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11. Deutscher Architektentag

Am 21. September 2001 findet im Gewandhaus Leipzig der 11. Deutsche Architektentag statt. Das Thema - Landschaften im Wandel - nimmt Bezug auf die Veränderungen in Europa im Zusammenhang mit den politischen Veränderungen in Osteuropa. Mit der Wende vor zehn Jahren wurden die tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen ausgelöst, die in ihren Auswirkungen in den neuen Bundesländern noch heute nicht abgeschlossen sind. Diese Veränderungen waren verbunden mit einer totalen Umstrukturierung der am Bauen beteiligten Firmen und Dienstleister und dem Auslösen einer explosionsartig anwachsenden Bautätigkeit in den neuen Bundesländern.

Im Ergebnis sollten "Blühende Landschaften" in den neuen Bundesländern geschaffen werden. So lag es auf der Hand, den 11. Deutschen Architektentag als Plattform für diese Bestandsaufnahme der Entwicklung nach Leipzig, einem Brennpunkt der Wendeereignisse und auch der nachfolgenden Bautätigkeit mit den differenziert zu betrachtenden Folgeerscheinungen zu legen. Die Entwicklungen waren in Thüringen nicht anders, wie in Sachsen und allen anderen neuen Bundesländern, sodass wir Thüringer uns in Leipzig mit repräsentiert fühlen und deshalb den Gastgeber, die Architektenkammer Sachsen als Beteiligte, und nicht nur als Gast unterstützen.

Architekten beklagten Anfang der 90er Jahre die städtebaulich zweifelhafte Qualität wuchernder Gewerbegebiete an den Stadträndern. Städtebaulicher qualifizierter Vorlauf fehlte, aber Priorität hatte zu dem Zeitpunkt die Ansiedlung von Wirtschaftstrukturen als Ausgleich zur wegbrechenden ehemaligen DDR- Industrie. Die Beförderung von Architekturqualität auch für den Hochbau wurde dringend erforderlich.

Es gelang den Architektenkammern nachfolgend, Architektur in Politik und Wirtschaft zu thematisieren. Architekturpreise wurden ausgelobt und öffentlich vergeben. So wurde zum Beispiel 1996 der Thüringer Staatspreis erstmalig für beispielgebende Projekte zur Förderung der Baukultur in Thüringen an Architekten und Bauherren verliehen.

Die Initiativen zur Förderung der Baukultur waren vielfältig..apropos architektouren wurde zur Erfolgsgeschichte und Nabelschau der beruflichen Arbeit. Architekturwettbewerbe in hoher Qualität wurden zum festen Bestandteil fachlicher Auseinandersetzung. Die Ergebnisse zeugten von der hohen fachlichen Qualität der beteiligten Büros, die immer mehr aus Thüringen kamen.

Denkmalschutz in Verbindung mit zeitgemäßer Architektur wurde ein Thema für viele auch kontroverse Diskussionen. Inzwischen gibt es viele hervorragende realisierte Bauvorhaben in allen neuen Bundesländern. Baukultur ist nur in der Einflussnahme auf die Breite der Planungsaufträge zu sichern und nicht ausschließlich bei der Realisierung elitärer Einzelaufgaben. Wir brauchen also die Qualifizierung der Bauherren mit Hilfe einer Diskussion über Architektur in der Öffentlichkeit genauso, wie die Freiheit des Architekten für den guten individuellen Entwurf.

Die Plattenbaugebiete, Erbe des DDR- Massenwohnungsbaus, rückten nach Abdeckung des Wohnungsbedarfes und Schaffung von Überkapazitäten im Ergebnis der durch Sonderabschreibungsmöglichkeiten entfesselten Bautätigkeit der ersten 5 Jahre in den Mittelpunkt fachlicher Auseinandersetzung.
Architekten warnten immer vor sozialer Entmischung und forderten städtebauliche Aufwertung durch Teilabriss und Ergänzungsbauten - leider in den ersten Jahren vergebens. Modernisierung der Blöcke mit Fassadenkosmetik schien zu reichen. Heute steht Rückbau auf der Tagesordnung. Inzwischen wird auch durch die Vertreter der Wohnungswirtschaft die Notwendigkeit qualifizierter städtebaulicher, architektonischer und landschaftsgestalterischer Planungen erkannt.

Die Anfang der 90er Jahre eingeführten Sonderabschreibungsmöglichkeiten auf bauliche Investitionen entfesselten einen beispiellosen Bauboom in den neuen Bundesländern, von dem die Bauwirtschaft ganz Deutschlands profitierte. Im Ergebnis sind viele notwendige Gebäude und bauliche Anlagen auch in hoher Architekturqualität entstanden. Leider entstand auch viel Fragwürdiges und vor allem Überkapazitäten im Wohnungsbau und bei Büroflächen, die das Bauen nach Auslaufen der Sonderabschreibungen fast zum Erliegen brachten.
Die Beispiele werden in Leipzig stellvertretend für eine flächendeckende Situation in den neuen Ländern zu sehen sein. Die Bauwirtschaft mit den zugehörigen Dienstleistern einschließlich der Architekten befindet sich im freien Fall. Wegsehen reicht nicht mehr, die Branche muss auf einem erträglichen Niveau stabilisiert werden. Dies geht nur über die Beförderung eines auch für die Zukunft ausgewogenen Bauvolumens mit dem Schwerpunkt Altbausanierung. Die Zentren ostdeutscher Städte bestehen in der Regel aus über Jahrzehnte in der Bauerhaltung vernachlässigten aber in der Regel in der Originalbausubstanz noch vorhandenen Altbauten mit hohem baukulturellem Wert. Eine qualifizierte Sanierung in Verbindung mit notwendigen Ergänzungen oder Lückenschließungen in zeitgemäßer Architektur ist dringend erforderlich. Sie dient der Erhaltung des wertvollen Bestandes, verbessert das Wohnumfeld und wirkt damit der Abwanderung in die alten Bundesländer entgegen. Sie schafft keine zusätzlichen nicht benötigten Flächen und ist darüber hinaus Arbeit für Architekten, Ingenieure und Baufirmen, die dann in der Regel aufgrund der beschränkten Auftragsgrößen und der notwendigen Präsenz vor Ort aufgrund der Kompliziertheit der Aufgaben aus der Umgebung stammen. Es entsteht ein dreifacher Fördereffekt, wenn es gelingt, die kommerzielle Lücke zwischen möglichen Mieteinnahmen und erforderlichen Bauaufwendungen zu schließen.

Zum Architektentag werden neben der Bestandsaufnahme Antworten auf die Fragen gesucht, was bei der Bewältigung der genannten Probleme Politik leisten kann und was Architektur vermag. Die Bauwirtschaft und die Architekten in den neuen Bundesländern befinden sich in einer komplizierten Situation. Der Deutsche Architektentag ist das wichtigste Ereignis zur Selbstdarstellung unseres Berufsstandes. Wir sollten die Gelegenheit in Leipzig zum Gespräch mit Politik und Öffentlichkeit nutzen. Ich appelliere deshalb an alle Thüringer Architekten: Kommen Sie nach Leipzig, nur mit aktiver Beteiligung sind Veränderungen möglich! Unsere sächsischen Kollegen bieten darüber hinaus ein interessantes Rahmenprogramm.

Angaben zu den Bildern:

  • Mehrzweckgebäude für den Trinkwasserzweckverband "Oberes Leinetal", Leinefelde
    Architekt: Ottmar Stadermann, Hausen
  • Verwaltungs- und Produktionsgebäude Euro-Surface-Industries (ESI), Obermehler
    Architekt: Architekt Bernward Paulick, Volkenroda
  • Verwaltungsschule der Bundesanstalt für Arbeit, Weimar
    Architekt: Architekturwerkstatt AC, Hestermann König Schmidt + Partner, Erfurt
    Landschaftsarchitekt: Schley + Christ, Landschaftsarchitekten BDLA, Erfurt
  • Forstamt, Neuhaus am Rennweg
    Architekt: Gruber + Bollwahn, Erfurt

veröffentlicht am 18.07.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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