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Offener Brief an die Vertreterversammlung der AK Thüringen

Offener Brief an die Vertreterversammlung der Architektenkammer Thüringen

Sehr geehrte Vertreterin, sehr geehrter Vertreter der Architektenkammer Thüringen,

...alle reden von Veränderung...

und die Thüringer Architekten? Wie geht es weiter? Das x-te Jahr der Branchenkrise, warten auf einen neuerlichen Aufschwung und weiter wie gehabt? Oder ist es nicht endlich an der Zeit, herabzusteigen aus dem Elfenbeinturm, Eigeninitiative zu zeigen, eigene Ziele zu definieren, eigene Visionen und Konzepte zu entwickeln und die ausgetretenen Wege zu verlassen? Hier sind alle Beteiligten gefordert, alle Architekten, ob Hochbau-, Innen- oder Landschaftsarchitekten. Der Ruf des Architekten liegt am Boden, außer vielleicht bei denen, die immer noch Architektur studieren wollen. Die Zeiten, in denen es selbstverständlich war, zu einem Architekten zu gehen, wenn man bauen wollte, sind längst vorbei.

Systemhausanbieter, Bauträger, Landschaftsbauunternehmen, ja selbst Möbelhäuser, Raumausstatter und Malerfirmen "designen" heute unsere Umwelt. "Der Architekt ist zu teuer, den kann ich mir nicht leisten, er macht eh' nur bunte Plänchen, hält keinen Kostenrahmen ein und richtig gemütlich wird es in den "weißen Kisten" auch nicht." Alle sattsam bekannt, die Vorurteile.

Der Ausweg daraus kann nur Aufklärung sein, intensive, vielleicht sogar aggressive Öffentlichkeitsarbeit, über Vorteile des Bauens mit Architekten. Jedoch ist es gleichzeitig notwendig, die Erwartungen nicht zu enttäuschen und die Versprechungen zu halten. Mit dem durch Lobbyarbeit zu erwarteten Erhalt der Honorarordnung, sollte allen Architekten klar sein, dass ihrerseits nun ein Gegenbeitrag zu leisten ist - und der heißt Weiterbildung und Qualifikation.

Auch muss die herausragende Eigenschaft des Architekten, die des Generalisten, mit der wir uns alle gern brüsten, wieder stärker betont werden. Die Fähigkeit in großen Zusammenhängen zu denken, zig verschiedene Gewerke und Fachrichtungen zu koordinieren, zu managen, ja zu moderieren - darin liegt die Kunst der Branche - und darin liegt auch eine erhebliche, nicht zuletzt auch eine soziale, ja sogar gesellschaftliche Verantwortung.

Folgende Punkte stellen Forderungen, Empfehlungen und Diskussionsanregungen der Unterzeichneten an die Vertreter dar.

  1. Erarbeitung und Bestätigung eines Gesamtkonzeptes "Öffentlichkeitsarbeit" über einen Zeitraum von mind. 5 Jahren (Wahlperiode). Einbettung aller Initiativen und Aktionen der Architektenkammer Thüringen in dieses Konzept. Dies betrifft alle Broschüren, Buchveröffentlichungen, Pressebeiträge, Ausstellungen, Vortragsreihen, Messeauftritte, Plakate und Kalender der AKT usw.,

    Dies setzt eine Wiederbelebung der Arbeitsgruppe "Öffentlichkeitsarbeit" voraus, mit einer
    Bekanntmachung im DAB, kein "Setzen" der Mitglieder der Arbeitsgruppe durch die AKT. Teilnehmen kann, wer ein mittelfristiges Konzept vorweisen kann.

    Es kann nicht sein, dass es für ein sehr kleines Betätigungsfeld der Thüringer Architekten (Architekturleistungen im Ausland) eine eigene Arbeitsgruppe gibt (AG Export) und für das wichtigste Thema (besagte Öffentlichkeitsarbeit), kein Bedarf sein soll.

  2. Ausbau der Veranstaltung "apropos architektouren" zur Hauptveranstaltung der Thüringer Architekten. Diese Veranstaltung muss zum "Event des Jahres", zur zentralen "zur Schaustellung" des Architekten werden. Damit verbunden eine Nichtwiederauflage des Begleitbuches "apropos architektouren", da dieses Heft wenig bis gar keine Öffentlichkeitswirkung hat ("von Architekten für Architekten"). Die eingesparte Gelder besser in Bewerbung der Veranstaltung investieren, denkbarer Ablauf: möglichst Beteiligung aller Büros mit ihren Projekten, gleichzeitig Thüringenweiter "Tag des offenen Büros", Erarbeitung und Bereitstellung von Info-Material in Form von Flyern durch die AKT (z.B. Erklärung der Leistungen des Architekten, was beinhalten die Leistungsphasen usw.), weithin sichtbare Kennzeichnung der Projekte (große wetterfeste Planen mit Schriftzug "apropos architektouren"), intensive Bewerbung dieser Veranstaltung in allen Medien, im Rahmen dieser "Tage der Architektur" Organisation von "verbrauchernahen" Vertragsreihen, Ausstellungen u.ä.

  3. gemeinsame Messeauftritte der Thüringer Hochbau-, Innen- und Landschaftsarchitekten und nicht der Thüringer Architektenkammer, beispielsweise auf der Thüringenausstellung, Messe Haus + Technik usw. Dies sind Verbrauchermessen und die Besucher interessieren sich nun mal weniger für "Körperschaften öffentlichen Rechts", als für greifbare Dienstleistungen und Produkte.

  4. Infragestellung des Neujahrsempfangs in der jetzigen Form
    Wenn der Sinn der Veranstaltung darin liegt, vor nur ca. 100-150 Architekten, aber versammelter politischer Prominenz, Jahr für Jahr über die eher betrübliche Situation des Berufsstandes zu klagen
    und gleichzeitig aber die "erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen" zu loben, dann ist damit keinem Mitglied geholfen. Aufgabe der berufsständischen Vertretung ist es
    hier vielmehr, eine derartige Gelegenheit zu nutzen, auch kritische Töne zu äußern, gravierende Missstände zu benennen und vor allem eigene Konzepte, Vorschläge und Forderungen zu artikulieren.
    Nebenbei ist damit sicher ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand verbunden.

  5. Reform der Ausbildung von Architekten an Fachhochschulen und Universitäten
    Nach wie vor werden am Bedarf vorbei Architekten ausgebildet, der Ausbildungsstand entspricht bei weitem nicht den Anforderungen in der Praxis. Wissensgebiete wie beispielsweise Statik, Versorgungstechnik, Energiekonzepte, Facility Management, Kostenmanagement oder
    Ausschreibungen kommen in der Ausbildung zu kurz. Gemeinsames, fachübergreifendes Bearbeiten von Projekten und Diplomarbeiten wird gefordert.

    Stärkere Einbindung der Praxis in die Ausbildung (nicht nur Werkberichte, sondern Alltagsarbeit der Architekten)

  6. Einführung der Pflicht zur Weiterbildung
    Vorschlag: Punktesystem wie beispielsweise in Hessen, mit Pflichtveranstaltungen (z.B. neue Bauordnung, Kostenmanagement, EnEV usw.), ansonsten Punktesammeln nach Wahl, bei Nichterreichen der geforderten Punktzahl - Fristsetzung von 6 Monaten zum Nachweis der geforderten Punktezahl, danach Entzug der Bauvorlageberechtigung.

    Das System benachteiligt Arbeitslose und Büros mit geringen Umsätzen und ist damit teilweise genauso ungerecht wie das jetzige, bei denen die wenigen, die ihr Handwerk nicht verstehen, den Ruf einer ganzen Branche ruiniert haben und diesen immer noch ruinieren.

    Hier geht es nicht um, wie manche behaupten (siehe Diskussion im DAB), um "Verbesserung der Architektur", sondern um das ganz normale Handwerkszeug des Architekten. Denn hier fällt den Architekten wieder die mangelhafte Ausbildung auf die Füße. Und "lebenslanges lernen" ist in vielen Branchen heute Normalität.

    Hierzu ist noch anzumerken, dass das gemeinsame Bildungswerk der Architektenkammer Thüringen und Ingenieurkammer Thüringen, das BWAW, dann mit ganz anderen Teilnehmerzahlen kalkulieren kann und die Veranstaltungen, die z.Z. mit Mindestteilnehmerzahlen von 12 kostendeckend arbeiten, um einiges preiswerter angeboten werden können.

  7. Durchsetzung der Erreichbarkeit aller Architekten per e-mail
    Verzicht der Zustellung von Informationen an die Mitglieder in Papierform. Bekanntmachung der dadurch freiwerdenden Mittel und Investition dieser eingesparten Gelder in sinnvolle Projekte.

  8. Neustrukturierung und Vereinfachung des Handlings der völlig überfrachteten Internetseite der AKT

    Klare Trennung des Zugangs zu Informationen für Mitglieder und Bauinteressierte, Ausbau der Internetpräsenz zur Hauptinformationsquelle der Mitglieder

  9. Überarbeitung des DAB-Inhalts der AKT
    zukünftig weniger Platzverschwendung (leerer oberer Balken), mehr interessante und wichtige Beiträge zum Berufsgeschehen, Rechtssprechungen usw., kein Abdrucken irgendwelcher Reden

  10. Vorschläge zur Auflage von Informationsschriften:
    Innenarchitekten (analog der soeben erschienenen Broschüre der Designer des Designzentrums in Weimar), Garten- und Landschaftsarchitekten in Thüringen, Wiederauflage des Thüringer Architektenhandbuches

    Bei der Konzentration der wichtigsten aktuellen Vorschriften, Verordnungen und Richtlinien Thüringens sollte es kein Problem darstellen, die Mitglieder an der Finanzierung zu beteiligen.

    Weiterführung bzw. Neuauflage des Bauherrenratgebers Thüringen

    Faltblätter für Bauherren (siehe apropos architektouren), Arbeitsmittel, die im täglichen Geschäft vorteilhaft wären

  11. Wettbewerbe
    Einführung des Losverfahrens für Wettbewerbsteilnehmer und Preisrichter, keinerlei Einmischung der AKT bei der Auswahl der Teilnehmer, sondern Durchsetzung des Losverfahrens,
    Erleichterung der Zugangsbedingungen gerade auch für junge Architekten, Offenlegung des Verfahrens

  12. Erhalt und bedarfsweiser Ausbau der Rechtberatung, als wichtigste Dienstleistung der AKT

  13. Hinterfragung und Kontrolle der Kosten der Geschäftsstelle
    Einsparungspotenziale aufdecken und nutzen
Alle die Vorschläge, Empfehlungen und Forderungen dienen nicht der bloßen Einsparung von Geldern und Arbeitszeit, sondern einer effektiveren, zielgerichteten Verwendung der Mitgliedsbeiträge.

Und noch viel wichtiger - es geht nicht um eine Imageverbesserung der Architektenkammer Thüringen, sondern um eine Imageverbesserung des Architektenberufes. Wenn das erreicht ist, erübrigen sich die alle anderen Bemühungen von selbst.

Sie als gewählter Vertreter bestimmen den zukünftigen Kurs der Architektenkammer Thüringen, sie bestätigen die Planungen und Konzepte (sofern vorhanden) der AKT. Der Vorstand und die Geschäftsstelle sind die ausführenden Institutionen dieser Beschlüsse. Seien Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst und helfen Sie mit, aus der Architektenkammer Thüringen zukünftig ein Dienstleistungsunternehmen für alle Mitglieder zu machen.



Thüringen im November 2003

Die Unterzeichner

Axt, Nadine freie Architektin
Barthelmey, Stefan Planungsgruppe Barthelmey
Brodkorb, Swen fab_architekten
Davignon, Martin freier Architekt
Eichholz, Carsten Planungsgruppe Barthelmey
Franke, Sven freier Architekt
Harbig, Felix arch42
Hartmann, Ursula Hartmann Architekten + Ingenieure
Hornschuh, Romy Riesmeier+Hornschuh Architekten
Krehl, Silke Merten+Krehl Architekten
Langer, Steffen Adobe
Lütkemeier, Sven freier Architekt
Merten, Dr. Michael Merten+Krehl Architekten
Möller, Steffen freier Architekt
Riesmeier, Ralf Riesmeier + Hornschuh Architekten
Seidl, David freier Architekt
Spindler, Anton Spindler Architekten
Wohlleben, Matthias freier Architekt

veröffentlicht am 19.12.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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