauindustrie mit einem neuen Leitbild, Planen und Bauen aus einer Hand anzubieten, ist nicht neu. So waren die monotonen Typenprojekte aus der Zeit des Sozialismus in der DDR ein Ergebnis dieser Bauunkultur und auch das weltweit übliche Generalübernehmertum führt bekanntlich nicht zu wirklichen Höhepunkten in der Baukultur. Das bewährte Prinzip der Trennung und Unabhängigkeit von Planung und Bauausführung soll hier aufgehoben werden. Damit werden die Belange der Nutzung und die architektonische Qualität den Gewinnorientierungen des Baubetriebes untergeordnet. Der Architekt wird innerhalb der Bauausführung vertraglich gebunden und verliert seine Position an der Seite des Bauherren als dessen unabhängiger Berater, Planer und Bauüberwacher.
Bei PPP-Projekten werden sämtliche Bereiche, die die Nutzung und den Lebenszyklus einer Immobilie betreffen, in die Hände eines Konsortiums gelegt - Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben.

Es ist unbestritten, dass private Betreiber eher in der Lage sind, Synergieeffekte und Effizienzgewinne zu realisieren. Dennoch müssen wir kritisch hinterfragen, aus welchen Gründen der für die Nutzungsqualität so wichtige Planungsprozess in die Hände des Baupartners gelegt werden soll. Allein die Aufgabenstellung für eine am Anfang definierte Nutzungsvariante bildet die vertragliche Grundlage für einen langen Lebenszyklus, Qualitätsanforderungen fallen dabei gleich zu Beginn aus Kostengründen unter den Tisch. Aus diesem Grund erscheinen die Vertragsrisiken für Bauprojekte mit besonders hohem Nutzungsänderungspotential, wie Krankenhäuser, Schulen und Bildungseinrichtungen, besonders kritisch, während Verkehrsprojekte, wie Brücken, Tunnel und Fahrtrassen, besser geeignet sind.

So kommt es in Thüringen zunächst zur Umsetzung von PPP-Projekten im Straßen- und Autobahnbau. Die Kommunen halten sich nach Prüfung einiger Projekte aus gutem Grund zurück, zumal mit zunehmenden Erfahrungen und fortgeschrittenen Laufzeiten von PPP-Projekten in Deutschland und Großbritannien die bestehenden Defizite vor allem bei der Qualitätssicherung offensichtlich werden.

Die Planung der Lebenszyklen einer Immobilie ist für Architekten und Ingenieure eine große Herausforderung. Die besondere Bau- und Nutzungsqualität einer Immobilie zeigt sich erst innerhalb von langen Betreiberzeiträumen, aber auch das ist nicht neu.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin der AKT

veröffentlicht am 01.02.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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