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Rede Hartmut Strube

Neujahrsempfang 2000

Sehr geehrte Bundes- und Landtagsabgeordnete, sehr geehrte Frau Staatssekretärin Diezel, sehr geehrter Herr Staatssekretär Speck, sehr geehrter Herr Präsident Conradi, werte Vertreter der Thüringer Ministerien, der Institutionen und Behörden des Freistaates, der Landesgesellschaften, der Thüringer Hochschulen, der Kommunen, Kammern und Verbände sowie der Thüringer Medien, werte Unternehmer und Freiberufler, werte Architektinnen und Architekten,

es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie hier im Kaisersaal an historischer Stelle, an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, aufs herzlichste begrüßen zu können. Diejenigen unter Ihnen, die zu unseren treuen Gästen zählen, wissen, daß wir heute hier an diesem Ort, die Räumlichkeiten gewechselt haben. Der Umzug von den Salons in den großen Saal ist auch eine Widerspiegelung der Aufmerksamkeit und der Akzeptanz Ihrerseits, uns und unserer Arbeit gegenüber, für die ich mich herzlich bedanke. Seien Sie hier und heute herzlich willkommen.

Wir freuen uns, daß mit unserem Neujahrsempfang auch 3 Antrittsbesuche verbunden sind.

Das Thüringer Innenministerium ist wieder, wie zur Zeit der Gründung der Architektenkammer, unsere Aufsichtsbehörde. Der Thüringer Innenminister, Herrn Christian Köckert, kann leider aus familiären Gründen nicht anwesend sein. Im Anschluß an meine Ausführungen wird deshalb heute Herr Staatssekretär Manfred Speck zu uns sprechen.

Wir bedauern etwas, daß wir im Ergebnis der letzten Landtagswahl der Aufsicht des Thüringer Wirtschaftsministeriums entrissen wurden. Wir fühlten uns als wirtschafts- und produktionsnahe technische Dienstleister dort an der richtigen Stelle aufgehoben. Dies zeigte sich u.a. darin, daß es uns gelang, die Architekten in die Landesförderprogramme zum Marketing und zum Export einzubringen. Für die Zusammenarbeit der vergangenen Jahre, die fruchtbar und konstruktiv war, möchten wir uns an dieser Stelle beim Thüringer Wirtschaftsminister, Herrn Franz Schuster, noch einmal recht herzlich bedanken.

Wir sind uns jedoch sicher, daß es zukünftig auch mit dem Innenministerium eine gute Zusammenarbeit geben wird. Seien Sie also in unserer Mitte herzlich willkommen, Herr Staatssekretär Speck. Probleme gibt es genug, die es zu lösen gilt. So steht z.B. die Überarbeitung der Bauordnung ins Haus. Wir hoffen, daß das Bauordnungsrecht sich als dienstleistender Rechtsrahmen für das Planen und Bauen in Thüringen weiterentwickelt. Bau- und Planungsrecht sollte das sinnvolle Bauen fördern und nicht behindern. Wir stellen gegenwärtig fest, daß der Weg zu einer Baugenehmigung für Bauherrn und Entwurfsverfasser wieder steiniger wird.

Die größere Nähe zu den Gebietskörperschaften, zur Kommunalaufsicht gibt uns die Hoffnung, daß auch unsere Rahmenbedingungen für die Berufsausübung, wie VOF, HOAI, GRW 95 und das Werkvertragsrecht wieder stärker akzeptiert werden.

Weiter begrüße ich erstmals in Thüringen den Präsidenten der Bundesarchitektenkammer, Herrn Peter Conradi. Ihm ist es im vergangenen Jahr gelungen, das leck geschlagene Schiff "Bundesarchitektenkammer" vom Rheinufer in Bonn in ein sicheres Fahrwasser am Ufer der Spree zu bewegen. Wir sind nun gut in Berlin und auch in Brüssel vertreten. Dafür an dieser Stelle unseren Dank.

Neu im verantwortungsvollen Amt ist auch die Staatssekretärin im Thüringer Finanzministerium, Frau Birgit Diezel. Sie wird für uns die Ansprechpartnerin in Bezug auf den staatlichen Hochbau bei Bundes- und Landesbauten sein. Schon jetzt sei ein Kompliment an Sie gerichtet, denn ihre Worte, daß Sie Ihren Erfolg darin messen lasse, wie sich unter dem Strich die Einnahmen des Fiskus in Thüringen entwickeln werden, weckt die Hoffnung auf eine Förderung des Thüringer Mittelstandes, zu dem ja auch die Architekten gehören.. Wir sind auch der Meinung, daß Arbeit sich hier vor Ort lohnen muß und wir bei aller Weltoffenheit ein stärkeres Gefühl für das "Wir in Thüringen" brauchen. Wir hoffen, daß sich zukünftig die Praxis bei der VOF-Vergabe öffentlicher Aufträge im staatlichen Hochbau bei selbsverständlicher Einhaltung von Vergaberecht und Sicherung von Qualität so ändert, daß künftig eben nicht mehr 3/4 des Honorarvolumens außerhalb Thüringens landet. Die bisherige Statistik entspricht nicht dem gewachsenen Leistungsvermögen der Thüringer Architekten.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, diesbezüglich wird für und der erste Prüfstein die Regelungen zum Schulbausanierungsprogramm des Thüringer Finanzministeriums sein. Das Programm darf nicht diejenigen Kommunen oder Landkreise benachteiligen, die die Sanierung ihrer Schulen abgeschlossen haben. Es darf nicht dazu führen, daß Handwerker und örtliche Bauunternehmer nur zu Subunternehmern generieren, die Architekten nur bis zur Genehmigungsplanung beauftragt werden und die Sahne vom großen Paket Schulbau durch die Generalunternehmer abgeschöpft wird. Die Hoffnung, im Zusammenschnüren mehrerer Typenschulen billiger zur Planung für die einzelne zu kommen, ist eine trügerische, denn die Honorarregelungen sind auch für den öffentlichen Auftraggeber Gesetz und Verpflichtung zugleich.

Einige Worte zur aktuellen konjunkturellen Lage des Berufsstandes der Architektinnen und Architekten in Thüringen. Gegenwärtig registrieren wir 1.805 Mitglieder, davon sind 1.160 freischaffend tätig und 654 angestellt bzw. beamtet. Natürlich verzeichnen wir auch immer noch über 1.900 Gastarchitekten in Thüringen, auch von den 1.160 Freischaffenden sind fast 400 Filialisten, deutliche Zahlen für die hohe Konkurrenzdichte der hier ansässigen Architekturbüros.

Die sich im Frühjahr 1999 abzeichnende leicht steigende Tendenz bei den vertraglich abgesicherten Auftragsbeständen der Büros mit 4,8 Monaten gegenüber dem Vorjahr (4,4 Monate) hat sich nunmehr mit 4,3 Monaten wieder leicht unter das Vorjahresniveau abgesenkt. Die allgemeine wirtschaftliche Lage in den Büros bezeichnen insgesamt 3/4 als überwiegend "gut" bis "befriedigend". Jeder Vierte betrachtet die konjunkturelle Situation als "schlecht". Probleme bereitet die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand, die nur noch 38,7 % der Büros mit "gut" bezeichneten. 13,7 % bezeichneten diese sogar mit "schlecht". Erstmals wurde dabei zwischen den öffentlichen Auftraggebern bei Bund und Land sowie bei Kommunen und Landkreisen unterschieden. Hierbei wurde die Zahlungsmoral bei letzteren bedeutend positiver eingeschätzt.

Wie schon in den Vorjahren mußten aus wirtschaftlichen Gründen in jedem fünften Büro Mitarbeiter entlassen werden. 18 % gaben an, daß sie 1999 aus wirtschaftlichen Gründen, Gehälter nicht zum vereinbarten Termin zahlen konnten. Als Gründe sehen die Büros neben der schlechten Zahlungsmoral der Auftraggeber, einen zu hohen Anteil verlorener bzw. nicht vergüteter Leistungen durch Insolvenzen privater Bauherren und Bauträger. Ein weiterer Anlaß zur Kurzarbeit und Kündigung waren ungeklärte Vertragssituationen und ungenügende Auslastung.

Nur in 15 % der Büros wurden 1999 Auszubildende beschäftigt. Nur jedes zehnte Büro entschloß sich zu einer Festeinstellung von Absolventen.

Die zukünftige wirtschaftliche Situation wird in der Gesamtheit der Umfrage als "befriedigend" eingeschätzt. Bei den Schätzungen zum Bruttohonorarvolumen für 1999 wird gegenüber dem Vorjahr (540 TDM), ein leicht rückgängiger Wert in Höhe von 524 TDM erwartet, so die Architekturbüros.

Als wesentliche Hemmnisse bezeichneten die befragten Architekten zu lange Bearbeitungszeiten der Genehmigungsverfahren, die starke Konkurrenz durch Büros aus den alten Bundesländern, die schlechte Zahlungsmoral und den hohen Akquisitionsanteil vor Vertragsabschluß.

Fazit der Konjunkturumfrage, die Bauwirtschaft einschließlich der zugehürigen Diensleister ist weiter in der Talsohle, es zeichnet sich noch kein Aufwärtstrend wie in den alten Bundesländern ab. Mit Marktbereinigung ist die Situation der Architekten in Thüringen nicht zu Beschreiben. Hier geht es um den Erhalt eines Berufsstandes, der unser aller Unterstützung bedarf.

Mit großer Sorge betrachtet die Architektenkammer Thüringen die Ausdehnung des kommunalen Wirtschaftens auf Geschäftsfelder der Privatwirtschaft. Wir akzeptieren, daß die kommunalen Unternehmen im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes wettbewerbsfähig bleiben müssen. Dies darf aber über die Novellierung der Thüringer Kommunalordnung nicht dazu mißbraucht werden, der wirtschaftlichen Tätigkeit der Kommunen Tür und Tor zu öffnen. Wir befürchten eine Verzerrung des Wettbewerbes, denn die kommunalen Unternehmen haben die Gewährträgerschaft durch die Kommunen als Sicherheitsnetz im Rücken.

Wir fordern, daß die Rechtsaufsicht auch weiterhin die wirtschaftliche Tätigkeit von Kommunen genehmigen muß und lehnen das geplante Anzeigeverfahren als unzureichend ab. Das Subsidaritätsgebot in der Thüringer Kommunalordnung muß erhalten bleiben.

Die Nachweise des öffentlichen Zwecks und der Notwendigkeit der Erledigung öffentlicher Aufgaben durch ein kommunales Unternehmen in privatwirtschaftlicher Rechtsform sind auch künftig zu erbringen.

Die Verlagerung von öffentlichen Aufgaben auf Unternehmen in den Rechtsformen der GmbH oder AG, deren Eigentümer die öffentliche Hand ist, die sogenannte Scheinprivatisierung birgt die Gefahr in sich, daß es zu einer Verzerrung des freien Wettbewerbes kommt. Negiert wird damit auch die Förderung eines leistungsfähigen Mittelstandes und die Transparenz gegenüber und Kontrolle durch die jeweilige Volksvertretung.

Kritisch betrachten wir die Auslagerung öffentlicher Aufgaben in Landesgesellschaften. Diese entwickeln ein Eigenleben in der unternehmerischen Tätigkeit und in der Ausdehnung ihrer Geschäftsfelder. Durch die unmittelbare Nähe zu den öffentlichen Auftraggebern, als Aufsichtsräte, kommt es zu einer Verschiebung des Gebotes von Transparenz und Kontrolle.

Wir fordern weiter den Erhalt der Vertretung des öffentlichen Bauherrn in Form seiner Bauverwaltungen und Staatsbauämter. Die Verlagerung laufender Personalkosten aus den Haushalten der Gebietskörperschaften in eine GmbH stellt sich nur als scheinbarer Vorteil dar. Nicht jede GmbH ist automatisch effizienter als eine Behörde. Wir beobachten hier in Thüringen eine Verdrängung und Existenzgefährdung mittelständischer Strukturen v. a. auch im Dienstleistungsbereich durch die Landesgesellschaften.

Neben allen Sorgen und Problemen gibt es erfreulicherweise auch Positives zu berichten.

Im vergangenen Jahr konnten wir erstmals auch bei den Architektenwettbewerben und Verhandlungsverfahren feststellen, daß sich in Thüringen eine Architektenszene etabliert hat, die sich erfolgreich im Leistungsvergleich behaupten kann. Nennen möchte ich hier z.B. die Architektenwettbewerbe Behördenzentrum Gera, Gauforum Weimar, Landesgartenschau Nordhausen oder die Verhandlungsverfahren zum Forstamt Neuhaus, das Jugenddorf Heinrichstift in Hohenleuben oder das Sportgymnasium in Oberhof. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Ergebnisse unseres Thüringer Architekturpreises Wohnungsbau, die Preisträger und Anerkennung sind ausschließlich hier ansässige Architekten und Architekturbüros. Der Architekturpreis widerspiegelt auch die Akzeptanz der Bevölkerung für neues, zeitgemäßes Bauen. Eine Trendwende, die wir an vielen Stellen im Einfamilienhausbau in Thüringen feststellen.

Es zeigt sich, daß die Thüringer Architekten den Wettbewerb nicht scheuen müssen.

Mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurde ein Leitfaden zur Anwendung des Thüringer Denkmalschutzgesetzes erarbeitet. Er dient u.a.der Gewährleistung von Planungssicherheit und soll denkmalpflegerisch begründete Änderungen nach Erteilung der Baugenehmigung verhindern helfen.. Eine Baugenehmigung bedeutet dann Rechtssicherheit. Umplanungen und Terminverschiebungen werden reduziert. Nicht einigen konnten wir uns bezüglich der Trennung von Beratung und Förderung von Denkmalen. Wir fordern im Gegensatz zur Meinung des Landesamtes für Denkmalpflege eine Verlagerung der Bewilligung der Fördergelder auf das Thüringer Landesverwaltungsamt.

Neu vereinbart wurde vor wenigen Tagen die Honorarregelung zur Dorferneuerung. Landwirtschaftsminister Sklenar unterzeichnete die Fortführung dieser Vereinbarung mit unserer Kammer und damit die Sicherung der hohen Qualität der Dorferneuerung in Thüringen.

Berufspolitische Schwerpunkte im Jahr 2000 sind die Wahlen zu den Oberbürgermeistern und Landräten im Mai und der Darlegung unserer Interessenlage, die Landesgartenschau in Pößneck, die Novellierung der Thüringer Kommunalordnung, eine Strukturnovelle der HOAI, die Novellierung der Thüringer
Kaisersaal, Erfurt

Bauordnung und die Fortschreibung unseres Thüringer Architektengesetzes.

Gemeinsam mit dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten zeigen wir zur Landesgartenschau die Ausstellung Landschaftsarchitektur in Thüringen. Das Wochenende am 17. und 18. Juni 2000 steht wieder ganz im Zeichen der Veranstaltungsreihe apropos architektouren, die thüringenweit zeitgemäße Architektur vorstellt und die Thüringer zum Tag der offenen Tür einlädt.

Der Thüringer Architektentag unter dem provokanten Thema "Auferstanden aus Ruinen und der Einheit zugewandt", bietet im Rahmen der Thüringentage am 02. Oktober 2000 in Erfurt einen Rückblick auf die 10 Jahre Architektur und Städtebau in den neuen Ländern nach der Wende. Verliehen wird in diesem Jahr zum dritten Mal der Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau und der Preis für energiesparende und innovative Bauten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Architektenkammer Thüringen bleibt auch im neuen Jahr Ihr konstruktiver Dialogpartner zu den Fragen der Baukultur, Baukunst und Architektur in Thüringen. Nutzen Sie unser Angebot zum Gespräch und zur fachlichen Auseinandersetzung in unser aller Interesse.

Bedanken möchte ich mich noch für die musikalische Begleitung bei Herrn Hoffmann. Ein kleiner Hinweis auch auf die Ausstellung Thonet-Stahlrohrmöbel im Saal.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Speck, ich übergebe nun das Wort an Sie, anschließend spricht unser Bundeskammerpräsident, Herr Peter Conradi.

veröffentlicht am 17.01.2000 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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