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Stadtumbau Ost - Maßnahmebeschreibung

Positionen zum Stadtumbau-Ost der Präsidenten der Architektenkammern der neuen Länder und Berlin sowie Vorschläge für ein Maßnahmepapier zur Umsetzung


In den letzten 10 Jahren haben einschneidende Veränderungen der Wirtschaftsstruktur im Osten Deutschlands zu grundlegenden demografischen Veränderungen in den Städten und Gemeinden der Bundesländer Mecklenburg – Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen- Anhalt, Thüringen und Sachsen geführt. Einwohnerrückgänge von über 15 %, in Teilen bis zu 30 %, in den Kommunen gefährden die wirtschaftlichen Grundlagen der Städte und Ge-meinden, der Wohnungsunternehmen , der Betreiber von Netzen der technischen Infrastruk-tur und den Trägern von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Viele 100.000 Wohnungen stehen mittlerweile leer.

Auf der Grundlage der Feststellungen der Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel“ aus dem Jahr 2000 wurde das Programm Stadtumbau Ost durch die Bun-desregierung im Jahr 2001 aufgelegt. Der Stadtumbau in der Einheit von Rückbau und Auf-wertung wurde in den benannten Bundesländern durch eine Vielzahl von Stadtumbaukon-zepten oder integrierten Stadtentwicklungskonzepten planerisch zu untersetzen begonnen. Mit dem Ergebnis des durch die Bundesregierung durchgeführten Wettbewerbes „Stadtum-bau Ost“ liegt eine Übersicht zu den Planungsansätzen und Planungszielen zum Stadtum-bau in den Kommunen der Bundesländer vor.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass mit dem Stadtumbau Ost eine alle Ebenen und Berei-che der Entwicklung von Ländern und Kommunen umfassende, komplexe Aufgabe vor der Gesellschaft steht. Deren Planungshorizont liegt zwischen den Jahren 2010 und 2015. Viel-gestaltig sind die Rahmenbedingungen, von Kleinstädten mit historischem Stadtkern bis zu Großwohnsiedlungen in Stadtrandlage. Differenzierte Handlungsrahmen müssen planerisch bestimmt werden. Wechselnde wirtschaftliche und demografische Einflüsse bestimmen die Planungsziele. Der Stadtumbau wird ein Prozess werden, der dauerhaft planerisch begleitet werden muss. Die Städte, die Gemeinden müssen umgebaut werden, sie dürfen ihre soziale Kohäsion nicht verlieren. Mit dem Stadtumbau sollen die wirtschaftlichen, sozialen, räumlichen und infrastrukturellen Grundlagen für die Zukunft der Städte und Gemeinden gefestigt und in Teilen neu definiert werden.

Damit verbunden stellen sich vielfältige und teilweise neue Arbeitsfelder für Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten dar. Rückbau als Chance, Stadtumbau als Ziel, heißt Qualität statt Quantität, Reduktion und Aufwertung, Vielfalt und Lebensdichte.

Die Architektenkammern von Mecklenburg – Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen- Anhalt, Thüringen und Sachsen haben im Juli und im September 2002 in einem Erfahrungs-austausch untereinander den Status des Stadtumbaus in den einzelnen Ländern erfasst und Problemfelder bezeichnet, die länderübergreifende Inhalte aufweisen. Am 17. September 2002 wurden in Berlin dazu folgende Schwerpunkte gemeinsam festgestellt :

1. Wirtschaftsentwicklung - Stadtentwicklung

Die grundlegenden Veränderungen der Wirtschaftsstrukturen im Osten Deutschlands, die Deindustrialisierung übergroßer Teile der Bundesländer Mecklenburg – Vorpom-mern, Brandenburg, Sachsen- Anhalt, Thüringen und Sachsen in den 90-er Jahren be-einflussen die demografischen Entwicklungen in den Städten und Gemeinden entschei-dend. Der Wegzug von großen Teilen leistungsfähiger Generationen in den Westen Deutschlands ist durch den Mangel an Arbeits- uns Ausbildungsplätzen im Osten Deutschlands begründet. Im negativen Sinn nachhaltig werden dadurch die sozialen Rahmenbedingungen in den Kommunen langfristig beschädigt. Die Arbeitslosenquoten für den Osten, von ca. 20 %, sind dafür ein trauriges Zeugnis.
Der Stadtumbau Ost steht in enger Beziehung zur Wirtschaftsentwicklung in den Regio-nen. Mit der Umsetzung des Programmes Stadtumbau Ost können wirtschaftliche Fehl-entwicklungen im Osten Deutschlands nicht korrigiert werden, derzeit kann mit dem Stadtumbau nur auf Entwicklungen reagiert werden. Die wirtschaftlichen Grundlagen für die erforderliche Verstetigung des Stadtumbaus Ost sind derzeit gefährdet.

2. Stadtumbau - Rückbau und Aufwertung

Die Wohnungsleerstände von mehr als 15 % gefährden die wirtschaftlichen Grundlagen der Eigentümer. Anfänglich getragen durch die großen Wohnungsunternehmen und de-ren Verbände war der Auslöser des Stadtumbaus die Reduzierung des Wohnungsbe-standes durch Abriss. Marktbereinigung und Altschuldenentlastung sind dafür die Hauptansätze. Träger des Stadtumbaus sind die Städte, in den Förderrichtlinien der Bundesländer ist der Stadtumbau als integriertes Ziel von Rückbau und Aufwertung formuliert. Die vorliegenden Stadtumbaukonzepte haben diesen Ansatz detailliert. Mit Rückbau / Abriss wird jedoch nur ein Investitionsanteil von unter 10 % gefasst. Die Sa-nierung der verbleibenden Wohngebäude, des Wohnumfeldes, der technischen und so-zialen Infrastrukturen werden 90 % der Investitionen erfordern. Die Diskussion über die Umsetzung des Stadtumbaus konzentriert sich derzeit auf den Anteil 10 %. Die Gefahr besteht, dass der Stadtumbau auf einen Stadtrückbau reduziert wird.
Die Schere zwischen dem politisch formulierten Anspruch – Stadtumbau Rückbau und Aufwertung – und der Wirklichkeit – Stadtrückbau - öffnet sich bereits am Beginn des Prozesses.

3. Entwicklung des ländlichen Raumes

Die grundlegenden Veränderungen der Wirtschaftstruktur im Osten Deutschlands ist im ländlichen Bereich ebenso, in Teilen sogar tiefgreifender, vollzogen worden. Der Anteil der Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft ist drastisch zurückgegangen. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Dörfer sind in weiten Landstrichen nicht zukunftsfähig. Im Umkreis größerer Städte ist ein Funktionswandel in den Dörfern und ein zum Teil er-heblicher Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen. Andererseits gibt es gerade im ländli-chen Raum Dörfer, die auf Grund von Einwohnerrückgängen und Produktionsstilllegun-gen zunehmende Leerstände und damit städtebauliche Missstände aufweisen. Der länd-liche Raum kann jedoch keine adäquate Lobby wie die Wohnungsunternehmen vorwei-sen. Alle vorliegenden Programme befassen sich derzeit mit dem Stadtumbau und noch nicht mit dem ländlichen Raum. Hierfür sind Planungsstrategien und Förderinstrumente in gleicher Weise erforderlich.

4. Finanzausstattung Bund, Land, Kommune

Mit den vorliegenden Stadtumbaukonzepten sind Kostenansätze für deren Umsetzung in den Zeithorizonten bis 2010 und 2015 vorhanden. Ein zweistelliger Milliarden Euro Betrag wird dafür erforderlich sein. Die finanzielle Größenordnung zur Umsetzung des politischen Zieles Stadtumbau Ost liegt in der Realität weit über den schon erheblichen Ansätzen der Bundesregierung. Für die Kommunen und Eigentümer sind die wirtschaft-lichen Grundlagen für die Kofinanzierung von Förderungen eingeschränkt. Aber auch die Bundesländer sind in ihren Anteilen derzeit finanziell überfordert.
Die Integration der Banken ist hinsichtlich der Altschuldenentlastung und der Strukturie-rung von Besicherungen der Wohnungsunternehmen bei schrumpfenden Wohnungsbe-ständen übergreifend erforderlich.
Basierend auf den vorliegenden Planungsansätzen der Stadtumbaukonzepte müssen gemeinsam zwischen Bund, Ländern und Kommunen die realistischen Aufwendungen für der Stadtumbauprozess erfasst und stabile Instrumente für deren dauerhafte Umset-zung geschaffen werden.


5. Anpassung der Rechtsgrundlagen

Mit dem Stadtumbau Ost wird ein Wandel der Anforderungen an das Planungsrecht sichtbar. Bislang vorwiegend auf extensive Entwicklungen abgestellte rechtliche Rah-menbedingungen müssen für die Reduktion der Städte, das Management von Flächen-potentialen und den unterschiedlichen Problemlagen zwischen historischen Innenstäd-ten und Großwohngebieten differenzierte und wirksame Rechtsrahmen gewähren. Das derzeitige BauGB muss daher kurzfristig diesen Anforderungen angepasst werden.
Für die Steuergesetzgebung, das Mietrecht und die Besicherungsanforderungen der Banken ist ebenso Änderungsbedarf zu verzeichnen.

6. Aufgabenfelder – Aktivitäten Architektenkammern

Stadtumbau muss im Prozess der Durchführung und im Ergebnis einen baukulturellen Anspruch realisieren. Dieses setzt Prozessmanagement, Kommunikation, Kooperation und Planung voraus. Mit dem Stadtumbau Ost erwachsen für die Kollegenschaft vielfäl-tige Aufgabenbereiche, die es zu bestimmen und zu besetzen gilt. Durch die Architek-tenkammern von Mecklenburg – Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen- Anhalt, Thüringen und Sachsen werden in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Landesregierungen die Rahmenbedingungen – Integration Architektenschaft, Weiterbil-dung, Öffentlichkeitsarbeit, Mitwirkung bei der Veränderung der rechtlichen und finan-ziellen Rahmenbedingungen -gestaltet. Die Architektenkammern sollten verstärkt Part-ner der Kommunen sein.
Der länderübergreifende Erfahrungsaustausch der Architektenkammern hilft verallge-meinerungsfähige Problemfelder beim Stadtumbau zu erkennen und mit der Bundesar-chitektenkammer Strategien für deren Lösung zu entwickeln.


Das dargestellte Ergebnis wird in der Vorstandssitzung der Bundesarchitektenkammer am 26.9.2002 in Berlin vorgetragen.




10.12.2002/AK040BS.DOC/BS/AK Brandenburg
Einarbeitung Änderung : AK M-V v. 25.9.02


Stadtumbau Ost: Maßnahmebeschreibung

Stadtumbau Ost hat zwar seine sichtbare Ausprägung in leergefallenen Quartieren und demzufolge einer extremen wirtschaftlichen Schieflage der Wohnungswirtschaft, seine Ursa-chen liegen allerdings in der negativen Arbeitsmarkt- und damit auch Bevölkerungsentwick-lung. Der Schrumpfungsprozess ist Ausdruck des Verlustes gesellschaftlicher Wertschöp-fungsketten und einer extremen Verlagerung von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen im großregionalen Maßstab.
Wenn nicht in nachhaltig neue Wertschöpfungsketten aufgebaut werden, dann kann diesem Prozeß nur dadurch entsprochen werden, dass die Schrumpfung aktiv gelenkt wird, um eine überlebensfähige Basis auf niedrigerem Niveau zu installieren. Dazu gehört insbesondere:

1. Entwicklung einer Rückbaukultur in der Schrumpfung und Rückbau schonungslos und offen diskutiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Dies bedeutet die Installierung offener Verfahren, in denen tabulos zukünftige Entwicklungen und ihre Fol-gen Eingang finden.

2. Die im Wettbewerb Stadtumbau-Ost aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur unzureichend zu erhebenden Bevölkerungsentwicklungen sind dringend nach-zuerheben und realistisch zu prognostizieren. Die begonnenen integrierten Stadtentwick-lungskonzepte – Stadtumbaukonzepte sind unbedingt zu verstetigen und permanent fortzuschreiben.

3. Die bislang angedachten Förderkonzepte sind in ihrer Wirkung zu überprüfen und insbe-sondere sind mehrjährige Förderprogramme, die finanzielle Sicherheit geben, aufzule-gen.

4. Stadtumbau ist ähnlich wie das Programm Soziale Stadt ressortübergreifend zu behan-deln. Das Gesamtsystem Stadt ist in jedem Einzelfall in allen Infrastrukturbereichen auf eine zukunftsfähige Basis zu stellen. Abrisse und andere Rückbaumaßnahmen, die ein-zig einer Verbesserung der wohnungswirtschaftlichen Situation betroffener Gesellschaf-ten dienen sind nicht geeignet, das Gesamtsystem Stadt auf nachhaltige Weise zu sa-nieren. Förderungen und sonstige Maßnahmen sind auf sämtliche städtische Bereiche auszudehnen.

5. Die Schrumpfung in Ostdeutschland ist kein kommunales oder lokales Problem. Es be-trifft bis auf wenige lokal begrenzbare Gebiete ganze Regionen und hat sich inzwischen länderübergreifend ausgedehnt. Maßnahmen müssen deshalb zukünftig auch die regio-nalen Entwicklungen betrachten. Integrierte Stadtumbaukonzepte müssen in regionale Entwicklungskonzepte münden und raumordnerische Maßnahmen müssen zukünftig wieder planerische Bedeutung erhalten.

6. Die in den Architektenkammern und Baukammern zusammengeschlossenen Berufe stel-len mit ihrem Know-how eine wichtige Ressource dar, um in diesem Schrumpfungspro-zess steuernd tätig zu werden. Planer und Architekten haben frühzeitig auf die zu erwar-tenden Entwicklungen hingewiesen. Seien es die negativen Auswirkungen der Sonder AFA-Ost, die Abwanderung aus den Städten nach Westdeutschland oder in die Weich-bilder der Städte. Die warnenden Hinweise wurden als Kassandrarufe betrachtet, bis durch den Aufschrei der Wohnungswirtschaft und die erkennbaren Folgen für Land und Kommunen durch die entsprechenden Bürgschaften, die ohnehin ausgebluteten kom-munalen Finanzsysteme zu scheitern drohten.

7. Die besten Stadtentwicklungskonzepte nützen nichts, wenn nicht gleichzeitig durch eine durchgreifende Finanzreform die Kommunen und Länder in die Lage versetzt werden wieder handlungsfähig zu werden. Hierzu ist eine Finanzreform erforderlich, die die Kommunen von den Leistungen entlastet, die Folgewirkung des wirtschaftlichen Nieder-gangs sind, wie z.B. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfeleistungen. Die Städte müssen wie-der finanziell in der Lage sein, auf neuem Niveau Angebote für neue Wertschöpfungsketten zu entwickeln.

8. Niedergang und Schrumpfung kann bei entsprechender Finanzausstattung der Kommu-nen auch neue positive Entwicklungen erzeugen. Die Städte verfügen aufgrund der Schrumpfung über ausreichende Flächen und Infrastrukturen, um neue Strukturen auf-zubauen. Dazu bedarf es aber der Möglichkeit, diese Infrastrukturen zu erhalten und für die Zukunft vorzuhalten bzw. ein höheres Infrastrukturniveau wie in anderen Regionen aufrecht zu erhalten, um in der regionalen, nationalen und internationalen Konkurrenz Wettbewerbsvorteile in die Waagschale werfen zu können.


9. Zur Sicherung der weiteren Diskussion sind Gremien zu schaffen, die auf allen Ebenen, Bund, Land und Kommunen, ressortübergreifend Lösungen diskutieren und umsetzen.

Präsident Schuster, AK Brandenburg
im Namen der Präsidenten der neuen Länder und Berlin

veröffentlicht am 10.12.2002 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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