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Rede Hartmut Strube

Thüringer Architektentag 2001

Eröffnungsrede des Präsidenten Hartmut Strube

Sehr geehrte Frau Landtagsvizepräsidentin,
sehr geehrter Innenminister,
sehr geehrter Finanzminister,
sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
sehr geehrter Herr Dr. Priester,
sehr geehrte Preisträger und Bauherren,
sehr geehrte Gäste,
liebe Architektinnen und Architekten,
sehr geehrte Medienvertreter,
zu unserem Thüringer Architektentag 2001 und zur Verleihung des Thüringer Architekturpreises begrüße ich Sie im Namen der Thüringer Architekten auf das herzlichste.

Dieser aufgrund des vorangegangenen Deutschen Architektentages in Leipzig etwas bescheidener organisierte Thüringer Architektentag findet statt vor dem Hintergrund entsetzlicher weltpolitischer Ereignisse. Gebäude werden in beispielloser terroristischer Aggressivität ohne Rücksicht auf Menschenleben zerstört und auch die Gegenschläge zur Bekämpfung des Terrorismus sind zur Zeit mit der Bombardierung von Gebäuden verbunden.

Im Juli 2002 findet in Berlin der 21. Weltkongress der UIA, des Internationalen Architektenverbandes statt. Unter den Thesen zu Stadt und Gesellschaft wurde dort im Vorprogramm weit vor den dramatischen aktuellen Ereignissen formuliert:
"Der Dialog der Zivilisationen soll zeigen, dass der gegenwärtige Prozess der Globalisierung nicht nur ökonomische, finanzielle und technologische Faktoren meint, sondern zugleich weltweit die Grundlagen menschlicher Kulturen, die spirituellen Dimensionen der Gesellschaften und ihres Wandels- sowie deren Wechselwirkung betrifft."

Dieser Dialog ist einzufordern, auch wenn er noch so kompliziert scheint! Zur Globalisierung der Wirtschaft gehört auch unabdingbar die Globalisierung der moralischen Werte, die Definition von Recht und Unrecht im Zusammenleben aller Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen und weltweit akzeptierte Regelungen zur Durchsetzung dieser moralischen Werte.

Architekten bauen Häuser zum Leben, zum Wohnen und Arbeiten, zum Glücklichsein und nicht als Zielobjekt zur Zerstörung und wer die Slums dieser Welt gesehen hat und sehen will, weiß um die Größe und Kompliziertheit dieser Aufgabe für die Architekten der ganzen Welt.

Wir in Deutschland und damit auch wir Thüringer gehören sicher zu den privilegierten dieser Welt, Probleme haben wir natürlich auch, über die man reden muss und im Bauwesen sind diese Probleme zur Zeit sehr umfangreich.

Auf Initiative der Thüringer Architektenkammer wurde die Diskussion um die Situation der Bauwirtschaft einschließlich der Situation der Architekten in der Ebene der Bundesarchitektenkammer auf die Tagesordnung gesetzt. Vorangegangen waren umfangreiche Recherchen und Statistiken als Grundlage der Positionsbestimmung Wichtigstes Ergebnis war ein Positionspapier der Bundeskammerversammlung der deutschen Architekten zur Lage der Bauwirtschaft und der Architekten unter dem Oberbegriff "Von der Quantität zur Qualität". Darin sind Forderungen an Politik und Wirtschaft enthalten, die zur Bewältigung der Krise und des Strukturwandels dienen sollen. Es geht im wesentlichen um

  • Erhalt der öffentlichen Bausubstanz und Verstetigung der Baukultur
  • Gezielte regionale Förderung des Stadtumbaus
  • Stärkung der Denkmalschutzaufgabe des Staates
  • Verzicht auf die private Finanzierung öffentlicher Hochbauaufgaben
  • Bekräftigung des Grundsatzes der Trennung von Planung und Ausführung
  • Abbau der Fördernachteile des Planens im Bestand gegenüber dem Neubau
  • Stärkung der Verantwortung privater Bauherren
  • Verantwortliche Wahrnehmung der öffentlichen Bauherrenaufgabe

Diese Forderungen decken sich im wesentlichen mit den Positionen der Thüringer Architektenkammer. Nur zur privaten Finanzierung öffentlicher Hochbauaufgaben gab es in der Vergangenheit in Thüringen mit dem Finanzministerium akzeptable Regelungen, so dass wir uns dieser Forderung nicht so konsequent anschließen würden.

Das in Auflösung befindliche Bauwesen und mit ihm die Berufsgruppe der Architekten muss in Thüringen auf einem verträglichen Niveau stabilisiert werden. Wegsehen reicht nicht mehr. Zu sanieren gibt es noch genug und die Verbesserung der Infrastruktur verbunden mit einer Verbesserung der Qualität der Bausubstanz der Städte und Gemeinden muss weitergehen. Optimismus muss erzeugt und gehalten werden. Wegzug und Abriss kann nicht die Perspektive der neuen Bundesländer sein. Wir Architekten sind bereits, unsere Erfahrungen und unsere Kraft bei der Lösung der Probleme einzubringen. Selbstverständlich ist uns die finanzielle Situation des Landes, der Städte und Gemeinden bekannt. Um so wichtiger ist es, Transfermittel im Lande zu halten und so intelligent einzusetzen, dass eine Aktivierung privater Investitionen und damit eine Vervielfältigung der Bautätigkeit einsetzt. Wirtschaftlicher Aufschwung ist immer mit Bauen verbunden und dazu braucht man die qualifizierte Bauindustrie mit Architekten und Planern vor Ort.

Von der Quantität zur Qualität ist das Thema des Tages und unter Qualität verstehen wir zum einen das mängelfrei errichtete Gebäude ohne nachfolgendes TÜV-Mängelprotokoll. Gutachten und Richtsauseindersetzungen. Qualität muss über vollständige Planung, Bauüberwachung und qualifizierte Besetzung der Baustelle gesichert werden. Wer hier glaubt zu sparen, zahlt drauf. Mängelvermeidung und nicht Mängelvermeidung und nicht Mängelbeseitigung, sofern das überhaupt noch möglich ist, ist die wirtschaftliche Lösung. Architekten sind für ihre Arbeit hoch qualifiziert und werden mit Hilfe der Kammer weitergebildet. Ihr Wissen geht als Wert in das Gebäude ein und ist keine Handelsspanne. Ein Werkvertrag hat nur dann Sinn, wenn das vollständige Werk auch erstellt werden kann. Dazu gehört die vollständige Beauftragung des Architekten über aller Leistungsphasen im Interesse des Bauherren.

Selbstverständlich ist für Architekten Qualität natürlich auch Architekturqualität. Wir verleihen ja im Anschluss den Thüringer Architekturpreis für Wohnbauten 2001. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen beteiligten Architekten bedanken. Wir brauchen die über Wettbewerbe initiierte Öffentlichkeit gebaute Qualität. Architektur kann nur so gut sein, wie der Bauherr das zulässt. Viel lassen leider private Bauherren scheinbar nicht zu. Die meisten eingereichten Arbeiten waren die Häuser, die beteiligte Architekten für sich selbst gebaut haben oder bei denen sie öffentlichen Auftraggeber vertreten durch Architekten hatten. Wir haben in diesem Zusammenhang die Initiative Architektur gestartet und setzen auf die heranwachsende Generation.

Vor diesem Architektentag wurde ich im Rahmen eines Interviews gefragt, was es denn beim Wohnungsbau noch Auszeichnungswürdiges gäbe, Wohnen wäre doch eigentlich geklärt. Diese Meinung im Zeitalter der beginnenden Informationsgesellschaft, des Wandels von Arbeitsstrukturen und damit der Veränderung von Arbeiten und Wohnen, der Zeit von Energieeinsparverordnung, Sonnenkollektoren, Photovoltaik, Energie- und Passivhaus zeugt von dem Diskussionsbedarf und von der Notwendigkeit zur Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit. Genauso wichtig ist die Forderung an die Industrie, neue Bauprodukte und technische Anlagen den Architekten nicht historisierend verstärkt, sondern in einer hohen ästhetischen Qualität und Vielfalt zur Verfügung zu stellen, um neue Technik auch in zeitgemäße Architektur umsetzen zu können.

Zur Zeit befinden wir uns mit Vertretern des Finanzministeriums gerade in einer Diskussion um die Gründung einer Thüringer Stiftung Architektur und Baukultur und der Gründung eines Architekturzentrums. Herzlichen Dank im voraus an alle, die sich gemeinsam mit uns um Baukultur bemühen. Es gibt noch viel zu tun. Unser heutiger Festvortrag wird sich mit der Zukunft des Architektenberufes befassen. Überlegungen aus der Perspektive eines der renommiertesten Büros Deutschlands - man darf gespannt sein.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei der Landesbausparkasse Hessen-Thüringen, mit der wir seit 1993 zum sechsten Mal den Thüringer Architekturpreis gemeinsam auslobten und bei der Thüringer Fensterbaufirma Wertbau, Herrn Taig, für die freundliche Unterstützung zum Gelingen des Architektentages.

Ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf und würde mich freuen, wenn Sie im Anschluss daran unser Gast zum Empfang der Kammer sein können.

veröffentlicht am 19.10.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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