Prozessfinanzierung für Architekten
Rechts-Info der Architektenkammer Thüringen
Die Prozessfinanzierung ist eine Erfindung aus Amerika, die nach erheblichem Streit um die rechtliche Zulässigkeit inzwischen auch in Deutschland angekommen ist. Grob gesagt geht es darum, das Risiko eines Rechtsstreits auf einen anderen abzuwälzen. Dieser andere ist der Prozessfinanzierer, der alle Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren und Sachverständigenauslagen bezahlt. Wenn der Rechtsstreit gewonnen ist, erhält der Prozessfinanzierer nicht nur sein Geld zurück, sondern zusätzlich einen Anteil von 30 bis 50% vom Gewinn - soweit die Gegenseite zahlt. Geht der Rechtsstreit aber verloren, so bleibt der Prozessfinanzierer auf seinen Kosten sitzen.
Drei Risiken übernehmen die Prozessfinanzierer:
- Sie gehen in Vorlage für die Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren und Sachverständigenauslagen.
- Sie zahlen den Rechtsstreit unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg.
- Sie müssen schauen, dass sie das Geld von der Gegenseite am Ende auch bekommen.
Worum geht es eigentlich?
Dreht sich ein Rechtsstreit beispielsweise um ein Architektenhonorar von 30.000,-, so kommt - ganz abgesehen vom fehlenden Geld - ein erheblicher wirtschaftlicher Aufwand an Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren und Sachverständigenauslagen auf den betroffenen Architekten zu. Das sind fast 1.000,- an Gerichtskosten und mehr als 2.500,- für den eigenen Rechtsanwalt. Hinzu kommen in der Regel weitere 3.000,- für den Sachverständigen und möglicherweise noch einmal mehr als 2.500,- für den gegnerischen Rechtsanwalt, falls der Rechtsstreit am Ende verloren geht. Insgesamt liegt das wirtschaftliche Risiko im ungünstigsten Falle also bei fast 10.000,- und das nur in der ersten Instanz vor dem Landgericht. In der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht sind es zusätzlich noch einmal mehr als 13.000,-. Achtung! das sind die Zahlen für den ungünstigsten Fall. Üblicherweise kann ein Rechtsanwalt aufgrund vorausschauender Taktik und kluger Verhandlungen das wirtschaftliche Risiko deutlich geringer halten. Nichts desto trotz will ein Rechtsstreit aber gut überlegt sein. Denn kein Rechtsanwalt kann am Ende verhindern, dass die Gegenseite beispielsweise zahlungsunfähig wird.Das Beispiel von 30.000,- zu Ende gedacht.
Im Beispielfall war es so, dass die Gegenseite ein Bauträger war, der sich gegen die Zahlung des Architektenhonorars mit zahlreichen Baumängeln und anderen Ausflüchten verteidigte. Zu seiner Verteidigung hatte er mehrere Zeugen aufgeboten, von denen falsche Aussagen zu befürchten waren. Hier hatte der Architekt ohne eigene Zeugen und mangels ausführlichen Schriftverkehrs zur Vertragsdurchführung nur wenig entgegen zu setzen. Das Landgericht drängte den Architekten deshalb zu einem Vergleich auf das halbe Geld. Angesichts der erheblichen Gebühren für eine Beweisaufnahme mit einem Sachverständigen gaben der Architekt und sein Rechtsanwalt nach und der Vergleich mit dem Bauträger lautete schließlich auf 15.000,- zur Zahlung in drei gleichen monatlichen Raten. Bezahlt hat der Bauträger aber nichts, weil er nach Abschluss des Vergleichs Pleite gegangen ist. Der Architekt ist am Ende auf insgesamt 3.500,- an Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren sitzen geblieben; klug im Nachhinein, dass er sich mit seinem Anwalt gegen die Beweiskosten entschieden hatte. Wissen konnte aber keiner, dass die Sache so ausgeht.Prozessfinanzierung?
Im Beispielfall ist ein Gesichtspunkt außer Betracht geblieben. Der Architekt hatte nämlich fast zwei Jahre gewartet, bis er sich zu einem Rechtsstreit mit dem Bauträger entschließen konnte. Zunächst hatte er noch selbst mit ihm um die Zahlung seines Geld verhandelt und dann konnte er sich lange Zeit wegen der Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren nicht zum Klagen entschließen. Hätte er frühzeitig gemeinsam mit einem Prozessfinanzierer gehandelt, hätte er möglicherweise wenigstens noch ein oder zwei Raten von dem Bauträger bekommen. Angenommen, der Bauträger hätte 10.000,- bezahlt, davon wären 3.500,- an Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren abgegangen und die restlichen 6.500,- hätte der Architekt sich mit dem Prozessfinanzierer teilen können. Das sind immerhin 3.250,-. Gemessen am ursprünglich eingeklagten Honorar von 30.000,- ist das natürlich nur ein Schmerzensgeld. Aber einen Rechtsstreit führt ja auch niemand, um am Ende 10% des eingeklagten Anspruchs zu erhalten. Schließlich ist die Grundvoraussetzung für einen Rechtsstreit die begründete Annahme, insgesamt mit dem geltend gemachten Anspruch durchdringen zu können. Nur unter diesen Voraussetzungen wird ein Prozessfinanzierer überhaupt mitmachen. Und da muss es jeder mit sich selbst ausmachen, ob er im Erfolgsfall die Hälfte von seinen 30.000,- an den Prozessfinanzierer abgeben will, weil der über die Dauer des Rechtsstreits hinweg alles Geld bezahlt, das Prozess- und nicht zuletzt das Ausfallrisiko der Gegenseite getragen hat. Für denjenigen, der kein Geld für einen Rechtsstreit und auch keine Rechtsschutzversicherung hat, ist das ohne Zweifel ein gutes Geschäft, wenn er anderenfalls gar nichts bekäme.Was tun?
Die drei Prozessfinanzierer, mit denen die Architektenkammer gesprochen hat, stehen den Mitgliedern gern zur Verfügung. Das Vorgehen ist so, dass der fragliche Rechtsstreit von einem Rechtsanwalt vorgetragen werden muss. Das geschieht am besten im Entwurf einer Klageschrift mit allen Anlagen und ggf. Anmerkungen zu den Zeugen und zuletzt zur Gegenseite und ihrer Bonität. Die daraus entstehenden Rechtsanwaltsgebühren zahlt der Prozessfinanzierer, wenn er den Rechtsstreit aufgrund des Entwurfs zur Finanzierung übernimmt. Anderenfalls muss der Architekt die Kosten tragen, in denen aber in der Regel auch schon die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts enthalten ist. Dieser Voraufwand ist eine Art Hammelsprung, mit dem die Prozessfinanzierer unseriöse oder wenig Erfolg versprechende Rechtsstreitigkeiten vorausscheiden wollen. Wenn der Rechtsstreit einmal angenommen ist, zahlt der Prozessfinanzierer alle Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren und Sachverständigenauslagen, um den Rechtsstreit zu gewinnen. Im Gegenzug müssen der Architekt und sein Rechtsanwalt alle Unterlagen bereitstellen und sich natürlich um den Prozess bemühen. Insoweit zahlen die Prozessfinanzierer dem Rechtsanwalt zum Teil sogar eine zusätzliche Vergütung, um sicherzustellen, dass er ein angemessenes Honorar für seine Arbeit erhält. Diese zusätzliche Vergütung wird später nicht vom Anteil des Architekten, sondern vom Anteil des Prozessfinanzieres abgezogen. Und nach einem gewonnen Rechtsstreit kümmert sich der Prozessfinanzierer um die Zwangsvollstreckung des Geldes; schließlich will er selbst die Hälfte davon abhaben.Einige Prozessfinanzierer bieten geringere Erfolgsbeteiligungen an. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die eingeklagten Beträge mehrere 100.000,- betragen oder gute Aussichten bestehen, einen Rechtsstreit schnell mit einem günstigen Vergleich zu beenden, bzw. am Ende alles Geld zu bekommen, nämlich beispielsweise von einer Gemeinde oder einer anderen öffentlich- rechtlichen Einrichtung, die nicht Pleite gehen kann. Letztlich sind die Bedingungen der Prozessfinanzierung Verhandlungssache im Einzelfall und hängen von den Bedingungen des fraglichen Rechtsstreits ab.
Rechtsanwalt Klaus Müller, Erfurt