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Klima in der Krise

Zum gleichnamigen Forum lud das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz gemeinsam mit der Architektenkammer Thüringen am 30. August in das Congress-Center der Messe Erfurt ein

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Mehr als 300 Teilnehmer kamen zum Forum „Klima in der Krise“, Bild: Melanie Kahl

„Wir hätten gerne einen anderen Veranstaltungstitel gewählt, aber man muss die Dinge so benennen wie sie sind“, begrüßte Ministerin Anja Siegesmund die mehr als 300 Teilnehmer. Um das Gesagte zu untermauern, präsentierte sie eine Grafik über die Entwicklung der Durchschnittstemperaturen auf dem Planeten Erde seit 1881, die verdeutlicht: 17 der 18 wärmsten Jahre weltweit wurden seit dem Jahr 2001 gemessen.

Dass der Begriff „Klimawandel“ die Dramatik der Ereignisse nicht ausreichend abbildet und jener der „Kimakrise“ – wie ihn auch die Bewegung „Fridays for Future“ nutzt – der bezeichnendere ist, wurde mit den Ausführungen von Sven Plöger augenscheinlich. Hitzeperioden, Waldbrände und Waldsterben, zunehmende Starkregenfälle und ausgetrocknete Böden, Überschwemmungen, schneeballgroße Hagelkörner und schmelzende Eisberge: Ebenso eindringlich wie unterhaltsam zeigte der aus Funk und Fernsehen bekannte Meteorologe und Moderator die Komplexität des Themas, die Veränderungen im Klima und die Folgen für unseren Alltag auf. Gleichwohl stellte er fest: „Es ist nicht fünf nach zwölf, sondern fünf vor zwölf.“ Noch hätten wir Handlungsoptionen. Ein Beispiel: Allein die uns zur Verfügung stehende Energie durch die Sonne sei 6000 Mal mehr als das, was die Menschheit aktuell verbrauche. In unserem weltweiten Energiemix mache sie aber weniger als 0,5 Prozent aus. „Wir brauchen regenerative Kombikraftwerke, wir müssen Sonne, Wind, Wasser, Biomasse in richtiger Menge und an richtiger Stelle anwenden, um den Energieverbrauch von der Emission zu entkoppeln.“ Das sei der zentrale Punkt. An das Auditorium appellierte Plöger zum Ende des kurzweiligen Vortrags: „Wir müssen eine Transformation hinbekommen und Gas geben.“

Bereits im Jahr 2015 wurde auf der UN-Klimakonferenz in Paris die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei, möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau beschlossen. Warum so entschieden wurde, veranschaulichte Apl.-Prof. Dr. Steffen Bender vom Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg. So wären im Vergleich zu einer durchschnittlichen Erderwärmung um zwei Grad etwa zehn Millionen Menschen weniger durch den steigenden Meeresspiegel gefährdet; gar mehrere hundert Millionen Menschen weniger wären klimabedingten Risiken ausgesetzt und von Armut bedroht. Um das elementare 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, sei es jedoch unerlässlich, den CO₂-Ausstoß weltweit bis ins Jahr 2050 auf „Nettonull” zu reduzieren. Damit verbunden seien drastische Emissionsreduktionen in allen Bereichen, es benötige eine Bandbreite an neuen Technologien und einschneidende Verhaltensänderungen. Sein Fazit lautete daher: „Jedes halbe Grad, jedes Jahr zählt und jeder Ansatz ist wichtig.“

Wie eine menschenfreundliche und klimaangepasste Stadtplanung und Architektur aussehen kann, erläuterte Prof. Martin Haas vom Büro haas cook zemmrich STUDIO2050. Architekten stehen seiner Ansicht nach in einer besonderen Verantwortung, nicht nur weil Gebäude knapp 40 Prozent der Energie und Rohstoffe weltweit verbrauchen, sondern auch in Anbetracht ihrer langen Lebensdauer. Angesichts des anstehenden „Epochenwandels“ gelte es, grundsätzliche Haltungen zu hinterfragen und Denkfehler zu korrigieren. „Wir müssen weg von der Effizienz zu mehr Effekt und wir müssen Bezug nehmen auf die Referenzgröße Mensch“, forderte Haas. Was das bedeutet, machte er an mehreren Beispielen fest, vom Konzept für das Guggenheim in Helsinki über den realisierten Alnatura-Campus bis hin zur Planung für ein autofreies Quartier in Rostock. Bevor man überhaupt baue, müsse man sich fragen: „Macht es überhaupt Sinn? Wie viel Raum geben wir dem Gebäude? Und: Kann der Raum von maximal vielen Menschen genutzt werden?“ Erst dann gehe es um Material und energetische Konzepte. Eine energieneutrale Zukunft sei dabei keine technikfeindliche Zukunft. Es sei aber zu hinterfragen, wieviel Raum die Technik einnimmt, „die in dem Moment, wo man sie einbaut, schon wieder veraltet ist“, und wo man sie platziert. Allein durch den Einsatz von Technik entstehe aber noch lange kein „kulturell qualitätsvoller Raum“. Das Planen und Bauen nach Funktionen und Typologien sei zudem nicht mehr zeitgemäß, sagte Haas. „Wenn wir wollen, dass ein Gebäude dauerhaft und intensiv genutzt wird, um seine Existenz, den Aufwand seiner Errichtung überhaupt zu rechtfertigen, muss es eine Vielfalt an räumlichen Situationen bieten.“ Der Architekt kritisierte das Diktat der Infrastruktur des 20. Jahrhunderts: „Wir planen noch linear, das ist etwas Theoretisches, nichts Menschliches. Wir sollten zirkular entwickeln, in Prozessen mit den Menschen.“ Wenn beispielsweise der Straßenraum zum Sozialraum werde, könnten Wohnungen auch kleiner sein. Es gelte, „Mensch, Raum und Umwelt wieder in Einklang zu bringen“.

Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt, Präsident der Architektenkammer Thüringen, erinnerte in seinem Statement an die Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 und den darauffolgenden Beschluss der deutschen Regierung, neue Wege in der Energiepolitik zu gehen. „Das dazu erforderliche Gesetzgebungsverfahren war wohl das schnellste in der Geschichte der Bundesrepublik.“ Die berufsständisch vertretenen Professionen seien sich ihrer Verantwortung bewusst und würden sich den ehrgeizigen Einsparzielen der Regierung, den Gebäudesektor klimaneutral umzugestalten, stellen. Über die Wege zum Ziel dürfe aber noch debattiert und gerungen werden, so Schmidt, der abschließend allen fachlich und politisch Interessierten das Strategiepapier „Energiewende mit Architekten“ zur Lektüre empfahl, das die Bundesarchitektenkammer im Verbund mit den Landesarchitektenkammern herausgegeben hat.

Strategien der Klimaanpassung wurden im Rahmen von drei Dialogforen am Nachmittag diskutiert. Nicht zuletzt hier gelang, was Ministerin Siegesmund zu Beginn des Tages als Mehrwert der Debatte ausgegeben hatte – dass Klimaschützer mit Gesundheitsexperten und Architekten mit Fachleuten aus den Kommunen zusammenkommen, sich austauschen und Anregungen für die eigene Arbeit mit nach Hause nehmen.

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Veranstaltungswebsite mit Vortragsfolien:

Strategiepapier „Energiewende mit Architekten“:

veröffentlicht am 17.09.2019 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Fortbildungen, Berufspolitik / Kammerarbeit

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