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Strohballenhäuser

Modernes Bauen aus nachwachsenden Rohstoffen

Bereits wenige Jahre nach der Erfindung der Strohpresse um 1800 in den USA entstanden die ersten Strohballenhäuser. Ausgehend von dieser Idee untersuchten der Architekt Dieter Becker (Sömmerda) und der Umweltwissenschaftler Dr. Siegfried Thomas (Grünewalde) Möglichkeiten, diese traditionelle Bauweise mit neuen Technologien zu verbinden und ein den heutigen Bauvorschriften entsprechendes Produkt zu entwickeln.

Dabei wird aus Getreidestroh mit natürlichen Zusätzen gegen die Vermehrung von Mikroorganismen und zum Erreichen der Baustoffklasse B2 ein in den Abmessungen genormter Stroh-ballen mit einer Dichte von 120 – 150 kg/m3 hergestellt, der zusammengebunden durch 2 Polypropylen-Bindegarnschnüre als „ökologischer Bau- und Dämm-stoff“ einsetzbar ist.

Die Statik der Gebäude (ein- und zweigeschossig) wird durch die Errichtung einer Stahlständer–Holz –Konstruktion gesichert. Die Außen-wandausfachung erfolgt nach Bau-regelliste C mit Strohballen. Die Ständerbauweise ermöglicht es, das Gebäude durch den Einsatz eines Dach–Brett–Binders im Dachraum-bereich, mit dem gleichen Stroh-ballen zu dämmen.

Der Dachaufbau kann vom Bau-herren bestimmt werden. Es sind hier vor allem Strohdächer, Dächer mit Begrünung, Tondachsteine u. s. w. möglich.

Die Strohballenwandstärke ohne Innen- und Außenputz ist bedingt durch die Geometrie des Stroh-pressenschachtes. Die Strohwand- stärke beträgt 48 cm mit einer Wärmeleitfähigkeit von

l = 0,068 W/m x K

bzw. für den Strohballenwand-abschnitt mit Kalkputz außen und Lehmputz innen von

U = 0,14 N/m2 x K

erreicht wird.

Die so entwickelte Strohballenwand wird 100%ig mit Mäusegitter aus Stahlmaschendraht (8 x 8 mm) ummantelt, der nicht nur vor Nagern schützt, sondern auch die Eigenschaften eines Farraday’schen Käfigs auf das Gebäude überträgt und somit die Entstehung von Elektrosmog verhindert. Durch einen Lehmputz nach Innen kann die Diffusionsfreudigkeit der Stroh-ballenwand voll ausgeschöpft werden, so dass ideale Luftfeuchten von 40 – 60 % im Raum garantiert sind.

Stroh gilt als wichtigster nach-wachsender Rohstoff von Landwirt-schaftsflächen und steht in vielen Teilen der Welt kostengünstig zur Verfügung. Durch die Nutzung vorhandener Strohpressentechnik wird ökologisches Baumaterial erzeugt, dass in dem praktizierten Verfahren voll recycelbar ist. Strohballenhäuser können mit hohem Selbstbau–Anteil hergestellt werden. Nachdem die Ständer-elemente auf Streifenfundamenten gesichert sind, kann die Ausfachung sofort erfolgen.
Durch das sehr gute Wärmedämmverhalten entspricht das Stroh-ballenhaus einem ökologischen „Energie–Passiv–Haus“, so dass neben dem günstigen Baustoffkosten auch die geringen Energie-kosten zur Raumklimatisierung ein wichtiges Argument für den Einsatz darstellen.

Entwickelt wurden Bauhüllen für den Gewerbe- und Landwirtschaftsbau (Tierhaltung, Reitsport, Verarbeitung und Lagerung), Wohnhäuser nach EnEV und Passivhäuser.

Die Strohballen sind Bestandteil eines System, in dem neben dem Basismaterial auch kostengünstige, variable und baubiologisch hoch-wertige Haus–Systeme angeboten werden, die bauphysikalisch dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.

Patente für die Herstellung und Konstruktion wurden angemeldet und Projekte in Deutschland, Österreich und Polen sind bereits in Arbeit. Auch das überaus große Interesse auf verschiedenen Messen zeigt, dass hier konsequent ein Weg verfolgt wurde, der einen in Europa noch nicht so stark beachteten natürlichen Rohstoff unter Berück-sichtigung des strengen deutschen Baurechts und der auch immer wichtiger werdenden ökonomischen Aspekte zu einem alternativen Baumaterial macht.

Prüfprotokolle und Nachweise:

  • Prüfprotokoll Nr. PP III/W-02-0-058, „Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit nach DIN52612 von gebundenem Stroh“
  • Prüfzeugnis Nr. PZ III/B-02-109, Prüfung auf Normal-entflammbarkeit (B2) nach DIN 4102-1 an einer Strohballenwand“
  • Prüfbericht Nr. PB III/B-03-039, Bauteil-Brandversuch nach DIN 4102, Teil 2 (09/77)
  • Prüfbericht Nr. PB III/B-03-Schallschutznachweis vom 01.04. 2003
  • Zustimmung im Einzelfall Nr. 25/03 vom 25.03. 2003 „Neubau eines Büro- und Geschäftshauses“ vom Thüringer Innenministerium
Wolfram Blassy, STUDIO FMB GmbH, Erfurt


veröffentlicht am 12.05.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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