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Prof. Dr.-Ing. Gerd Zimmermann: Orte mit Charakter

Grußwort anlässlich der Preisverleihung zum Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" 2006

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Prof. Juckenack,
sehr geehrter Frau Präsidentin, liebe Frau Prof. Schipanski,
sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlamentes, des Deutschen Bundestages, des Thüringer Landtages,
sehr geehrte Landräte, Bürgermeister, Ortsbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder der Jury,
liebe Bürgerinnen und Bürger aus den 17 teilnehmenden Orten im Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft",

Der diesjährige Wettbewerb stand unter dem Vorzeichen einer sich verändernden demografischen Situation im ländlichen Raum mit gleichzeitig stattfindenden Schrumpfungs- und Wachstumsprozessen. Es bedarf daher einer Neubetrachtung der Beziehung von Stadt und Land. Die Nutzung von Stadtkultur und Urbanität durch die Landbevölkerung wie umgekehrt die Nutzung des Landes durch die Städter sind Fragen, die vor dem Hintergrund der Neuausrichtung der Agrarpolitik der Europäischen Union, des Bundes und des Freistaates an Bedeutung gewinnen und in neuem Lichte erscheinen. Im Vordergrund stehen dabei natürlich die Lebensbedingungen für die Menschen, die Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Entwicklung und der Einsatz von Wissen und Talent der Bevölkerung. Dabei sollte besonders der Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem im Landeswettbewerb betrachtet werden.

Die Ergebnisse der Jurybereisung durch die 17 Orte in Thüringen zeigen, dass besonders jene Gemeinden gewürdigt werden sollen, die Unverwechselbares, Einzigartiges im Sinne eines Alleinstellungsmerkmales vorweisen, die wirklich ein Gemeinwesen bilden, mit hohem sozialem Engagement und einer Integration der Generationen. Gerade dies belegt die Zukunftsfähigkeit eines Ortes in besonderer Weise.

Natürlich zeigte die Bereisung auch, dass hervorragende Ergebnisse in der baulichen Gestaltung des traditionellen Dorfbildes vorzuweisen sind, also Fachwerk, Schiefer, das gesamte Inventar der ländlichen Baugeschichte. Dass auch die Denkmalpflege, die Sanierung und Nutzbarmachung von Denkmalen hohe Priorität im ländlichen Raum besitzt, versteht sich in Thüringen fast ohne mahnende Worte. Vermisst allerdings wird der gute Umgang mit zeitgemäßer Architektur, der Gebrauch moderner Mittel, sei es Glas oder Stahl vor allem aber auch ein moderner Holzbau. Auch im öffentlichen Raum dominiert das zweifellos schöne, tradierte Bild von Dorfanger und Dagegen ist nichts einzuwenden, wenngleich eben doch moderne Versuche hier fehlen, z.B. neue Kunst im öffentlichen Raum.

Dies zusammengenommen bestärkt die Tendenz, dass sich die Sehnsucht vor allem der Jugend nach zeitgemäßem Wohnen erneut auf die Stadt richtet und so der Prozess der Landflucht beschleunigt wird. Hier dürfen es die Handelnden im Ort nicht mit der Einbindung in einen Verein oder der Ausstattung des Jugendraumes mit den ausrangierten Möbeln der Eltern bewenden lassen. Das Recht auf Selbsterfahrung der Jugend schließt auch das Recht auf Selbstbestimmung mit ein.

Auch im Hinblick auf die Nutzung von erneuerbaren Energien oder nachwachsenden Rohstoffen wie Holz sind viele Orte noch im Dornröschenschlaf. Solarenergie, Photovoltaik, Erdwärmepumpen, Biomasse, Holzheizungen waren eher selten anzutreffen. Hier gilt es, die Bürgerinnen und Bürger verstärkt über die Möglichkeiten aufzuklären und die Nutzung innovativer Energietechnologien zu fördern. Diew Siegergemeinde Neckeroda trägt hier einen Vorbildcharakter.

Durchaus überraschend im Landeswettbewerb war zu sehen, welch großes gesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement in den Gemeinden quer durch alle Altersstufen anzutreffen ist. Es zeigte sich hier eine erstaunliche Vielfalt an Vereinen und Vereinsleben, ob im Sport, beim Karneval, in der Kultur, in der Kunst, in der Landschaftspflege oder bei der baulichen Gestaltung bzw. dem Erhalt des Dorfbildes, einschließlich der Pflege der öffentlichen Räume und der privaten Gärten und Höfe. Hier widerspiegelt sich, dass Thüringen eine gelebte Kulturlandschaft ist mit einem im ländlichen Raum geprägten gesellschaftlichen Wertegefühl.

Der ländliche Raum hat zweifellos Zukunft, wenn das Zusammenleben in den Mittelpunkt gestellt wird, soziale Verantwortung generationsübergreifend wahrgenommen wird und für einen lebenswerten Ort gemeinsam die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Also braucht man Partnerschaften, Netzwerke, Synergien in der Nachbarschaft und in der Region. Dazu gehörten dann auch das Instrumentarium des Regionalmanagements neben systematisch übergeordneten Planungen, wie Flächennutzungspläne und integrierte regionale Entwicklungskonzepte.

Thüringen vermittelt das positive Leitbild einer dichten Kulturlandschaft. Dieses gilt es zu bewahren und nachhaltig mit den Bürgerinnen und Bürgern im ländlichen Raum in einer Ausgewogenheit zu den Kleinstädten, den Mittel- und Oberzentren zu gestalten. Stadt und Dorf bedingen einander und steigern sich wechselseitig zu einem ganzheitlichen Kulturraum.

Zu guter Letzt möchte ich dem Landwirtschaftsministerium für das Vertrauen in die Stiftung Baukultur als Geschäftsstelle des Wettbewerbs danken und versichere, dass die Stiftung auch bei kommenden Projekten gern ihre Unterstützung anbietet.

Prof. Dr.-Ing. Gerd Zimmermann
Präsident der Stiftung Baukultur

veröffentlicht am 28.08.2006 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): Ländlicher Raum, News, Stiftung Baukultur Thüringen

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