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Rede Prof. Dr. Gerd Zimmermann: Ausstellung "architekturmobil"

Vertretung des Freistaates Thüringen beim Bund, Berlin, 14.09.06

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
letzten Sonntag waren die Fans zu Tränen der Trauer gerührt, als Michael Schuhmacher, Weltmeister im Formel 1-Zirkus, seinen Rücktritt bekannt gab. Paul Virilio, Architekt und Philosoph, hatte vor Zeiten die Gesellschaften nach dem Kriterium der durch sie erreichten Geschwindigkeit typologisiert und auf dieser Grundlage seine „Dromologie“, die Lehre vom Weg entwickelt. Darin spricht er u.a. von der „Logik der Rennbahn“, will sagen, dass ein Vehikel, wenn es nicht mehr das schnellste Massenverkehrsmittel ist, auf der Rennbahn endet, also nur noch zum Spaß des Publikums rennt, läuft, fährt. So ging es dem Pferd, das nun vornehmlich auf Trab- und Galopprennbahnen sowie Springparcours läuft. Die Frage ist, ob das Auto schon der Logik der Rennbahn folgt, indem es gewöhnlich im Stau steht, aber im Formel 1-Zirkus Speed aufmacht. Sicher ist, dass die Speerspitzen der Mobilität heute der Formel-1-Rennwagen, der A 380 und der Hochgeschwindigkeitszug à la TGV, ICE, Transrapid sind. Und sicher ist, dass die globale Mobilität ein nie gekanntes Ausmaß erreicht hat. Wir müssten ja einiges noch hinzudenken, z.B. den Großtanker und das Containerschiff, welche einen extrem preiswerten globalen Massentransport ermöglichen.

Ernst Bloch hat einmal gesagt, dass die modernen Häuser aussähen, als wollten sie auf Reisen gehen. Le Corbusier hatte 1922 in seiner Programmschrift „Vers une Architecture“ die modernen Vehikel Flugzeug, Schiff und Automobil zu den paradigmatischen Modellen der Architektur gemacht. Und Paul Schultze-Naumburg hat genau diese Charakteristik moderner Architektur als „unfest“ und kosmopolitisch zum Angelpunkt seiner kulturkonservativen, teils rassistischen Kritik gemacht. In „Das Gesicht des deutschen Hauses“ etwa (der Titel sagt schon alles) setzt er die Verwurzelung und Bodenständigkeit der Architektur, das „deutsche“ Haus eben, gegen die Architektur des „international style“, 1929 eben repräsentiert z.B. durch Le Corbusiers Wohnhaus auf der Weißenhofsiedlung.

Hören wir mal Schultze-Naumburg, 1929: „Tritt man vor die heute oft so laut angepriesenen Häuser, so beschleicht einen allerdings die Vorstellung, dass sie irgendwo angefertigt und irgendwo durch einen Boten abgestellt wären und genau so gut auch irgendwo anders stehen könnten. Nirgends spricht etwas von der inneren Verwandtschaft mit der Erdoberfläche, dem Pflanzenwuchs, dem Himmel darüber und dem Blut bodenständiger Bewohner. Es sind wirklich stationäre Schlafwagen geworden, die man überall hinschieben könnte. Als nächste Schlussfolgerung wäre zu erwarten, daß sie gleich durch das fahrbare Haus ersetzt werden...“. Soweit das Zitat, dann spricht Schultze- Naumburg bezeichnenderweise von dem „fahrenden Volk“, das keine Heimat kennt, und von den „Nomaden der Großstadt“.
Das, was Schultze-Naumburg hier verdammt, sind aber genau unsere Themen. Roland Barthes, französischer Semiologe, hat z.B. vom Auto als der „Kathedrale des 20. Jh.“ gesprochen. Keine Frage also. Mobilität ist nicht nur ein Zentralthema jedweder Moderne, sie ist auch ein Zentralthema der Architektur, ja, eine Herausforderung für unseren Begriff von Architektur.

Ich freue mich daher sehr über diese Ausstellung.

„Architekturmobil“ zeigt Arbeiten von Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar, die sich mit den Wechselphänomenen von Architektur und Mobilität heute auseinandersetzen. Betreut haben diese Arbeiten Prof. Bernd Rudolf, auch Dekan der Fakultät Architektur, und Anja Fröhlich. Ich bin, wie Sie verstehen werden doppelt angetan von dieser Ausstellung, zeigt sie doch einerseits den hohen Stand der Architekturausbildung an der Bauhaus-Universität Weimar und ist sie andererseits veranstaltet von der Stiftung Baukultur, für die ich hier auch spreche. Es ist die bislang einzige Stiftung Baukultur in Deutschland, vor vier Jahren in Thüringen gegründet und sehr aktiv. Weimar hat sich, dies möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, vor dem Hintergrund seiner großen kulturhistorischen Tradition, der Gründung und dem Wirken des Bauhauses in Weimar sowie der modernen Gegenwart der Bauhaus-Universität um den Sitz der nun kommenden Bundesstiftung Baukultur beworben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
das Dreiecksunternehmen mit Bauhaus-Universität, Stiftung Baukultur und der Landesvertretung Thüringen in Berlin ist eine sehr schöne Konstellation. Ich danke allen, die diese Ausstellung ermöglicht haben, den Studenten, Professoren, vor allem aber auch Ihnen Herr Dr. Frenzel, dass wir diesen guten Ort nutzen können und Ihnen allen danke ich, dass Sie gekommen sind.

veröffentlicht am 19.09.2006 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Stiftung Baukultur Thüringen

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