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Rede Hartmut Strube

Thüringer Architektentag 1999

Der diesjährige Thüringer Architektentag setzte sich unter dem Thema "Rettet Citytainment unsere Städte" mit der Stadt, mit der Urbanität der Innenstädte, mit der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert, mit der Gestaltung über Architektur in einer Stadt, der Stadtökologie und der Nachhaltigkeit unseres Tuns für unsere Städte, besonders für unsere Innenstädte auseinander. Wir verstanden ihn im Rahmen der Kulturstadt Weimar 1999 auch als einen Beitrag um über die Zeit nach dem Kulturstadtjahr nachzudenken und wollten dazu Anregungen geben. Nachfolgend einige Auszüge aus dem berufspolitischen Teil der Rede des Präsidenten der Thüringer Architektenkammer, Hartmut Strube.

"Ein paar aktuelle Zahlen zur Mitgliederstatistik unserer Kammer: Gegenwärtig sind in Thüringen 1.763 Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner eingetragen. Davon sind 1.166 freischaffend tätig. Wir schätzen, daß zum Jahresende wieder 60 Architekten bzw. Architekturbüros sich aus der Liste der Architektenkammer löschen lassen. An Neueintragungen zählen wir bisher 76 Architektinnen und Architekten. Es freut uns besonders, daß junge Absolventen vor der Eintragung in der Liste der Architektenkammer, den Weg zur Kammer über die freiwillige Mitgliedschaft suchen. Aber wir haben auch immer noch mit steigender Zahl, Architekten aus anderen Bundesländern als auswärtige Architekten zu registrieren. Gegenwärtig sind es 1.810 Architekten bzw. Architekturbüros, die auf unserer so genannten Gästeliste eingetragen sind. "

"Im zurückliegenden Jahr war Kernpunkt unserer Arbeit die Darstellung der Position der Architektenkammer Thüringen zur Freiberuflichkeit der Architekten, zur Ausbildung, zu den Rahmenbedingungen für die Berufsausübung, zu den Kammern als berufsständische Vertretungen und Selbstverwaltungsorgane und zur Baukultur im Freistaat Thüringen. "

"Dazu hat die Vertreterversammlung der Architektenkammer Thüringen vor fast genau einem Jahr ein eigenes Positionspapier mit ihren Forderungen aber auch mit ihren Zielen an Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gerichtet. "

"Die Tendenzen zur Privatisierung des öffentlichen Bauherrn, die Tendenzen zur Scheinprivatisierung von öffentlichen Aufgaben, die Tendenzen zur Neustrukturierung der deutschen Bauwirtschaft auf nationalem und internationalem Parkett, die Tendenzen zur Globalisierung und Monopolisierung in allen Bereichen der Wirtschaft gehen an uns nicht spurlos vorüber. Gefragt ist der Architekt, der über Arbeitsgemeinschaften, Bietergemeinschaften, Kooperationen oder im eigenen Hause die Planungsleistungen in all ihrer Tiefe und Breite aus einer Hand anbietet. Gefragt sind Architekten, die auf Spezialgebieten Kompetenz und Sachverstand nachweisen, nennen möchte ich hier nur den Krankenhausbau, den Industriebau aber auch Schul- und Sportstättenbauten. Gefragt sind Architekten, die innovativ und flexibel auf die Wünsche ihrer Bauherren in einer immer kürzeren Bearbeitungszeit reagieren können. Auf der anderen Seite sind aber auch Bauherren gefragt, die akzeptieren, daß die Leistungen der Architekten, der Garten- und Landschaftsarchitekten, der Innenarchitekten und der Stadtplaner geistig-schöpferische Leistungen sind, die es auch zu honorieren gilt. Es kann nicht sein, daß die Zahlungsmoral der privaten Bauherren auf den Nullpunkt gesunken ist, daß die öffentliche Hand die Zahlungsziele ausreizt, und daß dadurch Architekten und Ingenieure in die Insolvenz getrieben werden. Nicht weil ihnen die Aufträge fehlen, sondern weil es ihnen an Liquidität und Eigenkapital mangelt. "

"Wir benötigen hier dringend einen Wertewandel in unserer Gesellschaft. Leistung muß belohnt werden, d. h., daß Leistungen auch zu bezahlen sind, wenn sie verwendet und wenn sie für den Auftraggeber einen Gebrauchswert besitzt. Die schlechte Zahlungsmoral in Deutschland bricht den Freiberuflern und den Handwerkern aber auch dem gesamten Mittelstand in der Bauwirtschaft das Genick. "

"Es kann und darf auch nicht sein, daß immer mehr Auftraggeber die Trennung von Planung und Ausführung aufheben und einen Generalübernehmer beauftragen. Es gibt den Versuch, die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) aufzuweichen, in dem Generalübernehmer, Generalunternehmer bzw. Totalübernehmer als Auftragnehmer in Bieterverfahren zugelassen werden sollen. Dies würde unsere gesamte Struktur der deutschen Bauwirtschaft und der freien Berufe aufs Grundlegendste verändern. Die VOB, VOL, VOF, die HOAI und die GRW gilt es zu erhalten und fortzuführen. "

"Leistungswettbewerb statt Preiswettbewerb für Architektenleistungen und den Erhalt des öffentlichen Bauherrn über seine Bauverwaltungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene als Auftraggeber, das sind die Schwerpunkte der berufspolitischen Arbeit in Thüringen."

"Die Architektenkammer Thüringen hat mit ihrem Positionspapier sich dafür eingesetzt, daß die Freiberuflichkeit der Architekten und die Rahmenbedingungen, wie sie in den Politikgrundsätzen der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder für freischaffende Architekten und Ingenieure aus dem Jahre 1997 genannt sind, erhalten bleiben. "

"Große Sorge bereiten uns die Bestrebungen der öffentlichen Auftraggeber, sei es auf Landesebene aber auch auf kommunaler Ebene zur Privatisierung der öffentlichen Aufgaben. Gegen die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben sind wir nicht, wir sind aber gegen eine Scheinprivatisierung. Wenn der öffentliche Auftraggeber privatisiert, dann nur über eine vollständige materielle Privatisierung mit einer Vollkostenrechnung. Die Verschiebung des Personals aus dem öffentlichen Haushalt in Gesellschaften der Gebietskörperschaften und eine Förderung der unrentablen Kosten über den öffentlichen Haushalt lehnen wir ab. Der Weg der Scheinprivatisierung ist ein Weg, der einen Staat im Staate schafft und gegen den Mittelstand und gegen die freien Berufe gerichtet ist. "

"Aufmerksam verfolgen wir auch die Entwicklung an den Fachhochschulen in Deutschland. Die Tendenz der Verkürzung der Studiengänge mit dem Abschluß als Bachelor, als ersten Berufsausübungszugang ist für uns im Sinne des Verbrauchers und im Sinne des Verbraucherschutzes, im Sinne der Qualität unserer gebauten Umwelt und im Sinne der Qualität und der Nachhaltigkeit unserer Leistungen, Besorgnis erregend.
Es kann und darf nicht sein, daß Absolventen mit dem Bachelor-Abschluß nach einer 6-semestrigen Ausbildung einen ersten berufsqualifizierenden Abschluß erhalten. Dies widerspricht der Architektenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, dies widerspricht unserem Thüringer Architektengesetz und dies widerspricht auch unserer Auffassung von den Inhalten der Architektenausbildung, vom Leistungsbild des Architekten. "

"Für den freien Architekten hat sich mit der Umsetzung der Baustellensicherheitsrichtlinie der Europäischen Kommission über die Baustellenverordnung, der Einführung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators auf den Baustellen die Verantwortung und die Haftung für die Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf den Baustellen deutlich erhöht. Gleichzeitig stellen wir fest, daß auch die Verantwortung der Architekten zum Energiesparen beim Planen und Bauen sich mit der Umsetzung der Energiesparverordnung haftungsrelevant deutlich verschärfen wird. Der öffentliche Auftraggeber entlastet seine Bauaufsicht, seine Verantwortung für die Wahrnehmung des öffentlichen Verbraucherschutzes über eine Ausdehnung der Haftung der Entwurfsverfasser. "

"Die Novellierungen der Bauordnunge, die Einführung des Sachverständigen für Schallschutz und für Brandschutz als . Dienstleistung Privater und als Ersatz für die Leistungen der öffentlichen Hand sind für uns ein Zeichen, daß das Leistungsbild des Architekten enorm ausgeweitet wird. Wir als Freiberufler stellen uns diesen Anforderungen, aber es kann und darf nicht sein, daß der Verbraucherschutz dabei in Frage gestellt wird. Wir hier in Thüringen wollen keine Änderungen zur jetzt bestehenden Thüringer Bauordnung in Bezug auf die Deregulierung der Genehmigungsverfahren. "

"Berufspolitisch bezogen wir auch Position zur Arbeit des Thüringer Landesdenkmalamtes als Fachbehörde innerhalb des Baugenehmigungsverfahrens und zur Rolle dieser Fachbehörde bezüglich der Anwendung des Thüringer Denkmalschutzgesetzes in der täglichen Praxis. "

"Wir kritisieren die subjektive Auslegung durch Beteiligte, die fehlenden objektiven nachvollziehbaren und eindeutigen Arbeitsschritte bei der Mitwirkung an der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis, wir kritisieren die nicht vorhandene Gleichbehandlung der Denkmale und deren Besitzer sowie die willkürlichen und nicht nachvollziehbaren Forderungen und Änderungen im Bauprozeß. Wir fordern, daß die Denkmalfachbehörde für den Entwurfsverfasser eine Planungssicherheit im Sinne von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Nutzbarkeit gewährleistet und fordern eine Trennung von Beratung und Bewilligung der Förderung. "

"Der staatliche Hochbau, das Thüringer Finanzministerium und die Staatsbauämter, realisieren die Vergaben öffentlicher Dienstleistungsaufträge überwiegend über das Verhandlungsverfahren nach der VOF. Auch dort gibt es den Leistungsvergleich, nur dieser ist nicht anonym, wie bei einem Wettbewerb. Die Zahlen der Verfahren nach VOF belegen, daß die Bauleistungen und damit auch die Architektenleistungen überwiegend in andere Bundesländer fließen. 500 Mio. DM geschätzte Baukosten sind an Architekturbüros aus anderen Bundesländern gebunden, nur 100 Mio. DM an Architekturbüros, die hier ansässig sind. Das sind die Ergebnisse von 24 Verhandlungsverfahren nach VOF in den zurückliegenden 4 Jahren. Diese Zahlen sprechen für sich. Wir brauchen in Thüringen ein Bewußtsein dafür, daß die Wertschöpfung und die Förderung des Mittelstandes und der freien Berufe nur dann gewährleistet sind, wenn auch die Aufträge überwiegend in Thüringen realisiert werden, diesen landeseigenen Egoismus fordern wir ein. Das Argument der Qualität der Architektur, das Argument der Baukultur kann im Jahre 10 nach dem Fall der Mauer wohl kaum noch gelten. Dafür stehen als Beweis die in jüngster Zeit prämierten Arbeiten hier ansässiger Büros bei Architektenwettbewerben. Wir fordern hier den öffentlichen Auftraggeber auf, die eigene Wertschöpfungskette in Thüringen stärker zu präferieren."

veröffentlicht am 01.10.1999 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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