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Perspektiven einer neuen Legislatur

Interview mit Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt, neu gewählter Präsident der Architektenkammer Thüringen

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Dr. Hans-Gerd Schmidt

Gertrudis Peters: Herr Dr. Schmidt, Sie wurden am 5. Juli 2013 zum Präsidenten der Architektenkammer Thüringen gewählt. Nochmals herzlichen Glückwunsch. Sie sind seit 1998 Mitglied der Vertreterversammlung und hatten in der letzten Legislatur den Vorsitz des Landeswettbewerbsausschusses inne. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für die Architektenkammer zu engagieren? Was hat Sie bewogen, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren?

Hans-Gerd Schmidt: Die täglichen Erfahrungen als Freiberufler und kritischen Diskussionen in den Vertreterversammlungen sensibilisierten mich zunehmend für berufspolitische Themen. Es brauchte seine Zeit, bis ich mich für bestimmte Fragen engagierte und im Kollegenkreis nach Antworten suchte.

Als sich vor etwa einem Jahr die Anfragen von Kollegen an eine mögliche Kandidatur häuften, begann ich mich ernsthaft mit dem Präsidentenamt und der damit verbundenen Bürde auseinanderzusetzen. So eine Kandidatur entscheidet man nicht spontan. Dafür sind der Respekt vor dem Amt und der Verantwortung zu groß. Letztendlich muss man das Ehrenamt in der Kammer und den Berufsalltag im Büro vereinbaren können. Mit dem Rückhalt meiner führenden Mitarbeiter und zukünftigen Büropartner, aber auch in dem Wissen, auf eine gut funktionierende Geschäftsstelle in der Kammer unter kompetenter Führung zugreifen zu können, wagte ich den Schritt und kandidierte.

Für mich persönlich liegt der Reiz darin, berufspolitisch etwas zu bewegen. Meine Berufserfahrung und Fähigkeit im Umgang mit Menschen und Situationen gaben mir die notwendige Sicherheit für diesen Schritt.

Was sind für Sie derzeit die größten berufspolitischen Herausforderungen?

In Anbetracht sich verändernder Rahmenbedingungen muss man berufspolitische Fragestellungen und Ziele, auch berufsstandsethische Themen, generalistisch sehen und denken. Grob umrissen:

  • Unter welchen Voraussetzungen werden wir künftig unseren Beruf ausüben (wollen und/oder können)?
  • Worauf muss sich der Berufsstand einstellen, wie verändert sich unser Berufsbild?
  • Welches Berufsverständnis entwickeln wir und wie werden wir von Außenstehenden wahrgenommen?

Das Ganze natürlich aus dem Blickwinkel von Thüringen, aber auch aus Sicht der anderen Kammern auf Bundesebene und in Kontinuität unserer bisher geleisteten Arbeit.

In Ihrer Funktion als Vorsitzender des Landeswettbewerbsausschusses haben Sie sich in der letzten Legislatur sehr für die Qualifizierung von Vergabeverfahren und die Förderung des Wettbewerbswesens eingesetzt. Welchen Stellenwert wird dieser Themenkomplex zukünftig einnehmen?

Die Erarbeitung und Herausgabe einer Publikation für Auslobende und Verfahrensbetreuende unter dem Titel „Baukultur ist Planungskultur ist Vergabekultur“ hat unsere Arbeit im Ausschuss sehr stark bestimmt. In der vor uns liegenden Legislatur wollen wir die Kommunikation zu Auslobern und Verfahrensbetreuern gezielt ausbauen, um die gelebte Vergabepraxis im gemeinsamen Interesse zum beiderseitigen Vorteil zu verändern.

Wir wollen als Kammer keine grauen Vergabeverfahren am Markt und keine Mitglieder, die diese Verfahren unter Verletzung der Berufsordnung bedienen! Kammer wird dafür eintreten, dass junge und kleine Büros bei VOF-Verfahren fair berücksichtigt werden. Wenn Absolventen oder junge Büros am Markt keine oder nur geringe Entwicklungschancen erhalten, werden sie weder nach Thüringen kommen, noch hier bleiben. Eine Aufgabe, die Land und Kammer in gleicher Weise trifft!

Die Diskussion um die Expertenlisten für KfW-Förderprogramme wirft auch die Frage nach dem Berufsbild des Architekten, dem Selbstverständnis eines Berufsstandes auf. Generalist versus Spezialist? Was ist Ihre Meinung?

Nach meinem Verständnis gehört die Beherrschung bauphysikalischer Grundsätze und Zusammenhänge zum Handwerkszeug eines Architekten. Ob die derzeit geforderten und vermutlich noch komplexer werdenden Bemessungen und Nachweisführungen jeder Fachkollege leisten will und kann, bleibt dem Einzelnen vorbehalten.

Wenn allerdings die KfW-Bank als Voraussetzung für eine Kreditvergabe gezielt nur den Fachleuten das Recht auf Antragsvorbereitung einräumt, die eine spezielle Schulung nach KfW-Vorgaben absolvierten, um auf der „KfW-Expertenliste“ gelistet zu sein, halte ich das berufspolitisch und marktwirtschaftlich für höchst bedenklich. Berufspolitisch, weil es der Anfang von der Aufweichung der Bauvorlageberechtigung ist unter vorgeblicher fachlicher Inkompetenz von Architekten seitens der KfW und markwirtschaftlich, weil es eine Ausgrenzung von Bauvorlageberechtigten bei Nichtteilnahme an kostenpflichtigen KfW-Weiterbildungen darstellt. Gleichzeitig provoziert diese Entwicklung ein Überdenken der Praxis unserer Weiterbildungspflicht.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen, denen sich Kammer als berufsständische Vertretung stellen muss?

Ohne an dieser Stelle vertiefend darauf einzugehen: gravierende Änderungen im Werkvertragsrecht oder dessen Nichtanwendung für Architektenverträge, damit verbunden die Einführung neuer Regeln für die Architektenhaftung und möglicherweise ein wirksames Mitsprache- oder Einspruchsrecht für Kammern bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen.

In welchen Bereichen hat es die Kammer schwer,  ihrem gesetzlichen Auftrag zu entsprechen?

Es gehört zum gesetzlichen Auftrag der Kammern, Wettbewerbe zu fördern und bei der Regelung und Durchführung des Wettbewerbswesens mitzuwirken. Bisher nicht gesetzlich verankert ist die Mitwirkung der Kammern an Vergabeverfahren nach der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF), obgleich mit diesen Verfahren das größte Auftragsvolumen vergeben wird. Mit der Novellierung im Jahr 2009 wurde auch der Gedanke an einen freien Wettbewerb gestärkt.

Auslobende und Bewerbende beklagen sich aus ihrer jeweiligen Sicht zu Recht über die gelebte Vergabepraxis. Formale und betriebswirtschaftliche Kriterien treten in den Vordergrund und rechtliche Auseinandersetzungen behindern zunehmend die Vergaben. Was wir alle brauchen ist ein Umdenken auf Auslober- und Bewerberseite.

Es bleibt der weiteren berufspolitischen Diskussion der Kammern vorbehalten, hier eine Änderung bzw. Erweiterung des gesetzlichen Auftrages anzustreben. Neben der individuellen Teilnehmerrüge sollte es auch aus berufsständischer Sicht ein Recht auf Rüge geben. Dieses Recht soll nicht die Courage des Einzelnen ersetzen, sondern diese gezielt unterstützen.

Welche Rolle spielt die Basis unserer Mitglieder für die Kammerarbeit?

Die Basis ist unser Rückgrat und schafft die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine berufsständische Arbeit! Als gewählte Vertreter stehen wir gegenüber unseren Mitgliedern in den Kammergruppen in der Pflicht, ihre Interessen und Bedürfnisse aufzunehmen und mit den uns gegebenen Möglichkeiten umzusetzen.

Regionale Arbeit zu organisieren ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Kammergruppenvertreter und nicht dem Vorstand vorbehalten – auch nicht Aufgabe der Geschäftsstelle. Sie setzt jedoch die Bereitschaft und das Engagement eines jeden Kammergruppenmitgliedes voraus. Bei fehlender Einsicht dieses wechselseitigen Engagements kommen auch wir im Ehrenamt an unsere Grenzen.

Was sagen Sie jungen Architekten, worin liegt der Reiz berufspolitischer Arbeit? Worin liegt der Mehrwert einer Mitgliedschaft in der Kammer?

Vor Kurzem sprach mich eine engagierte junge Berufskollegin an und teilte mir ihr Unverständnis über die Verweigerungshaltung von ehemaligen Kommilitonen mit, die sie zu einer Mitgliedschaft in der Architektenkammer bewegen wollte. Man wolle sich den Mitgliedsbeitrag sparen, könne sich anderweitig für das Alter absichern und sähe im Übrigen als Angestellter keine Notwendigkeit, den Berufstitel zu führen oder eine Bauvorlageberechtigung anzustreben.

Diese Reflexion zeigt, worauf wir uns bei der Werbung neuer Mitglieder einstellen müssen. Neben der persönlich wichtigen Zielstellung, durch eine Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Architekten für das Alter gut vorsorgen zu können, müssen wir die Ziele und Ergebnisse unserer berufspolitischen Arbeit besser kommunizieren und stärkere Identifikationsflächen bieten.

Offensichtlich werden die in Deutschland existierenden Vergütungsrichtlinien für freiberufliche Leistungen, allen voran die novellierte HOAI 2013, oder Regelwerke zur Vergabe von freiberuflichen Leistungen, u. a. auch die RPW 2013, als etwas Selbstverständliches aufgefasst. Neben der Mitwirkung an Gesetzgebungen und Regelwerken leisteten Kammern hier bundesweit ihren fachlichen Beitrag! Damit dies möglich ist, bedarf es der fachlichen und finanziellen Unterstützung aus den eigenen Reihen durch eine aktive Mitgliedschaft in der Kammer – eben das Prinzip des Gebens und Nehmens, auch wenn es nicht immer so deutlich ausgesprochen, eingefordert und vom Berufsstand gesehen wird.

Was wäre ein Wunsch für die vor Ihnen liegende Legislatur? Wie sieht Ihre Vision zur Architektenkammer Thüringen 2018 aus?

Keine rückläufigen Mitgliederzahlen trotz demografischer Tendenzen, stabile wirtschaftliche Verhältnisse als Voraussetzung für unsere berufsständische Arbeit, partnerschaftlicher Dialog mit Auslobern bei der individuellen Wahl geeigneter Vergabeverfahren, Erfolge auf dem Weg zu einem neuen Vertrags- und Haftungsrecht für Architekten.

Vielen Dank für das Gespräch.
gp

veröffentlicht am 20.09.2013 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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