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Rede Axel Lohrer, Teil 2

Thüringer Architektentag 2002

Weltbilder

Hier treffen sich die Gedanken wieder mit einem anderen Pfad. Bei dem Versuch, Wege jenseits der klassischen Moderne aufzuzeigen setzt Wolfgang Welsch bei dem alten Motiv eines Hinausdenkens über die menschliche und städtische Welt an und fragt: „die Philosophie pendelt … zwischen zwei Tendenzen, einer Verengung auf die städtische Sicht des Menschen und einer Erweiterung zum Kosmos. Die Moderne steht ihrem Prinzip nach … für die Verengung. Vielleicht steht uns eine Erweiterung bevor?“

„Alles vom Mensch aus zu begreifen und auf ihn hin zu verstehen, ist das Leitprinzip der Moderne.“ Ein Leitbild, dem LeCorbusier mit dem Modulor – dem Maß aller Architektur - bleibenden bildhaften Ausdruck verliehen hat. Noch nie waren Städte so rational vor dem Hintergrund einer anthropozentrischen Strategie organisiert und mit den menschlichen Bedürfnissen als Leitschnur gebaut worden – und warum kommt dann doch das Falsche heraus?

„Das ist das moderne Schema: Vom anthropischen Prinzip ausgehend, sucht man auftretende Probleme durch eine komplettere Bedürfnisanalyse und –berücksichtigung zu heilen. Im Prinzip planen, denken, bauen wir noch immer so. Wir verstehen die Stadt als Befriedigungsanstalt dieser Bedürfnisse, als Befriedigungsanstalt.“[8] So verwundert es nicht, wenn Karl Ganser behauptet, seine Generation an Stadtplanern habe nicht eine einzige Stadterweiterung gebaut, von der die Menschen anschließend gesagt haben, wir wohnen wirklich in einer Stadt.

Vor diesem Hintergrund fordert Welsch, die oppositionale Grundfigur der Moderne („der Mensch gegen den Rest der Welt“) hinter sich zu lassen und zu einem Bewusstsein einer grundsätzlichen Verbundenheit des Menschen mit der Welt überzugehen.

Brücken dafür sind doch vorhanden. Denken Sie an die Kinderwelten fern unserer rationellen Betrachtungen, an den logisch nicht unbedingt greifbaren Zauber der Erotik oder den besonderen Eindruck langer Spaziergänge entlang wilder Küstenlandschaft.

Welsch schlägt vor, sich gegen die „Erklärung der städtischen zu einzigen und eigentlichen menschlichen Natur“ zu wenden und eine transhumane Perspektive zumindest versuchsweise an die erste Stelle zu rücken. Für ihn wären (unter anderem) Atmen können, Atmosphäre, Weite … Leitkategorien einer urbanen Gestaltung.

Das Ensemble und nicht der Solitär allein stehen im planerischen und gestalterischen Blick.

Er wendet sich gegen die perfekte Gestaltung und fordert verstärkt unbestimmte Freiräume, verbunden mit einem radikal nüchternen Naturverständnis fern verklärter Idealvorstellungen.

Mit diesem Gedankengebäude könnte es uns auch gelingen, die aktuell zu beobachtenden Phänomene in unser Weltbild einzubinden. Über diesen Weg betrachtet erfahren Freiräume für die Definition unserer zukünftigen Städte eine deutliche Aufwertung.

Diese transhumane Betrachtungsweise mag anfänglich fremd erscheinen. Doch wir besitzen ein altes Medium, ein Mittler zwischen einer rationalen, auf unsere Bedürfnisse hin orientierten Gestaltung und dem Erahnen kosmischer Zusammenhänge – jener Luxus, der am Beginn der Bertachtung stand, den Garten.

Ein Postindustrielles Gartenreich?

Garten – Kritik an der Stadt?

1927 meinte LeCorbusier bei der Einweihung der Weisenhofsiedlung: „Die Zeit der Gartenarchitektur ist vorbei. Garten ist Natur ums Haus“ Doch LeCorbusier s moderne Stadtlandschaft findet heute kaum noch Anhänger. Sie gilt als antiurban und unpersönlich. Mit der Kritik an der Moderne wächst das Interesse an Garten.

Bereits jetzt ist in unserer hochtechnisierten Welt das Interesse an unseren Außenräumen markant angestiegen. Robert Schäfer spricht sogar von einer Renaissance der Gartenkunst. „Alle Zeichen sprechen dafür: Der Umgang mit den natürlichen Resourcen, mit der Natur, wird zu neuen Gärten führen. So manch ein renommierter Architekt zollt Garten und Landschaft auffällig in Interviews Respekt. Leoh Ming Pei: „Eigentlich baue ich immer den Garten meiner Kindheit. Die Formen, die ich als Architekt entwickle, müssen zu dem Biotop, das sie umgibt, passen.“ Frank O. Gery: „Wenn du in einen Garten gehst, ist dort ein Gefühl. Wenn du in ein modernes Architekturgebäude gehst ist es tot“[9].

Rowe und Koetter bezeichnen in „Collage City“ den Garten als Kritik der Stadt, aus dessen Erkenntnis suggestive Kraft erwachse. Und Brigitte Wormbs schreibt: „Den Garten als Kritik der Stadt zu verstehen, heißt ja zunächst, die Stadt als etwas Kritikwürdiges, also durchaus nicht in Bausch und Bogen verwerfliches zu betrachten, dem nur eine maximale Durchgrünung und Verländlichung abhelfen könnte. Die wirkliche Kritik an städtischen Erscheinungen besteht ja nicht darin, sie zu verurteilen, sondern darin, sie zu unterscheiden, ihre Differenzen erkennbar zu machen.“ [10]

Freiräume – Gärten, Plätze, Parks – als konstruktive Kritik verstanden, werden so die zukünftige Entwicklung unserer Städte beeinflussen.

Die neue Rolle des Freiraumes

Schon heute ist unser Bild von Städten durch Freiräume geprägt. Denn wie wenig erfahren wir bei einem Besuch in einer Stadt von dem wirklichen Leben hinter Fenstern und Wänden, wenn nicht gerade eine volle Ausleuchtung während der frühzeitigen Winterdämmerung tiefe Blicke durch die Fenster ins Innere erlaubt?

Es ist heute schon der erfahrbare öffentliche Freiraum, der unser Bild von Lebendigkeit und Urbanität einer Stadt bestimmt. Durch die zu erwartende Entwicklung wird Freiraum zudem effektivstes Instrument, um Orte in der Gesichtslosigkeit zu schaffen. Städte werden sich so zunehmend über ihre Freiräume definieren.

Doch verschiebt sich die Wertigkeit, stellt sich beim Freiraum nicht mehr vorrangig die Frage nach dem, was ich brauche, sondern vielmehr die Frage nach dem, was ich will, so verschiebt sich Stellung, Umfang und Ausdruck von Landschaftsarchitektur. Landschaftsarchitektur ist hier gefragt, um im kreativen Zusammenspiel der Disziplinen bisherige Denkgrenzen aufzuheben und verstärkt eben diese Bilder anzubieten, die fern von klassischen Stadt/Land Einteilungen liegen, die Leere und Funktionslosigkeit akzeptieren, die stärker aus sich selbst heraus und sich weniger in zwingender Anlehnung an bauliches und funktionelles definieren, die mit weniger mehr ausdrücken.

Letztendlich stellt sich die Frage, ob wir so nicht an erfolgreiche Vorgängermodelle anknüpfen, ob wir hier am Beginn eines neuen - „postindustriellen“ - Gartenreichs stehen.

Vorläufer, Modelle, Beispiele

Es gibt genügend Beispiele, wie ein gewandeltes Herangehen an die Natur, wie der Blick durch Gärten neue Sichtweisen auch hinsichtlich unserer Städte geöffnet und tief greifenden Wandel bewirkt hat. Denken sie an Albertis Beschreibung einer ländlichen Villa oder die Auswirkungen von Rousseaus „Julie ou La Nouvelle Héloise“.

Mit der Parklandschaft von Potsdam und insbesondere mit dem Gartenreich von Dessau-Wörlitz wurden Beispiele eines anderen Zusammenspiels von Gebautem und Freiraum geschaffen, die uns heute noch in den Bann ziehen.

Ebenso lassen sich aktuelle Bespiele aufzählen.

Rem Koolhaas, der zuvor die Unplanbarkeit der Megacities postulierte, verdeutlichte mit seinem Wettbewerbsbeitrag zu Melun-Sarlat eine Interpretation von Stadtplanung, die Stadt aus ihren Freiräumen heraus definiert.

Die vielbeachtete und erfolgreiche Stadterneuerung von Barcelona hatte ihre Keimzellen in der Erneuerung des öffentlichen Raumes - von Straßen, Plätzen und Parks.

In der vor zehn Jahren erschienenen Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich geht es im wesentlichen um die einfache, aber kaum lösbare Frage nach dem richtigen Verhältnis von Innen und Außen.

Und schließlich - in La Paz, im Dritte-Welt-Land Bolivien, entsteht derzeit in Zusammenarbeit mit der UNESCO inmitten der ungeordneten Agglomeration ein neuer weitläufiger parque urban central. Jenseits der bisherigen separierten kulturell wie ethnischen Einzelzentren der divergierenden Quartiere soll damit ein übergreifendes Forum für alle Schichten und Gruppen geschaffen werden. Park bildet die neue Mitte, Basis für die weitere städtische Entwicklung und wird Ausdruck einer neuen urbanen Gemeinschaft.

Dies sind aus deutscher Sicht fast befremdliche Erscheinungen. Wird doch die Diskussion eher von Begriffen wie „gezieltem Verwildern“, Auslagern, Stellenabbau oder Kürzungen geprägt. Selbst die Chancen des Stadtumbaus Ost werden oft noch nicht ausreichend begriffen. Ganz im Sinne modern-rationaler Betrachtung wird oft der Rückbau so perfekt in Aufwand und Sauberkeit betrieben, dass für die anschließende Gestaltung der freiwerdenden Flächen kein Geld, und so nur noch die bekannte Tüte Landschaftsrasen übrig bleibt.

Ist das die richtige Einstellung für unsere Zukunftsfähigkeit?

Wenn wir an der Idee der Stadt festhalten wollen, wenn wir dem Gedenken folgen, im Prinzip „Gärten“ ein zukunftweisendes zu sehen, dann brauchen auch wir eine andere Einstellung, als es bisher jenseits der Theorie - im Alltag - zum Ausdruck kommt.

Neue Wege

Garten

Wenn wir einen Wandel wollen, so müssen wir zu allererst an uns selbst arbeiten. Zu sehr sind auch wir den Vorstellungen der Moderne gefolgt, haben Freiräume vorrangig aus einer funktionellen Sicht der menschlichen Bedürfnisse betrachtet und gestaltet.

Lassen Sie doch nur einmal das gesammelte Papier von Leitlinien, Richtwerten, Empfehlungen DINs und EN durch den Kopf gehen. Spricht nicht der Charme von Worten wie Frischluftschneise, Grünzügen oder Ausgleichsflächen Bände?

Denken sie daran, wie stolz wir sind - mit großem Aufwand - jeden Baum in der Stadt inventarisiert, katalogisiert und systematisiert zu haben. Und dann überlegen Sie doch mal, welche Freiräume – Plätze, Parks oder Gärten- sie bisher am meisten beeindruckt haben.

Wir haben selbst beinahe vergessen, „das der Garten zunächst und vor allem Ort der Lustbarkeit, der überbrodelnden Sinnesfreude ist. Jenseits pädagogischer Vermittlung, ökologischer Bedeutung, feinsinniger Ortsinterpretationen und künstlerischer Potenz erleben wir im Garten die kleinen und großen Freuden des Lebens intensiver: Das gesellige Zusammensein, den Duft der Pflanzen, die sengende Sonne, den rauschenden Wind, die Kühle der Nacht, das Gepiepse der Vögel, das Geschrei der Kinder und den Geschmack des Weins.“[11]

Wir müssen bei unseren Überlegungen wieder mehr aus der Uridee von Gärten denken, mehr Freiräume im Freiraum erlauben, weniger festlegen und weniger perfekt sein wollen.

Intensitäten

Meine Damen und Herren,
Es müssen neue Freiräume entstehen, mit einem breiteren Spektrum an Intensität. Wir werden sicherlich auf bekanntes zurückgreifen, auf die grünen Inseln inmitten urbaner Dichte oder auf die durchgängigen Adern entlang wiedergeöffneter Flüsse. Wir werden weiterhin bekannte Funktionen von Spiel und Sport dort berücksichtigen, wo Dichte bleibt. (Beispiel L-Plackwitz)

Wir müssen uns aber auch mit einer neuen Form des Freiraums auseinandersetzen, der nur noch gemeinsamer Mantel der Stadt ist, dessen Rolle allein in der Schaffung visuell einprägsamer Orte besteht. (Beispiel Einfallstrassen)

Und wir werden uns vor allem mit dem Nichts beschäftigen müssen, der Leere, fern von jeglichen funktionellen Überlegungen, einer Art neuer innerstädtischer Urwälder. (Beispiel IBA – Industriebrachen)

Planung

Im Garten tätig werden, heißt…schöpferisch zu arbeiten, Zukunft zu gestalten, den Entwicklungsprozess zu beeinflussen und die Folgen der Intervention zu kontrollieren.

Ich denke, dass wir Planer dafür mehr Beweglichkeit zeigen müssen:

Wir müssen flexibler werden. Anstatt weiterhin den zum Scheitern verdammten Versuch zu wagen, Stadt im Ganzen planerisch in Griff zu bekommen, sollten wir uns deutliche Prioritäten setzen, klar darüber werden, was uns wirklich wichtig ist, was wir wirklich erreichen können und müssen. Anhand der vorhandenen Potentiale sollten wir uns so fern von einer egalitären Betrachtung des Gesamtgebietes an realistischen Zeiträumen orientieren.

Hier sollten wir strategisch unsere gestalterischen Potentiale konzentrieren und gleichzeitig weite Areale planerischer wie funktioneller Leere akzeptieren – die entstehende Vielfalt kann nur bereichernd sein.

Wir müssen uns beschränken: „Man kann ja aus dem vollen schöpfen, muss dies aber nicht immer tun, kann sich durchaus auf einen Teil der Möglichkeiten beschränken“[12].

Wir müssen langfristiger denken, mit dem Faktor „Zeit“ planen. Trotz der viel zitierten Kurzlebigkeit unserer Zeit entfalten Gärten immer noch ihren eigentlichen Charme im fortgeschrittenen Alter. Welche Stimmung vermittelt die Vegetation einer seit kurzem aufgelassenen Brache und welche die undurchdringlicher alter Wälder?

Denken Sie doch bloß einmal daran, welchen Weitblick Brown mit den Pflanzungen der Clumbs in Blenheim bewies. Die Raumwirkung war erst zweihundert Jahre später am eindrucksvollsten.

Wir müssen weitgreifender denken, in unserer Betrachtung politische Grenzen überschreiten, wenn sie nicht mehr den inneren Zusammenhängen entsprechen, weniger in direkter Konkurrenz und mehr in einem Netzwerk denken. Und das kann auf der Planungsebene nur funktionieren, wenn es von der Politik intensiv verfolgt wird. „Nur so“ – sagt der Berliner Bausenator Strieder - „können sich Städte heute vor der ruinösen Standortkonkurrenz schützen und eine Lobby für die Lösung städtischer Probleme organisieren.“[13] Die neue Region Hannover ist dafür ein geeignetes Beispiel.

Wir benötigen Planungsinstrumente, die den gewählten gestalterischen Anspruch artikulieren und vor allem auch umsetzen können. Welche Stadt besitzt jenseits der Abwägungssammlungen eines Landschafts- oder Grünordnungsplanes einen klaren wie realisierungsfähigen Masterplan zur Entwicklung der Freiflächen? – Und dazu noch Willen und Vermögen, diesen auch umzusetzen?

Wir müssen besser werden: Wenn Qualität und Individualität statt Quantität und Beliebigkeit, wenn Vielfältigkeit statt Eintönigkeit das Ziel ist, sollten wir unsere vorgegebene „Mindestanforderungen“ und „verpflichtende Standards“ nicht kritiklos fortschreiben, sondern hinterfragen und vereinfachen.

Um es einfach zu sagen, wir basteln derzeit wohl an zuviel Stellen gleichzeitig und dort dann auch noch zuviel, zu aufwendig, zu funktionell und das alles mit einem immer geringeren gestalterischen Gesamtanspruch – denn der wäre wohl Luxus.

Drehen wir dieses Prinzip um und wir entdecken erstaunliche Reserven.

Gemeinschaft

Ich kann es nicht glauben, dass uns wirklich jener Bürgersinn abhanden gekommen ist, der der beschriebenen „Strahlkraft“ der Stadt zugrunde liegt. Jener Konsens, der beispielsweise hier in Erfurt den Dom emporwachsen ließ oder der in Hamburg seit Generationen immer neue, immer bessere Häfen zum Wohle der gesamten Bürgerschaft entstehen ließ. Gemeinschaftliche Bauten waren schon immer sichtbar gewordener Ausdruck von Bürgersinn und gemeinsamen Zukunftsglaube.

Um da anzuknüpfen, dies weiterhin nach Außen wie nach Innen zum Ausdruck zu bringen, genügen auch kleinere Zeichen wie Plätze, Parks, Promenaden und Haine. Doch im Vergleich zu Kathedralen, Opern oder Pinakotheken – um wie viel günstiger ist dieser kleine verbindende wie motivierende Luxus „Garten?“

Die Flutkatastrophe dieses Sommers hat uns gezeigt, dass Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt jenseits aller Partikularinteressen immer noch in unserer Gesellschaft vorhanden sind.

An diesen Gemeinsinn müssen wir anknüpfen, denn bei der Entwicklung unserer Städte, sitzen wir alle – und vor allem unsere Kinder – im gleichen Boot.

Wenn es die Stadt nicht mehr gibt, gibt es keine Händler und Handwerker, keine Industriellen und keine Bürgermeister mehr. Dialog zwischen den Interessengruppen ist deshalb mehr denn je gefordert. Bei Untätigkeit haben wir alle nur zu verlieren.

Wir müssen in Netzen denken und Allianzen schmieden. Der mit dem diesjährigen Thüringer Landschaftsarchitekturpreis prämierte Brühler Garten ist ein gutes Beispiel für eine solche Kooperation.

Wir Fachleute müssen besser und überzeugender kommunizieren. Wir müssen aufhören, ständig schwarz zu malen. Wir brauchen Zuversicht und tragfähigen Bilder.

Und es muss uns gelingen, fern von Bedenkenträgertum, diese Visionen nicht nur zu entwickeln, sondern auch so zu vermitteln, dass die notwendige Dynamik und Begeisterung entsteht.

Ich erinnere mich an eine Ratsversammlung, wo der Bürgermeister mir beim anschließenden Glas Wein sagte, ihm sei klar, warum wir Architekten so wenig in der Politik vertreten seien. Und dann er zählte er mir, wie häufig in meinem Vortrag die Worte Risiko, Problem, Abwägung und Konflikt auftauchten - und das bei einem Fachmann, der hinzugezogen wurde, Zukunft aufzuzeigen.

Mit dem Garten – diesem ganz besonderen Luxus – haben wir ein unwahrscheinlich positiv besetztes Produkt – das wird ihnen jeder Marketingprofi bestätigen. Jeder hat damit verknüpfte Erinnerungen - die Schaukel unter Opas Birnbaum, die Fahrradausflüge durch blühende Obstplantagen, die erste eigene Tomate oder die angenehme Kühle dichter Wälder. Peter Hübotter, von dem ich viel über pragmatisch unkompliziertes Denken und Arbeiten lernen konnte, sagte einmal –„letztendlich sind wir doch alle Gärtner.“ Warum sollten wir die Beteiligten nicht an dieser gemeinsamen Basis abholen, warum sollten wir diese verbindende Sprache nicht nutzen, daraus gemeinsame Visionen für die Zukunft zu entwickeln.

Abspann

Zum Abschluss möchte ich noch eine Geschichte von Hermann Hesse – „die Stadt“ - in Erinnerung rufen:
Er erzählt Aufstieg und Fall einer imaginären Stadt – die Ankunft der ersten Pioniere, dem ersten Haus aus Holz, dem zweiten aus Blech und dem dritten aus Stein – „noch ein Jahr, dann gab es schon Taschendiebe, Zuhälter, Einbrecher, ein Warenhaus , einen Alkoholgegnerbund. Banken, Theater, Universitäten entstanden“ – und „im Laufe der Jahrhunderte erwarb sich die Stadt den Ruf, die schönste und reichste des Landes zu sein.“

Doch am Ende der Geschichte wurde die Stadt kraftlos aufgegeben. Der Wald rückte vor, verhüllte das Land, die Reste der Straßenmauern, der Paläste, Tempel, Museen und Wolf und Bär bevölkerten die Einöde.

Die Menschen verloren die Stadt, weil sie einfach nicht wussten, was sie ihnen wert war.

Lassen Sie es uns wieder bewusst werden, uns zurückbesinnen, auf das Fundament von Städten, gönnen wir uns wieder Kreativität und Einfallsreichtum. Errichten wir auch zukünftig lebendige Zeichen von Gemeinschaft und schaffen Orte des Dialoges und des Miteinanders.

Werden wir uns der Quelle unserer „Strahlkraft“ wieder bewusst, dann können wir uns auch Wälder, Wölfe und Bären in unseren Mauern leisten.

Gönnen wir uns daher den Luxus - den von Gärten, den von Zeit, Zuwendung und Raum.

[8] Walter Welsch: Orte des Menschen?; Köln 2001
[9] Robert Schäfer: Die Stadt und der Freiraum; in Außenräume, Basel 2000
[10] Brigitte Wormbs: Satz und Gegensatz; in Gärten, Basel 1997
[11] Dieter Kienast: Gärten und Natur, Basel 1997
[12] – so Dieter Kienast in einem Interview in Topos
[13] in Christiane Harrienhausen: Zukunft verwalten oder Gestalten; FAZ 06.Okt.2002

veröffentlicht am 14.10.2002 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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