Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

Klima und Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette Bau

Rückblick auf den Thüringer Bautag 2022

7 Bilder vergrößern
Gut gefüllt: Das Congress-Center der Messe Erfurt zählte rund 300 Teilnehmende, Bild: Frank Steinhorst

„Klima und Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette Bau“ lautete der Titel des dritten Thüringer Bautags am 4. November 2022. Rund 300 Teilnehmende folgten der Einladung von Architektenkammer Thüringen, Ingenieurkammer Thüringen, Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e. V. und Verband baugewerblicher Unternehmer Thüringen e. V. in das Congress-Center der Messe Erfurt.

Ein spannendes Podium mit den Präsidenten und Vorsitzenden der beteiligten Veranstalter führte in das Thema ein. Mit Blick auf das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung, das den Weg zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2045 vorzeichnet, betonte der Präsident der Architektenkammer Thüringen, Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt, dass das Planen und Bauen in den nächsten Jahren eine neue Dimension erfahren werde. Der Berufsstand werde bis 2025 mit erheblichen Änderungen von Gesetzeslagen, Normen und Vorschriften konfrontiert: „Wer im Bestand zukünftig plant, muss neben den geometrischen und stofflich-technischen Planungsdaten auch die Verwertbarkeit bzw. den Rückbau des Bestandes unter kreislauf-wirtschaftlichen Aspekten prüfen“, sagte der Präsident. Neue Planungshorizonte seien in Sicht, unter anderem Planungen für Gebäuderessourcen und die Ökobilanzierung. Wer zukünftig investieren wolle, müsse Dritten die Nachhaltigkeit seiner Investition erklären können, auch Banken und Fördermittelgebern, führte der Präsident aus. Er betonte: „Der Berufsstand ist gefordert, Bauherren qualifiziert zu beraten, die dafür notwendigen Informationen zu erheben, zu bewerten und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus abzuleiten.“

Thüringens Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, Susanna Karawanskij, legte im Rahmen ihres Grußworts dar, welche Schwerpunkte die Landesregierung setzt: Klimaneutralität im Baubereich sei ein extrem herausforderndes Ziel, das öffentliche und private Bauherren nur mit massiven Investitionen erreichen könnten. „Für energetisches Bauen und Sanieren müssen wir als Land mehr Fördermittel zur Verfügung stellen, damit wir gezielte Förderanreize setzen können. Außerdem wollen wir das Bauen mit nachwachsenden und regionalen Rohstoffen wie Holz voranbringen“, so die Ministerin.

Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lützkendorf vom Karlsruher Institut für Technologie, Lehrstuhl Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus, hob den Unterschied der Begrifflichkeiten „Kreislaufwirtschaft“ (die Schonung der Ressourcen im Sinne von Sparsamkeit) und „Kreislauffähigkeit“ (die Möglichkeit der Dauerverwendung der Baustoffe) hervor. Zudem gab er einen Überblick über folgende Nachhaltigkeitssiegel:

  1. Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude“ des Bundes (QNG)
  2. EU-Taxonomie (am Finanzmarkt)
  3. Produktdeklaration (EPD: Environmental Product Declaration)
  4. Leitfaden Nachhaltiges Bauen des Bundes
  5. Ökobaudat des BBSR
  6. eLCA, ein Online-Ökobilanztool für den Verwaltungsbau
  7. Hausakte als dauerhafte Objektdokumentation
  8. Rückbau-Audit

Gleichzeitig ging er der Frage nach, was diese Nachhaltigkeitssiegel bei der Bauplanung bewirken können.

Prof. Dr.-Ing. Architektin Anja Rosen von der Bergischen Universität Wuppertal, Lehrstuhl Baukonstruktion / Entwurf / Materialkunde, zeigte auf, was durch Recycling, Upcycling und Re-Use möglich ist. Sie stellte den „Urban Mining Index“ vor, eine Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufpotentiale von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. Eingehende Materialien und alle daraus entstehenden Wert- und Abfallstoffe werden berechnet und in Qualitätsstufen ihrer Nachnutzung bewertet. Die so entstehende „urbane Mine“ bietet aus abgebrochenem Material völlig neues Material und wirkt so zunehmender Ressourcenverknappung und Umweltbelastung entgegen.

„Weg vom Preis – Was kann bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Klima und Nachhaltigkeit getan werden?“ war der Vortrag von RA Prof. v. Wietersheim überschrieben. Unter anderem verwies er auf diese bereits bestehende Nachhaltigkeitskriterien in der Vergabe:

  • § 97 Abs. 1 GW (Aufforderung an öffentliche Auftraggeber, Nachhaltigkeit zu berücksichtigen)
  • § 31 Abs. 3 VgV (öffentliche Auftraggeber dürfen das Herstellungsverfahren der Leistung verlangen)
  • § 127 Abs. 1 GWB (in den Begriff der Wirtschaftlichkeit eingeschlossen sind qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte)

Prof. v. Wietersheim betonte: Ein Zuschlag in der Vergabe lässt sich schon jetzt mit Prozessen der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung (oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung) beziehen.

Umfassende Einblicke in Mantelverordnung und Ersatzbaustoffverordnung gab schließlich Katrin Mees, Abteilungsleiterin Nachhaltiges Bauen und Umwelt im Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zu den Vorträgen sowie viele weitere Impressionen finden Sie auf unserer Themenseite. Informationen zum Urban Mining Index sind zu finden unter https://urban-mining-index.de/.

veröffentlicht am 06.12.2022 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Fortbildungen, Berufspolitik / Kammerarbeit

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken