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OFFENER BRIEF AN THÜRINGENS BUNDESTAGSABGEORDNETE IN BERLIN

Die Architektenkammer Thüringen bezieht zum Koalitionsvertrag von SPD und Die Grünen, zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder und zur Regierungserklärung des Bundesbauministers Manfred Stolpe eigene Positionen. Mit diesen haben wir uns an die Bundestagsabgeordneten aus Thüringen gewandt. Grundlagen dazu waren die Wahlprüfsteine der Architektenkammer Thüringen, die wir im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2002 veröffentlicht hatten sowie unsere Forderungen nach mehr Wachstum, Beschäftigung und Förderung des Mittelstandes.

Die Architektenkammer Thüringen begrüßt die Absicht der Bundesregierung, Bürokratien und Verwaltungsaufwendungen abzubauen. Besonders im Bereich der Bauwirtschaft ist eine Angleichung der Bauordnungen der Länder notwendig und auch eine Entschlackung des Baunebenrechts dringend geboten. Der Bürokratieabbau muss aber unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes zu sehen sein. Es geht nicht um weniger Staat, sondern um einen effizienteren Staat. Positiv ist vor allem die Orientierung auf eine ökologische Modernisierung der Bundesrepublik und die Festigung des Prinzips der Nachhaltigkeit . Zur Förderung des Mittelstandes ist dringend geboten, dass

- die Kriterien des Basel II Abkommens mittelstandsfreundlich zu
gestalten sind
- Mikrodarlehen des Bundes direkt über eine Mittelstandsbank
mit 100%iger Haftung durch die Übernahme seitens des Bundes
vergeben werden, gefordert wird ein Ausschluss des Hausbanken-
Prinzips

Positiv wird die Fortführung des Programms zur Förderung erneuerbarer Energien seitens der Architektenkammer Thüringen eingeschätzt. Die Zukunftsinvestitionen erfordern aber auch eine ganzheitliche Betrachtung der Investitionen einschließlich der Betriebskosten und des Rückbaus, denn nur damit kann die Priorität der Nachhaltigkeitsstrategie, der Umweltverträglichkeit bei Bauinvestitionen wiedergespiegelt werden. Für die Mobilität in und durch Thüringen heißt es, dass der Bundesverkehrswegeplan auch mit der Realisierung der ICE-Trasse München – Erfurt – Berlin umzusetzen ist. Gleiches gilt für die Fortführung des Ausbaus bzw. des Neubaus der Thüringer Autobahn. Die Mitte Deutschlands braucht eine Verkehrsverbindung von Nord nach Süd und von West nach Ost, die sich sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene finden muss. Wachstum für Thüringen, besonders in den Regionen Thüringer Wald und Nordthüringen, ist nur durch eine bessere Infrastruktur zu schaffen.

Für den Mittelstand sind vor allem die Senkung der Lohnnebenkosten Grundlage einer positiven Wirtschaftspolitik, die auf Beschäftigung und den Abbau von Arbeitslosigkeit aus ist. Wir fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge und der Sozialabgaben. Tarifverhandlungen sind an Produktivitätskennzahlen zu orientieren. Eine Streichung des Gesetzes gegen die Scheinselbständigkeit ist eine unserer Forderungen. Alle Gesetze, Verordnungen und Richtlinien sind unter dem Aspekt der Förderung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik auf den Prüfstand zu stellen.

Das Programm „Kapital für Arbeit“, das Unternehmen Darlehen bis zu 100.000 Euro gewährt, sollte ein Programm sein, das nicht über die Hausbanken, sondern über die schon erwähnte Mittelstandsbank des Bundes läuft. Das Prinzip der Hausbanken erweist sich zunehmend als Bremsklotz für die Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen. Positiv ist das Minijobprogramm. Gefordert wird eine Ausweitung dieser Beschäftigungsverhältnisse auf alle Bereiche der Wirtschaft. Die Eingrenzung auf haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse ist zu kurz, um nachhaltige Effekte beim Abbau der Arbeitslosigkeit und der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erzielen. Modernisierung der Arbeitswelt heißt vor allem Modernisierung in dem Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer / Arbeitgeberverbände – Gewerkschaften. Hierbei geht es um eine Flexibilisierung und um eine Ausrichtung auf die Einzelbetriebe und Branchen.

Positiv sehen wir den Aufbau einer Mittelstandsbank des Bundes und der Verschmelzung der Förderinstrumente der Kreditanstalt für Wiederaufbau der Deutschen Ausgleichsbank sowie den Ansatz der Optimierung der Förderprogramme für den Mittelstand. Zur Ankurbelung von Investitionen ist es wichtig, dass dieses mit einer steuerlichen Abschreibung besonders beim Stadtumbauprozess in den neuen Bundesländern zusammengeführt wird. Wir fordern für den Stadtumbau Ost eine mindestens 10%ige Abschreibung über einen Zeitraum von 10 Jahren für Aufwendungen in der Sanierung, Modernisierung und bei Ersatzneubauten in den Sanierungsgebieten sowie Innenstädten für selbstgenutztes bzw. vermietetes Eigentum. Abriss, Aufwertung und Neubau von Wohnraum müssen gleichbehandelt förderfähig sein. Die Wohneigentumsförderung (Eigenheimzulage) ist zwischen den neuen und alten Bundesländern zu differenzieren.

Die Architektenkammer Thüringen begrüßt, dass die Bundesregierung auch weiterhin die Außenwirtschaftsförderung aufrecht erhält und stärken will. Insbesondere die Ost-Erweiterung der EU als Kernzielgebiet sollte unseres Erachtens dabei präferiert werden. Das Außenwirtschaftsengagement der Bundesregierung ist durch eine politische Begleitung zu unterstützen. Die Bundespolitik im Bereich der Außenwirtschaftsförderung ist durch Länderprogramme zu unterstützen.

Die Konsolidierung in der Finanz- und Haushaltspolitik des Bundes darf nicht zu einem Absterben und Abwürgung der Baukonjunktur führen. Wir fordern hier eine stärkere Nutzung der Prinzipien der Public Private Partnership und einer weiteren Privatisierung von bisher hoheitlichen Aufgaben sowie eine Überprüfung von Leistungen des Staates nach den Grundprinzipien der notwendigen Daseinsfürsorge für die Bürgerinnen und Bürger. Moderne Verwaltung heißt auch sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren! Wir fordern eine Stärkung der Eigenverantwortung der Länder und Kommunen sowie eine Stärkung der Finanzkraft der Kommunen über eine Gemeindefinanzreform.

Wir fordern die Anhebung der öffentlichen Investitionsquote des Bundes, der Länder und insbesondere der ostdeutschen Kommunen. Hierbei ist es wichtig, dass die Infrastrukturlücke zwischen den Kommunen Ost und West geschlossen wird. Positiv ist im Teil Aufbau Ost, dass die Altschuldenhilferegelung neu ausgerichtet wird und sie zur Stabilisierung der Wohnungsmärkte tragfähig werden soll. Das Programm Stadtumbau Ost ist über den Abriss von leerstehenden Wohnraum hinaus, insbesondere auf das Weiterbauen in den Innenstädten zu konzentrieren. Stadtumbau Ost heißt nicht nur Rückbau, sondern eben auch Umbau , Bauen, Investieren.

Positiv sehen wir die Qualitätsoffensive bei der Baukultur. Im Vergaberecht sind insbesondere aber auch die subjektiven Bieterrechte zu stärken und der Zugang zu Nachprüfverfahren im Vergaberecht muss vereinfacht werden. Die Novellierung des Baugesetzbuches ist insbesondere auf den Stadtumbau und die dafür notwendigen Planungsinstrumente zu orientieren. Positiv ist , dass die Bundesregierung an der Förderung von Architektur und Baukultur über die Gründung der Stiftung Baukultur festhält. Wir unterstützen den Anspruch der Bundesregierung Qualität, Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit zu fördern. Die Förderung der öffentlich-privaten Zusammenarbeit im öffentlichen Hochbau findet unsere Unterstützung. Hierbei verweisen wir aber darauf, dass Verschlankung nicht nur allein durch personelle Reduzierung zu erreichen ist, sondern nur durch die Konzentration auf die Kernkompetenzen und die Sicherung der Kompetenzen in der Verwaltung.

Wir fordern die Auflösung von Scheinselbständigkeiten von Unternehmen der Gebietskörperschaften. Diese Unternehmen sind als Fiskalvermögen zu behandeln. Sie müssen sich ohne Vorteilsnahme und personelle Verflechtungen mit der öffentlichen Hand gleichbehandelnd dem Markt stellen. Gefordert wird eine echte Privatisierungswelle von Beteiligungen der öffentlichen Hand zur Konsolidierung der Haushalte und zur Förderung von Investitionen. Mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und mehr Mittelstandsfreundlichkeit – darauf konzentrieren sich die Forderungen der AKT

veröffentlicht am 01.11.2002 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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