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Wohnen neu denken — oder einfach machen?

Komplexe Herausforderungen erfordern komplexe Antworten – und dies nicht nur von Architekten und Stadtplanern

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Mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zum ersten Wohnbauforum in die Weimarhalle, Bild: Stiftung Baukultur Thüringen, Katja Gehlfuß

Text: Dr. Ulrich Wieler, Ulla Schauber

Die Thüringer Plattform Wohndebatte – ein Projekt der Stiftung Baukultur Thüringen – hat am 25. November zum ersten Wohnbauforum unter dem Titel „Neues Wohnen denken“ eingeladen.

Die Ungeduld war ihm ins Gesicht geschrieben. Als gegen Ende des Wohnbauforums die abschließende Podiumsrunde zusammensaß, meldete sich ein Zuschauer aus dem Publikum und machte seiner inneren Unruhe Luft. Zum Denken über das Wohnen möge umgehend das Handeln folgen. Geredet werde viel, Probleme und Lösungsansätze seien seit Jahren bekannt, nun brauche es deren Umsetzung – und zwar jetzt. Im Podium, das aus den Referentinnen und Referenten des Tages sowie der IBA-Geschäftsführerin Dr. Marta Doehler-Behzadi und dem Präsidenten der Architektenkammer Thüringen Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt zusammengesetzt war, wurde der Einwurf offen aufgenommen. Die Plattform Wohndebatte sei ja gerade der Ort, um den im Planungs-, Bau- und Wohnungswesen tätigen Akteuren und Entscheidungsträgern als auch den Wohnenden selbst einen inhaltlichen Austragungsort zu geben und sie auf ihre Verantwortung und Handlungsoptionen anzusprechen.

Vielleicht war das eine der Schlüsselszenen des langen Wohnbauforum-Tages im Seminargebäude der Weimarhalle. Mehr Austausch all derer, die zum Thema „Wohnen“ in Thüringen aktiv sind, konnte man sich kaum wünschen. So setzte sich beim Wohnbauforum das Publikum aus über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern entsprechend bunt zusammen: Neben der großen Anzahl interessierter Architekten ist da zum einen der Wohnbaurat Thüringen, der sich aus Interessensverbänden, der Bauwirtschaft und verschiedenen Thüringer Innovationsträgern zusammensetzt. Zum anderen sind es Vertreter aus Landes- und Kommunalpolitik, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Wissenschaft bis hin zu engagierten Mitgliedern gemeinschaftlich orientierter Wohnprojekte. Diese Mischung aufrecht zu erhalten bzw. noch um Akteure aus dem Sozialwesen zu erweitern, wird die Aufgabe der weiteren Veranstaltungen der Plattform sein. Denn die Zukunftsfragen im Bereich Planen, Bauen und Wohnen sind nur ganzheitlich, inter- und transdisziplinär zu bearbeiten und zu lösen.

So ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum für alle bereitzustellen, einer Entmischung der Bevölkerung entgegenzuwirken, barrierefreie Wohn- und Lebensräume – nicht nur im physischen, sondern auch im sozialen Sinn – zu schaffen sowie den Flächen- und Ressourcenverbrauch zu stoppen. Die Diskrepanz zwischen den Wohn- und Lebensverhältnissen in urbanen und ländlichen Räumen Thüringens ist in erster Linie keine Frage der Objektplanung, sondern (infra-)struktureller Natur. Sie kann nur in der Fläche und gemeinsam mit Bund, Land, Kreisen und Kommunen gelöst werden. Das Einzelobjekt tritt hierbei in den Hintergrund.

Dennoch sind Pilotprojekte und Experimente auf Gebäude- und Quartiersebene – so auch der Tenor aller Referenten und Mitdiskutanten des Wohnbauforums – notwendig, um Erfahrungen zu sammeln und Veränderungsprozesse anzustoßen. Hier stehen Architekten und Stadtplaner in der Verantwortung, kreative und zukunftsfähige räumliche und soziale Konzepte zu entwickeln – jeweils angepasst an die lokalspezifischen Rahmenbedingungen und im Dialog mit allen Beteiligten, aber auch mit Sozialwissenschaftlern.

Das Wohnbauforum zielte darauf ab, mit Projektbeispielen sowie mit teils radikalen Forderungen in die Diskussion einzusteigen. Der Tag teilte sich in drei Themengruppen, die in einem Rundumblick das Wohnen auf seine sozial-gesellschaftlichen, seine ökologisch-komplexen und technisch-digitalen Dimensionen ausleuchten wollten. Die Kombination der Referentinnen und Referenten aus den Akteursfeldern Wohnungswirtschaft, Planungswesen und Wissenschaft sorgte dafür, dass nach den Referatsblöcken ein Dialog eintrat, der sich über die Nachgespräche zu einer nachvollziehbaren Diskussionslinie über den Tag verfestigte. Wie windungsreich diese Diskussion sich durch das Thema bewegte, zeigen die einzelnen Beiträge, die in Kürze auf der Website der Stiftung Baukultur Thüringen unter www.wohndebatte-thueringen.de in Bild und Ton gesehen, gehört und nachgelesen werden können.

Was konnte das Wohnbauforum als erster öffentlicher Termin erfüllen und vor allem, was hat das mit Thüringen zu tun? Diese Fragen standen im Raum, als die zu Anfang erwähnte Runde schließlich auf dem Podium saß. Erwartet werde nicht so sehr die Vision eines Wohnens von morgen, schon gar nicht als technisierte Utopie. So wurde diskutiert, ob und wie die Fehlentwicklungen der letzten 100 Jahre revidiert, Diskrepanzen zwischen Wohnungsdruck in der Stadt und Leerstand auf dem Land ausbalanciert und Konkurrenzkämpfe überwunden werden können. Wohntrends und neue Wohnkonzepte unter dem Vorzeichen „kleiner, flexibler, gemeinschaftlicher“ wurden von den Mitdiskutanten als ein Motor neuer Wohnformen gesehen – auf dem Land und in der Stadt!

Die Debatte hat begonnen und geht weiter. In 2020 wird die Stiftung Baukultur Thüringen eine Reihe von Gelegenheiten zum Austausch in Werkstätten, Tagungen und Publikationen schaffen.

Weitere Informationen:
www.wohndebatte-thueringen.de

veröffentlicht am 06.12.2019 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Stiftung Baukultur Thüringen

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