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Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau 2000

Öffentliche Bauten und ihre Einfügung in städtebauliche Strukturen

Auslober

Freistaat Thüringen, vertreten durch das Thüringer Finanzministerium in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Innenministerium und der Architektenkammer Thüringen

Vertreter der Jury

  • Minister Andreas Trautvetter, Finanzminister, Erfurt
  • Renigard Baron, MDgt., Dipl.-Ing., Architekt, Finanzministerium, Erfurt
  • Wolfgang Schmidt, MDgt., Dipl.-Ing.,Architekt, Thüringer Innenministerium, Erfurt
  • Hartmut Strube, Dipl..-Ing., Architekt, Präsident der Architektenkammer Thüringen, Weimar
  • Gerd Zimmermann, Prof. Dr.-Ing., Architekt, Rektor Bauhaus-Universität Weimar,Weimar
  • Michael Mann, Prof. Dipl.-Ing., Architekt, Prodekan FB Architektur, FH Erfurt, Erfurt
  • Olaf Baum, Dipl.-Ing., Architekt, Freier Architekt BDA, Weimar
  • Karsten Merkel, Dipl.-Ing., Architekt, Freier Architekt BDA, Meiningen

Der "Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau" wird im Jahr 2000 zum dritten Mal vom Thüringer Finanzministerium in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Innenministerium und der Architektenkammer Thüringen für Leistungen der Architektur und des Städtebaues verliehen. Es werden Projekte ausgezeichnet, die in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis 15. April 2000 in wesentlichen Bauteilen errichtet wurden und die beispielhaft die Planungs- und Baukultur in Thüringen fördern.
Mit der Veröffentlichung der Auslobung im Thüringer Staatsanzeiger Nr. 7/00 im Februar 2000 wurden Planer, Bauherren und öffentliche Verwaltungen aufgefordert, sich mit Beiträgen für den Staatspreis zu bewerben.

Vorprüfungsergebnis
Als Bewerbung für den Thüringer Staatspreis wurden von 23 Architekturbüros bzw. Bauherren 29 Arbeiten eingereicht. Von 4 Büros bzw. Bauherren wurden Bewerbungstafeln zu mehreren Baumaßnahmen abgegeben. Alle Baumaßnahmen wurden im Freistaat Thüringen realisiert. Als Besonderheit für die Jury zur Kenntnis ist die Tatsache, dass das Gebäude der Thüringer Landesvertretung Berlin, zwar außerhalb des Freistaates errichtet wurde, das Grundstück in Berlin aber Eigentum des Freistaates Thüringen ist.

Beurteilungskriterien

  • Städtebauliche Qualitäten
  • Funktionserfüllung im Außenraum und Freiraumqualität
  • Baugestaltung (Fassadengestaltung, Proportionen)
  • Funktionserfüllung im Inneren, innere Erschließung
  • Raumqualität
  • Wirtschaftliche und technische Realisierung
  • Einhaltung (bau)rechtlicher Vorschriften
  • Materialwahl

Ergebnis

Thüringer Staatspreis für Architektur und Städebau 2000: 30.000 DM

Bauvorhaben: Neubau Bundesarbeitsgericht Erfurt
Architekt: Gesine Weinmiller Architekten, Berlin


Beurteilung durch die Jury
Öffentlich kontrovers diskutierte Entwürfe sind oft die besten. Dies kann auch gelten für den Neubau des Bundesarbeitsgerichtes nach dem Entwurf von Gesine Weinmiller. Eine wichtige öffentliche Bauaufgabe hat hier eine ebenso bestechende wie herausfordernde Lösung gefunden.

Die Grundidee des Entwurfes ist, das Gericht als "Monolith" in einem großen Freiraum zu stellen, es dadurch einerseits als Pendant zur Festung Petersberg zu qualifizieren, andererseits als "Haus" in einem Garten. Die extrem klare Rechteckfigur des Gebäudes lässt dieses selbst auch als "Festung" erscheinen und verleiht damit dem Gebäude jene strenge Aura, welche der Autorität eines Gerichtes angemessen sein dürfte. Es gehört zu den unbedingten Vorzügen des Entwurfes, dass dieser Charakter des Baues auf ganz moderne Weise und unter Verzicht auf jeden vordergründigen Symbolismus erreicht wird.

Andererseits wird eben diese Strenge durch das romantische Element der umgebenden Garten-Natur gebrochen, zumal die gewollte Weiträumigkeit eine freie Annäherung zulässt.
Der Neubau des Bundesarbeitsgerichtes folgt somit jenem Doppelsinn von Abstraktion und Einfühlung, bei dem sich das Repräsentationsbedürfnis des Gerichtes mit der Offenheit zum Büger verbinden kann.
Zu vermerken ist auch, dass die Landschaftsarchitektur ihrer Vermittlungsaufgabe zwischen Bauwerk und Park gut gerecht wird.
Insgesamt also erkennen wir eine eigenwillige, sehr gute städtebauliche Interpretation des Ortes in dieser zentralen Lage und in der Relation vor allem zur alten Zitadelle.

Die innere Organisation des Gebäudes ist sehr klar und zeigt eine große Folgerichtigkeit. Aus dem Gebäudeblock sind zwei Innenhöfe geschnitten- ein Eingangshof, der auf das Betreten des Gerichtes vorbereitet und in den Obergeschossen der Innenhof als Lesehof, um den sich die Bibliothek als "Gedächtnis" des Gerichtes ordnet. Mittels der Höfe wird die gute Belichtung der Räume möglich und eine entsprechende Durchdringung von Innen- und Außenraum. Über das zentrale Foyer sind alle öffentlichen Bereiche des Gerichtes erschlossen.

Die Jury hebt die konsequente gestalterische Durcharbeitung sowohl der Fassade wie des Interieurs hervor. Es gelingt der Autorin sehr gut, den strengen Ductus der Gesamtanlage mit einer subtilen Variation des Materials und der Details zu verbinden. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Fassade im Verhältnis der glatten, raffiniert gegliederten Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Beton zu den Füllflächen aus Schiefer und satiniertem Glas, deren Rhythmus wechselt. Hinzu kommt die fast sophistisch zu nennende Anbringung von Texten des Grundgesetzes in Spiegelschrift auf den zufahrbaren Sonnenschutzgläsern der Büros- auf dass die Beamten sich jederzeit daran erinnern.

Der Neubau des Bundesarbeitsgerichtes kann in seiner klaren Tektonik und kompromisslosen Modernität als ein bemerkenswerter Beitrag zur zeitgenössischen Architektur gelesen werden.

Von der Jury wird einstimmig die Vergabe des Thüringer Staatspreises für Architektur und Städtebau an das Büro Gesine Weinmiller Architekten, Berlin, entschieden.

Aufgrund der hohen Aussagekraft der gestalteten Ausstellungstafeln ist vorgesehen, in der Messe Erfurt anlässlich des Thüringer Architektentages und in mehreren Thüringer Städten bzw. in den architekturbezogenen Thüringer Fachhochschulen und Universitäten die Ausstellung nach der Preisübergabe im Oktober nochmals zu präsentieren.

Anerkennung: 10.000 DM

Bauvorhaben: Neubau Thüringer Landesvertretung Berlin
Architekt: Dr.Worschech & Partner Architekten und Stadtplaner, Erfurt
Freianlagen: Stadt + Landschaft Planungsgruppe, Erfurt


Beurteilung durch die Jury
Der Standort des Neubaues der Landesvertretung des Freistaates Thüringen in Berlin in der Mohrenstraße ist räumlich ausserordentlich beengt.
Der funktionelle und gestalterische Aufbau des Gebäudes auf dem Eckgrundstück richtet sich auf die Haupterlebnisse aus dem kleinen Platzraum der Mohrenstraße.

Mit dem Haus wird eine bislang aufgebrochene Block-Struktur als Eckbebauung Mohrenstraße/Mauerstraße mit einer attraktiven, bereichernden baulichen Lösung geschlossen, die mit ihrer Eingangsfassade zugleich der platzartigen Situation eine neue Prägung verleiht.

Auf dem sehr kleinen Grundstück ist es gelungen, eine Vielfalt von repräsentativen, der Öffentlichkeit zugewandten Nutzungen mit internen verwaltungsorientierten Dienstleistungen zu verknüpfen.

Der öffentliche Teil wird überwiegend durch große Glasflächen transparent und gestattet Ein- und Ausblicke, bis in den kleinen Grünhof . Dieser Grünhof mit einem Baum bildet eine synonyme Assoziation zum Logo "Thüringen -Grünes Herz Deutschlands".

Die Arbeitsräume wirken auch äußerlich erkennbar mit einem größeren Anteil Wandflächen und "Loch"- Öffnungen und sichern so die Intimität einer notwendigen Arbeitsatmosphäre.

Die Kolonaden des Erdgeschosses an der Mauerstraße nehmen die städtebaulichen Zwänge des Grundstückszuschnittes gekonnt auf. Sie schaffen Anklänge an Laubengänge Thüringer Märkte und bilden zugleich einen intimen Rahmen für die Gastronomie.

Architektur und Materialwahl knüpfen einerseits bewusst an moderne Thüringer Traditionen in der klaren Formensprache des Bauhaus-Bewusstseins an und erreichen andererseits mit dem einheimischen Travertin in Kombination mit Stahl eine würdevolle Eleganz für diese Präsentationsaufgabe des Freistaates Thüringen.

Anerkennung: 10.000 DM

Bauvorhaben: Umbau und Erweiterung des Deutschen Gartenbaumuseums Erfurt
Architekt: Prof. Peter Kulka, Architekt BDA, mit Konstantin Pichlerter Horst, Dresden


Beurteilung durch die Jury
Der in die Hangsituation gefügte Neubauteil nimmt durch Ausdehnung und Kubatur Bezug zum denkmalgeschützten Ensemble der Cyriaksburg, ohne es in seiner Prägnanz zu beeinträchtigen. Vom ega-Gelände kaum wahrnehmbar, wird die bauliche Erweiterung erst erlebbar, wenn man über die Treppenanlagen die als Zugangsbereiche fungierenden Museumshöfe betritt. Hier stellt sich der Neubau mit seiner filigranen Glasfassade selbstbewusst und trotzdem zurückhaltend gegen die harte und steinerne Festungsarchitektur. Die Reduktion der architektonischen Mittel wird als angenehm empfunden.

Die einfache und klare Grundrissdisposition (Bistro und Multifunktionsbereich im Südflügel, Bibliothek und Verwaltung im Nordflügel, dazwischen Nebenräume) ermöglicht interessante Bezüge zwischen Innen und Außen. Es ergeben sich Bereiche unterschiedlicher Qualität und räumlicher Prägung. Besonders gelungen erscheint der sensibel gestaltete Übergang zwischen Alt und Neu (Lichtfuge über dem Portal zum Altbau). Im Inneren wird die Symmetrie durch eine spannungsvolle Gruppierung der Stützelemente aufgehoben. Der Südflügel des Neubaues bietet Platz für exotische Pflanzen, die in einen gut proportionierten kubischen Lichtraum hineinwachsen.

Durch die solide und differenzierte architektonische Durcharbeitung ist ein Gebäude von eigenständiger Präsenz entstanden, das das Gesamtensemble wohltuend belebt. Die unprätentiöse Haltung wird durch wohlüberlegten Materialeinsatz und die ruhigen, reduzierten Innenräume unterstützt.

Entwurf und bauliche Umsetzung der Erweiterung des Deutschen Gartenbaumuseums zeigen in beispielhafter und anerkennenswerter Weise, wie historische Gebäudeensemble mit einfachen Mitteln zeitgemäß und intelligent ergänzt werden können, ohne ihre Würde und Ausstrahlung zu stören.

Der Umbau und die Erweiterung des Deutschen Gartenbaumuseums Erfurt wird deshalb für die Auszeichnung mit einer Anerkennung vorgeschlagen.


Anerkennung: 10.000 DM

Bauvorhaben: Umbau Foyer Obereichsfeldhalle
Architekt: FORSTER und SCHNORR Architekten, Frankfurt/ M.


Beurteilung durch die Jury
Die Stadt Leinefelde hatte zu DDR-Zeiten eine stark wachsende Bevölkerungsentwicklung. Um dem hohen Bedarf an Wohnraum gerecht zu werden wurde die "Südstadt Leinefelde" errichtet, eine Plattenbausiedlung für ca. 13.000 Bewohner. Als Bindeglied zwischen Altstadt und der neuen Wohnstadt entstanden zusätzlich öffentliche Gebäude, wie die Stadtbibliothek und eine Stadthalle, die Obereichsfeldhalle.

Beide Einrichtungen gingen nach der Wende in den Besitz der Stadt über. Die Obereichsfeldhalle war durch vorgefertigte Bauelemente hergestellt worden, wobei die Dachkonstruktion aus einer interessanten HP-Schalenkonstruktion besteht. Das Gebäude sollte saniert und insbesondere im Eingangs- bzw. Foyerbereich auch räumlich verbessert werden. Zu diesem Zweck lobte die Stadt Leinefelde 1997 einen Wettbewerb aus, der in der Folge von den Preisträgern dann auch realisiert werden konnte.

Der architektonische Beitrag und die Qualität dieser Arbeit liegt in der Auseinandersetzung zwischen einem Gebäude, das vorgefertigt und elementiert in den 70iger Jahren des 20igsten Jahrhunderts entstanden ist und einem neuen, ergänzenden Umbau bzw. Anbau.

Das Projekt ist geprägt durch zeitgemäßes Vokabular der architektonischen Mittel und Materialien, aber auch durch eine große Verbesserung der räumlichen Eingangssituation.

Foyer, Garderobe und der Zugang zur Halle waren ursprünglich schlecht belichtet und ungünstig organisiert.

Den Architekten ist es gelungen, den Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz ohne Verlust der vorhandenen Qualitäten zu entwickeln. Dabei nimmt ein neues Vordach, die Stadtloggia, eine besondere Stellung ein und verbindet einerseits die Bibliothek mit der Stadthalle, andererseits ordnet dieses Dach den Fußgängerbereich in angenehme Aufenthaltszonen.

Das Foyer öffnet sich deutlich zum öffentlichen Raum, es wird somit als erweiterte Platzfläche definiert und mit dem Außenraum verzahnt. Durch einfache Maßnahmen, wie beispielsweise den durchgehenden Belag zwischen Außenraum und dem Fußboden des Foyers werden die Grundzüge des Entwurfes eindrucksvoll im Detail fortgesetzt.

Die relativ kleine Bauaufgabe ist beispielhaft für eine gute Lösung im Umgang mit vorhandener Bausubstanz und der Verbesserung einer ungeordneten städtebaulichen Ausgangssituation.

veröffentlicht am 09.05.2000 von Geschäftsstelle AKT · Rubrik(en): News, Verfahren / Auszeichnungen / Preise: Ergebnisse

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