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Über die Verantwortung der Planer im Spannungsfeld von Rechtssprechung und gelebter Praxis

Rückblick auf den 3. Bauwirtschaftstag Thüringen

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Begrüßte im Namen des Veranstalters die Gäste: Bernd Schön, Gebietsleiter Bau der VHV Versicherungen, Bild: AKT

Ein facettenreiches Programm rund um das Thema Berufshaftpflicht und Versicherung bot der 3. Bauwirtschaftstag Thüringen für Architekten und Ingenieure am 13. Februar in Weimar-Legefeld.

Bernd Schön, Gebietsleiter Bau der VHV Versicherungen, hieß die rund einhundert Teilnehmer der Fachtagung im Namen des Veranstalters herzlich willkommen. In seiner Einführung warb er für die Zusammenarbeit zwischen Planern und Versicherungen, denn, so betonte er, nur der Gedankenaustausch mit Architekten und Ingenieuren sichere das passfähige Produkt.

Der erste Redner des Tages, Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Ulrich Mönnig, sprach nicht nur aus Sicht des  Präsidenten der Ingenieurkammer Thüringen zu den Gästen, sondern auch in seiner Profession als öffentlich bestellter Sachverständiger für Erd-, Grund- und Straßenbau. Einleitend gab er einen Überblick über die Risikobereiche, denen Planer unterliegen und für die ein Rechtsschutz zu schaffen ist. Aus seiner Sicht ergeben sich „Stolpersteine“ bei der Vertragsgestaltung, der Organisation, der Planung, der Leistungsabgrenzung und Definition von Teilleistungen, der Bauleitung, der Sanierung, bei nicht ausreichender Erfahrung sowie bei der Koordinierung von Sonderfachleuten. Die einzelnen Risikobereiche wurden mit Beispielen aus der Praxis untersetzt, die die umfangreiche Verantwortung der Planer verdeutlichten. Mönnig zitierte aus einer Studie, die ergab, dass sich Bauvorhaben am störanfälligsten erwiesen, wenn Planer lediglich bis zur Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) beauftragt wurden und danach die Planung zur Umsetzung an einen Generalunternehmer übergeben wurde. Den Abschluss seines Vortrags bildete die Vorgehensweise bei der Schadensanalyse bis hin zur
Schadensfeststellung.

Der Präsident der Architektenkammer Thüringen, Hartmut Strube, widmete sich dem Thema der Architekten- und Ingenieurhaftung aus der Sicht eines Planers. Er sensibilisierte für die sehr heterogene Interessenslage der am Bauprozess Beteiligten und zeigte auf, wie schnell bei der derzeitigen Vorgehensweise das Interesse des Bauherrn an einer fristgemäßen und mängelfreien Realisierung im vorgegebenen Kostenrahmen in den Hintergrund tritt. Als Hauptursache nannte er die gesamtschuldnerische Haftung (GSH). Die Rechtsposition des Bauherrn sei durch die GSH zwar unmittelbar gestärkt, gleichzeitig aber würde die Einleitung von Schadensprozessen gefördert, während die Beseitigung der Schäden sich dadurch meistens verzögere. Stattdessen entständen Prozesskosten, deren Zuordnung im Voraus unkalkulierbar sei. Strube betonte, dass es in den Leistungsphasen 8 (Bauüberwachung) und 9 (Objektbetreuung) zu den Pflichten der Planer gehöre, nach Feststellung der Mängel deren Beseitigung zu überwachen. Der angeklagte Architekt bzw. Ingenieur steht dem Bauherrn für die Abstellung der Mängel jedoch nicht mehr zur Verfügung, da die Berufshaftpflichtversicherung seine Vertretung übernimmt. Strube zog zum einen das Fazit, dass Qualität und Mängelfreiheit vorrangig in Zusammenarbeit mit den wertschöpfend am Bau Beteiligten entstehen müssen. Dafür seien z. B. die Vergabeprozesse zu qualifizieren; Qualitätsparameter sollten verstärkt Kriterien bei der Vergabe sein. Zum anderen stellte Strube fest, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen die planenden und bauüberwachenden Architekten und Ingenieure unangemessen benachteiligen. Sie seien Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Rechtsanwälte und Gutachter und selten wirklich im Interesse der Bauherren.

Das Haftungsmissverhältnis, das mit der GSH verbunden ist, wurde vom Bundesjustizministerium erkannt, auch der Baugerichtstag nahm das Thema auf die Agenda und die BAK arbeitet an Lösungsvorschlägen, dennoch ist eine kurzfristige Abschaffung der GSH nicht zu erwarten. Ein neues Versicherungsmodell steht in der Diskussion. Aus Sicht von Strube sollte es folgende Prämissen erfüllen: Die Versicherung muss eine vorhabenbezogene Pflichtversicherung sein; sie muss alle Planungs- und
Bauleistungen abdecken; sie ist von allen am Bau Beteiligten anteilig zur Auftragssumme zu finanzieren; sie beginnt mit dem Zeitpunkt der mängelfreien Abnahme; alle am Bau Beteiligten müssen bei der Auftragsvergabe die Versicherungsfähigkeit nachweisen – und schließlich: Die Versicherung muss die Berufshaftpflicht der Planer für das betroffene Bauvorhaben ersetzen.

Nach der Mittagspause wurde das Themenspektrum der Fachtagung erweitert: Gerry Wulf, Consultant aus Leipzig, stellte die betriebliche Altersvorsorge (bAV) als ein innovatives Modell zur Mitarbeiterbindung und Mitarbeitermotivation vor. Prof. Ingo Gabriel, Architekt aus Oldenburg, legte in seinem Vortrag „Sanieren oder Planieren … über den nachhaltigen Umgang mit vorhandenen Bausubstanzen“ unterhaltsam und provokant dar, dass es auch unter Berücksichtigung der grauen Energie häufig sinnvoller sein kann, Bestehendes abzureißen und neu zu bauen, statt zu sanieren.

gp/br

veröffentlicht am 15.02.2013 von Björn Radermacher · Rubrik(en): Fortbildungen, News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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