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Wettbewerbsentwurf für den Neuen Campus der Technischen Universität Qingdao

Beitrag von Olaf Baum zum Thema "Projekte deutscher Architekten im Ausland"

Seit rund 4 Jahren arbeitet unser Büro mit wechselnder Intensität an unterschiedlichen Projekten in der VR China. Ausgangspunkt war ein Kontakt über die Abteilung Außenwirtschaftsförderung der IHK Erfurt. Neugier und die Bereitschaft, sich auf bisher unbekannte kulturelle Rahmenbedingungen einzulassen, waren gegeben. Relativ schnell war auch ein lokales Partnerbüro gefunden, mit dem erste Projekte vereinbart und teilweise auch umgesetzt werden konnten. Trotz beidseitiger Bemühungen stellte sich bald heraus, daß die Verständigung, besser gesagt die Kommunikation nicht ganz so unproblematisch war. In die Phase erster Resignation fiel dann ein erfolgreich abgeschlossener Wettbewerb für den Stadtpark in Xiamen (1. Preis, in Zusammenarbeit mit LA Holgar Ehrensberger), der seit 2005 in Abschnitten realisiert wird.

Als uns Anfang 2006 die Anfrage erreichte, ob wir uns an einem Wettbewerbsverfahren für die Konzeptplanung des Neuen Campus Huangdao der Technischen Universität Qingdao beteiligen würden, waren wir skeptisch und erfreut zugleich. Skeptisch, weil zu befürchten stand, auf der Grundlage einer unklaren Aufgabenstellung in kurzer Zeit einen städtebaulichen Entwurf für den Neubau einer Universität mit 20.000 Studenten vorlegen zu müssen (mit nur geringer Aussicht auf weitere Bearbeitung und angemessene Honorierung), erfreut wegen der Attraktivität der Aufgabe und des Ortes. Die Hafenstadt Qingdao liegt im Osten der Provinz Shandong und im Süden der gleichnamigen Halbinsel direkt am Gelben Meer. Qingdao hat im Stadtgebiet ca. 2,4 Mio. Einwohner und war einstmals Hauptstadt der deutschen Kolonie Kiautschou (1897-1914), was in Teilbereichen auch nach 100 Jahren noch gut ablesbar ist. In der modernen ostchinesischen Großstadt gibt es vieles, was an die Zeit der Deutschen erinnert: Kirchen, Fachwerkbauten, Villen, die Brauerei, ein oftmals kleinstädtisches Idyll mit schattigen Allen, Vorgärten und Loggien. Insbesondere in den gründerzeitlich geprägten Stadtquartieren der südlichen Innenstadt wird großer Wert auf die Erhaltung und Sanierung kulturhistorisch wertvoller Gebäude und Ensemble gelegt. Die Stadt wird zudem im Jahr 2008 Gastgeber für die Olympischen Segelwettbewerbe sein. Das kleine olympische Dorf und der Yachthafen sollen bis Ende 2006 fertiggestellt sein.

Die Technische Universität ist bisher an verschiedenen Standorten in der Stadt verteilt und soll nun als Campus Anlage in landschaftlich reizvoller Umgebung am Stadtrand („auf der grünen Wiese“) einen neuen Standort finden. Die Skepsis bzgl. der Aufgabenstellung war nicht begründet. Es gab eine für chinesische Verhältnisse einfache, übersichtlich strukturierte und bis auf wenige Ausnahmen (Übersetzungsschwierigkeiten) auch verständliche Auslobung. Die Bearbeitungszeit von ca. 4 Wochen war natürlich im Hinblick auf die zu erbringenden Leistungen äußerst knapp bemessen.

Aufgabe war es, auf einem ca. 88 ha großen Grundstück den Neubau einer Universität mit 11 Instituten, Bibliothek, Labor- und Werkstattgebäuden, Mensen, Verwaltung, Audimax, Sport- und Schwimmhalle, Forschungs- und Technologiezentrum, Krankenhaus sowie die dazugehörigen Studentenwohnheime mit Freizeiteinrichtungen zu konzipieren. Die Brutto-Geschossfläche der Gesamtanlage beträgt ca. 500.000 m2. Die Flächen des Neuen Campus erstrecken sich in einer langen, nach Norden ansteigenden Talsituation. Im Osten und Westen wird der Campus von einer interessanten Hügellandschaft eingerahmt. Die südliche Grenze bildet die Jialing Straße, eine der Haupterschließungsstrassen von Huangdao.

Der Entwurf basiert auf einem strukturellen und eher rationalen (europäischen ?) städtebaulichen Konzept mit folgenden Grundgedanken:

- Konzentration und axiale Einordnung der Campusbebauung entlang der Talsituation und an der Straße Jialing,
- Verbindung der Funktionsbereiche durch gestaltete Nord-Süd-Achse,
- Verknüpfung mit umgebender Landschaft, Gliederung durch Grünzäsuren, Berücksichtigung der natürlichen
- Gegebenheiten, insbesondere der topografischen Situation,
- Nutzung und Integration vorhandener Landschaftselemente (Hügel, Wasser, Vegetation),
- Kontrast zwischen einfacher, orthogonaler Struktur des Campus und der umgebenden, vielgestaltigen und organischen Hügellandschaft,
- Betonung des zentralen Bereichs / der Mitte (zentraler Platz , Bibliothek),
- Haupteingang durch Tor von Jialing Straße, Nebeneingänge im Norden und Südosten,
- städtebauliche Dominanten im Norden und Südosten.

Anfang März wurde der Entwurf vor der Jury und ca. 200 Mitarbeitern und Studenten vorgestellt. Die Jury vergab für den beschriebenen Entwurf den 3. Preis. Der 1. und 2. Preis ging an chinesische Kollegen. Der 1. Preisträger wurde mit der Masterplanung beauftragt werden. Es ist geplant, den Campus bis 2008 / 2009 fertig zu stellen.

Ob Wettbewerb oder direkter Auftrag, ob Hochbau oder städtebauliche Planung erscheinen folgende Aspekte aus unserer Erfahrung für ein erfolgreiches Engagement im Ausland bzw. der VR China von entscheidender Bedeutung:

- Berücksichtigung und Akzeptanz kultureller Rahmenbedingungen und Besonderheiten,
- viel Verständnis, Geduld und Sensibilität,
- intensive und kontinuierliche Kommunikation,
- verlässliche Partner vor Ort,
- ein hohes Maß an Flexibilität sowie die Fähigkeit zur Integration.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Arbeit im Ausland neben neuen wirtschaftlichen Perspektiven immer auch Wissens- und Erfahrungsgewinn bedeutet.

veröffentlicht am 29.09.2006 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): Export, Berufspraxis, News, Export

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