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Perspektiven der Entwicklung im Westen Chinas

Vortrag von Li Nianping, Botschaftsrat der Botschaft der Volksrepublik China in der Bundesrepublik Deutschland, auf dem Fernost-Forum "Export von Dienstleistungen" am 05.03.2004

Sehr geehrter Herr Beier,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Richwien
meine Damen und Herren,

zuerst möchte ich mich für die Einladung der Architekten Kammer Thüringen bedanken. Es ist mir eine große Freude, nach Erfurt zu kommen und Sie über die Entwicklungsperspektiven im Westen Chinas informieren zu dürfen. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an China und freue mich insbesondere darüber, dass Sie Ihr Augenmerk auf Westchina richten. Nicht nur wegen Ihrer Weitsicht auf diesen riesigen Markt mit großem Potenzial, sondern auch deswegen, dass ich selber aus dem Westchina stamme, genauer gesagt, aus der Provinz Shanxi, Partnerprovinz vom Bundesland Thüringen. Daher hoffe ich, dass mein heutiger Vortrag ein wenig zu dieser Partnerschaft beitragen könnte.

Meine Damen und Herren,
bevor ich mit dem Thema Westchina anfange, erlauben Sie mir, ein paar Bemerkungen zu der gesamten Entwicklung Chinas zu machen, weil das mit den Entwicklungsperspektiven Westchinas eng zusammenhängt. Nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik Ende siebziger Jahren hat China sich gravierend verändert. Die Wirtschaft entwickelt sich schnell und gesund, in den vergangenen 25 Jahren ist ein durchschnittlicher Zuwachs von mehr als 9% zu verzeichnen. Ein System der sozialistischen Marktwirtschaft ist etabliert worden. Der Lebensstandard der Bevölkerung erhöht sich von Tag zu Tag. Ein bescheidener Wohlstand der Bevölkerung ist zum Teil erreicht. Im Jahre 2003 verzeichnete China trotz der SARS-Krise und der globalen Wirtschaftsflaute einen Zuwachs von 9,1%. Das BIP betrug mehr als 1,4 Billionen US Dollar. Der Außenhandelsvolumen belief sich auf 850 Milliarden US Dollar, die realisierte ausländische Investition stellte sich auf 680 Milliarden US Dollar und die Devisenreserve stieg auf 403 Milliarden US-Dollar.

Obwohl große Erfolge erzielt wurden, sind uns die Schwierigkeiten und Probleme durchaus bewusst. Wir behalten die Gegebenheiten Chinas stets in Augen: Als das größte Entwicklungsland hat China eine relativ rückständige Grundlage. Die Entwicklung in den letzten Jahren verlief auch nicht gleichmäßig. Wir haben immer noch viele Probleme und Schwierigkeiten, die gelöst und beseitigt werden müssen. Wie z.B. zunehmende Arbeitslosigkeit, immer wachsende Einkommensgefälle zwischen Küstegebiet und Hinterland, sinkende Einkommen der Bauer, wachsende soziale Probleme. Mehr als 20 Millionen Menschen leben immer noch unter Armut (Jahreseinkommen pro Kopf ca. 65 Euro). China ist ein Land mit 1.3 Milliarden Menschen, die Schwierigkeiten Chinas tragen daher auch eine andere Dimension, die nicht jedem bekannt oder vorstellbar ist. Wir haben z.B. im Moment so viel Wanderarbeiter wie die gesamte deutsche Bevölkerung. Es macht keiner Regierung leicht unf gemütlich, wenn über 80 Millionen Menschen durchs Land ziehen und nach Arbeit suchen. Kurz und bündig gesagt, es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis wir die Modernisierung verwirklichen und einen Wohlstand für alle Chinesen erreichen.

Um die bewährte Öffnung- und Reformpolitik zu vertiefen und den ebenerwähnten Problemen Herr zu werden, hat China im vorigen Jahr ein Entwicklungsziel für die nächsten Jahre ausgearbeitet, und zwar bis zum 2020 eine Gesellschaft mit dem bescheidenen Wohlstand aufzubauen. Konkret gesagt, im Jahr 2020 soll das BIP vervierfacht werden. Das bedeutet 4000 Milliarden US Dollar, Pro Kopf 3000 US Dollar. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns mit allen Kräften auf den wirtschaftlichen Aufbau konzentrieren. Eine umfassende, ausgeglichene und nachhaltige Entwicklung zu erzielen ist daher von immenser Bedeutung. Dabei spielt die Erschließung Westchinas eine bedeutende Rolle.

Wenn von Westchina die Rede ist, meinen wir eine Region mit einer Fläche von 6 Millionen 85 Tausenden Quadratkilometern, 71.4% vom gesamten Territorium, und einer Bevölkerungszahl von 355 Millionen. Sie umfasst 12 Provinzen, Autonome Gebiete und die Stadt Chongqing mit einem Provinz-Status. Wegen geografischer Lage, klima- und historischbedingter Gründe ist die Entwicklung in dieser Region zurückgeblieben. Das BIP Westchinas macht zur Zeit nur 17.2% vom gesamten BIP Chinas aus. Der Abstand zu der Küsteregion ist groß und wird immer größer. Um dieser besorgniserregenden Entwicklung Halt zu gebieten und zu einer nachhaltigen und ausgeglichenen Entwicklung zu gelangen, hatte sich die chinesische Regierung Ende 1999 entschieden, Westchina zu erschließen.

Es ist schwierige und lange dauernde Aufgabe, die der Anstrengungen von einigen Generationen bedarf. Wir werden hart daran arbeiten und sehen einer glänzenden Perspektive entgegen. Dieser Optimismus basiert auf folgende Gründe: Erstens, Diese Region ist sehr reich an Naturressourcen, 80% der Wasserkraft-Ressourcen, 70% Gas-Vorrat, 60% Kohle-Vorrat vom ganz China und mehr als 100 Arten Bodenschätzen befinden sich hier. Zweitens, diese Region hat eine riesige territoriale Ausdehnung und darunter viele ungenutzte Bodenflächen, sie ist reich an Erdewärme und Sonnenenergie. Die Arten sind vielfältig. Drittens, diese Region verfügt über mehr als 180 Millionen Arbeitskräfte, die Arbeits- und Nebenkosten sind sehr günstig, nur etwa 40% von dem Niveau in den Küstegebieten. 90% von den 355 Millionen Einwohnern leben konzentriert in 4 Provinzen, die unmittelbar an Zentral- bzw. Ostchina grenzen. Sie bietet relativ gute Bedingungen für die Verarbeitungsindustrie und die arbeitsintensiven Branchen. Der Marktpotenzial ist groß. Viertens, diese Region besitzt eine relativ gute Aufbausbasis. In den fünfziger und sechziger Jahren wurden viele Industriebasen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen hier angesiedelt, wo sich viele Wissenschaftler und Fachkräfte sammeln. Fünftens, diese Region grenzt an mehr als 10 Staaten, ist eine unausweichliche Bindung zu Zentralasien, Westasien, Südost-Asien, Russland und Mongolei. Es besteht schon eine Asien-Euro-Brücke auf Schienen. Es ist vorteilhaft für die Zusammenarbeit mit diesen Regionen. Sechstens, das eigenartige geografische Antlitz, die Vielfalt von Nationalitäten, Sitten und Gebräuchen, sowie Sehenswürdigkeiten verleihen dieser Region zusätzlich Reiz und Glanz, und ziehen immer mehr Touristen an, ein weltbekanntes Beispiel ist die Seiden-Straße. Zum Letzten, die Erschließung Westchinas ist eine strategische Entscheidung der Zentralregierung und wird mit Unterstützungen sowohl von der Zentralregierung, als auch von den entwickelten Regionen Chinas tatkräftig gefördert und vorangetrieben. Es sind nicht nur die günstige Politik, finanzielle Hilfe, sondern auch technische Unterstützung, projektorientierte Partnerschaft usw. Zur Koordinierung dieser Arbeit wurde Anfang 2000 ein Leitungsstab unter der Führung des Ministerpräsidenten ausgebildet, zu dem 20 Minister oder Vize-Minister gehören.

In den vergangenen 3 Jahren haben wir eine Reihe von konkreten Maßnahmen nacheinander ausgearbeitet. Viele Projekte wurden auf Wege eingeleitet und die ersten Erfolge sind schon zu verzeichnen. Die Schwerpunkte für die nächsten Jahre sind auf folgende Gebiete gelegt: A. Infrastruktur. Schwerpunkte sind Bau von Straßen, Schienen und Flughäfen, Ausbau von Stromnetzen, Telekommunikation, Rundfunk. Bau von Gas-Pipel-Line, Anlagen der Wasserwirtschaft. B. Umweltschutz. Ziel ist, die ökologischen Verhältnissen so schnell wie möglich zu verbessern. C. Strukturregulierung. Dazu gehören Umstrukturierung der industriellen Unternehmen, die Naturressourcen rationell zu erschließen und zu schützen, Ausbau der Landwirtschaft, Förderung der Dienstleitungsbranchen. D. Ausbau von Wissenschaft, Technik und Bildungswesen.

Die Erschließung Westchinas ist natürlich auch auf die internationale Zusammenarbeit angewiesen. Deswegen begrüßen wir jede Art von internationaler Zusammenarbeit, sei es Direktinvestition, sei es Joint-Venture, sei es Verkauf von Produkten. Ich habe von Herrn Beier erfahren, dass Sie Spezialisten für Projekt-Entwicklung, Ökologischen Städtebau, Umwelttechnologie, Sanierung von Industriebauten, Gesundheitsbauten und Medizintechnik sowie für Hochschulbauten und Universitäten. Ich kann Ihnen sagen, was Sie haben, können wir sehr gut gebrauchen. Ich kann Ihnen nur vorschlagen, gehen Sie bitte nach China, bzw. Westchina, packen Sie die Chancen. Sie werden davon profitieren.

Ich will hier auch nicht verleugnen, dass es angesichts der Unterschiede von Gesellschaftssystem, Entwicklungsstand, Kultur, Mentalität und Herangehensweise manchmal sicherlich Schwierigkeiten und Probleme beim Einstieg in den chinesischen Markt gibt, vor allem für den Mittelstand. Im Vergleich mit Großkonzernen sind die meisten klein- und mittelständischen Unternehmen sowohl finanziell als auch personell nicht vom Vorteil. Aber sie verfügen auch über Stärke, die viele Großkonzernen nicht besitzen, z.B. sie sind flexibler, innovativer. "Kleine Schiffe sind beweglicher", wie ein chinesisches Sprichwort sagt. Was die Marktchance betrifft, sind die Mittelständler in China keineswegs benachteiligt, es kommt viel mehr darauf an, wie man sie erkennt und beherrscht. Wichtig sind: sich gut zu informieren, einen geeigneten Partner auszusuchen und einen richtigen Einstiegspunkt zu finden. Der chinesische Markt beinhaltet sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Wer in diesen Markt einsteigen und dort den Fuß fassen will, muss über gute Produkte und moderne Technik verfügen, sich bei Preis, Technologietransfer und Finanzierung behaupten können und konkurrenzfähig sein.

Meine Damen und Herren,
China befindet sich in einer Phase der Schnell-Entwicklung, Westchina stehe vor dem Aufbruch. Sie haben viele Möglichkeiten, sich dort zu engagieren. Ich hoffe sehr, dass Sie diese Chancen nutzen, Ihr Engagement in China stärken und noch aktiver an den wirtschaftlichen Aufbau und den Modernisierungsprozess China teilnehmen könnten. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!

Herzlichen Dank!

veröffentlicht am 09.03.2004 von Susann Weber · Rubrik(en): Export, Berufspraxis, News, Export

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