Wahlprüfsteine 2002
Berufspolitische Standpunkte zum Koalitionsvertrag seitens der Architektenkammer Thüringen
Mit den Forderungen zur Bundestagswahl 2002 benennen die Thüringer Architektinnen und Architekten, Stadtplanerinnen und Stadtplaner ihre Erwartungen und Positionen an die zur Wahl stehenden Parteien und Kandidaten. Die Krise in der ostdeutschen Bauwirtschaft und bei den Planern hat dramatische Auswirkungen in der Beschäftigung und in den mittelständischen Strukturen erreicht. Der Verbraucherschutz ist im höchsten Maße durch die Dumpingpreispolitik am Bau und den Qualitätsverlust in der Ausführung gefährdet. Die Rahmenbedingungen für die ostdeutsche Bauwirtschaft, die Architekten und Stadtplaner müssen sich schnellstens im Sinne einer Investitionsförderung für Beschäftigung und Stärkung des Mittelstandes verbessern.
1. Infrastruktur und Mittelstandspolitik
Wir fordern eine Anhebung der öffentlichen Investitionsquote des Bundes und der Länder.
Wir fordern die Schließung der Infrastrukturlücke zwischen den Kommunen in Ost und West. Dazu sind Modelle der privaten Finanzierung und Betreibung, des Public Private Partnership, zu nutzen.
Wir fordern eine wirksame, in den Beschäftigungszahlen und bei den Unternehmen spürbare, erfolgreiche Wirtschaftspolitik durch die Bündelung der Förderprogramme, die Stärkung des Föderalismus mit der Entflechtung der Gemeinschafts- und Mischfinanzierungen und die Abschaffung der Benachteiligung des Mittelstandes bei den Hausbanken zur Beschaffung und Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen und Darlehensprogrammen des Bundes und der Länder. Die Kriterien des Basel II Abkommens sind mittelstandsfreundlich zu gestalten. Mikro-Darlehen des Bundes sollten direkt über eine Mittelstandsbank mit 100%iger Haftungsfreistellung vergeben werden.
2. Steuern
Wir fordern das Vorziehen der Steuerreform!
Wir fordern die Gleichbehandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften in der steuerlichen Veranlagung. Der Mittelstand benötigt eine Stärkung der Eigenkapitalausstattung. Dazu sollten Gewinne, welche für Umlaufmittelbedarf und Investitionen im Unternehmen verbleiben, steuerlich besser gestellt werden als entnommene Gewinne.
Wir fordern, dass die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1.000 angehoben wird.
Die Steuerreform muss Einhergehen mit der Neugestaltung der Gemeindefinanzreform. Die Gewerbe-steuer ist abzuschaffen. Die Kommunen müssen wieder in die Lage versetzt werden, investieren zu können, um den Sanierungsstau aufzuheben.
Mit der Verlagerung öffentlicher und hoheitlicher Aufgaben auf die Privatwirtschaft sind steuerliche Belastungen der Unternehmen und Bürger abzusenken. Weniger Staat heißt weniger Steuerlast! Weni-ger Staat erzielt eine geringere Staatsquote!
3. Arbeitsmarkt
Wir fordern die Abschaffung des Gesetzes gegen die Scheinselbständigkeit. Das Kündigungsschutzge-setz muss mittelstandsfreundlich novelliert werden. Kündigungsschutz erst in Unternehmen ab 25 Mitarbeiter! Rückgängig zu machen ist auch die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Arbeitsmarktpolitik erfordert eine zielgenaue Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt.
4. Weniger Staat – Mehr Wettbewerb
Scheinselbständigkeiten von Unternehmen der Gebietskörperschaften in privater Rechtsform sind aufzulösen. Diese Unternehmen sollten als Fiskalvermögen behandelt werden. Diese Gesellschaften müssen sich ohne Vorteilsnahme und personelle Verflechtungen mit der öffentlichen Hand gleichbehandelt dem Markt stellen. Wir fordern eine Privatisierungswelle von Beteiligungen der öffentlichen Hand zur Konsolidierung der Haushalte und zur Förderung von Investitionen. Die Rationalisierungen der öffentlichen Verwaltungen müssen sich auf die Kernkompetenzen bei der Wahrung hoheitlicher Aufgaben in der Daseinsfürsorge ausrichten. Verschlankung allein durch personelle Reduzierung gefährdet den Verbraucherschutz.
5. Bauverwaltungen und Planungsämter als Vertreter der öffentlichen Hand
Wir fordern die Besetzung entsprechender Personalstellen in den Bauverwaltungen mit Architekten und Stadtplanern, um Kompetenzen zu sichern und zu verbessern. Die Verwaltungen sind als Interessenvertreter des Bauherren zu erhalten und zu qualifizieren. Privatisierte Bauverwaltungen dürfen nicht als Wettbewerber in der Planung und Überwachung am Markt tätig sein.
6. Wohnungs- und Städtebau, Stadtumbau Ost
Der Stadtumbau Ost ist durch eine 20 %ige steuerliche Abschreibung über einen Zeitraum von 5 Jahren für Aufwendungen in der Sanierung, Modernisierung und bei Ersatzneubauten in den Sanierungsgebieten sowie Innenstädten für selbstgenutztes bzw. vermietetes Eigentum zu fördern. Abriss, Aufwertung und Neubau von Wohnraum müssen gleichbehandelt förderfähig sein. Die Wohneigentumsförderung ist in den neuen Ländern aufgrund der finanziellen Ausstattung der Haushalte, des privaten Sparvolumens, höher zu fördern als in den alten Bundesländern.
Die Ankurbelung der Baukonjunktur in den neuen Ländern kann nur durch Steuervorteile gestärkt wer-den. Vorrang hat die Sicherung des Bestandes in den Innenstädten, deren Revitalisierung zur Wahrung der Lebensfähigkeit und des Stadtbildes der Kommunen. Stadtmarketing und Stadtimages sind zu unterstützen, um Tourismus zu fördern und Abwanderung zu verhindern.
Die Förderung im Wohnungs- und Städtebau ist auf die Kriterien der Nachhaltigkeit und Umweltverträg-lichkeit auszurichten.
7. Baukultur
Die Initiative Architektur und Baukultur des Bundes muss sich auch in Länderinitiativen widerspiegeln. Wir erwarten, dass aus der Bundesinitiative heraus eine Nationale Stiftung Baukultur gegründet wird, die über die föderalen Strukturen hinweg Baukultur-Stiftungen in den Bundesländern einbezieht bzw. unterstützt. Wir fordern, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland neben dem Schutz des Menschen und der Tiere, der Schutz der gesunden Umwelt verankert wird.