Architekturpreis geht an geskes.hack für die Nördliche Geraaue in Erfurt sowie an Karsten Merkel und Osterwold-Schmidt für die Kirchenburg Walldorf
Pressemitteilung 09.06.2022
Zwei Preisträger und drei Anerkennungen beim Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022
Die Nördliche Geraaue in Erfurt vom Büro geskes.hack sowie die wiederaufgebaute Kirchenburg Walldorf der Architekten Karsten Merkel und Osterwold-Schmidt erhalten den Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022. Das gab die Architektenkammer anlässlich der Preisverleihung am 9. Juni im Erfurter Angermuseum bekannt. Mit dem Preis, der seit 2005 ausgelobt wird, zeichnet die Kammer beispielhafte Architektur im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tag der Architektur“ aus. Unter Vorsitz von Sonja Rossa-Banthien kürte die Jury unter 158 teilnehmenden Objekten aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 neben den beiden Preisträgern auch drei Anerkennungen.
Je eine Anerkennung geht an Hauschild Jugel Architekten für das Altstadtquartier am Georgsturm in Erfurt, an Z·Architektur für ein Strohballenhaus in Weimar-Ehringsdorf, sowie an das Team aus MONO Architekten, Planorama Landschaftsarchitektur und MUS für die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel.
Die Nördliche Geraaue in Erfurt beantworte laut Urteil der Jury auf vorbildliche Weise die aktuelle Aufgabenstellung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. „Durch den über 60 Hektar großen Grünzug werden die benachbarten Wohnquartiere im bevölkerungsreichen Norden miteinander verknüpft und erfahren so eine dauerhafte Aufwertung“, heißt es in der Beurteilung. Der verbindende Flussraum werde dabei zum prägenden Landschaftselement.
Die wiederaufgebaute Kirchenburg in Walldorf überzeugte die Jury insbesondere mit ihrem konzeptionell neu gedachten Innenraum. Die durch den Brand im Jahr 2012 offengelegten Spuren der etlichen Überformungen und Umbauten wurden bewusst sichtbar gemacht. Es sei ein spielerischer und leichter Raum entstanden, nicht mahnend und Respekt einflößend, so die Jurybegründung. Dieser sei „hell und bunt, einfach, aber detailreich, neu, aber voller Geschichte“.
Preisträger
- Nördliche Geraaue Erfurt
Planungsbüro: geskes.hack Landschaftsarchitekten GmbH, Berlin
Bauherr: Landeshauptstadt Erfurt
(Teilnahme Tag der Architektur 2022)
- Kirchenburg Walldorf (Wiederaufbau / Innenraumgestaltung)
Planungsbüros: Freier Architekt BDA Dipl.-Ing. Karsten Merkel, Meiningen; Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB, Weimar
Bauherr: Evangelische Kirchengemeinde Walldorf, Meiningen
(Teilnahme Tag der Architektur 2021)
Anerkennungen
- Altstadtquartier am Georgsturm Erfurt
Planungsbüro: Hauschild Jugel Architekten PartG mbB, Erfurt
Bauherr: Gemeinnütziges Siedlungswerk GmbH, Frankfurt am Main
(Teilnahme Tag der Architektur 2021)
- Strohballenhaus Weimar
Planungsbüro: Z· Architektur GbR, Weimar
Bauherr: Familie Hoppe und Familie Schenker-Primus, Weimar
(Teilnahme Tag der Architektur 2022)
- Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel
Planungsbüros: MONO Architekten, Planorama Landschaftsarchitektur, MUS (alle Berlin)
Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Die Autobahn GmbH des Bundes, diese vertreten durch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), in Kooperation mit der IBA Thüringen; Shell Deutschland GmbH
(Teilnahme Tag der Architektur 2021)
Zum Preis
Der Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen zielt weniger auf die Größe oder den gesellschaftlichen Rang der Projekte ab. Gesucht sind vielmehr Beispiele, die durch ihre funktionelle, formale oder technische Lösung überraschen, die originell sind oder verblüffend einfach, die auf besondere Weise auffallen oder eher bescheiden sind – Bauten, die vielleicht kompromisslos innovativ sind oder auf erfrischende Art Traditionsbewusstsein und Moderne miteinander verbinden. Der Preis soll die Vielseitigkeit alltäglicher Architekturaufgaben hervorheben. Das heißt, die Vorhaben ins Blickfeld zu rücken, die für das allgemeine Qualitätsniveau der Architektur und damit der Baukultur in Thüringen mindestens so wichtig sind wie die großen, spektakulären Projekte.
Mitglieder der Jury im Jahr 2022 waren:
• Frank Emrich, Verbandsdirektor Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Erfurt
• Alexander Krippstädt, Innenarchitekt, Dresden
• Sonja Rossa-Banthien, Garten- und Land¬schaftsarchitektin, Dresden (Vorsitzende)
• Birgit Schindler, Redakteurin Mitteldeutscher Rundfunk, Erfurt
• Thomas Wittenberg, Architekt, Vizepräsident Architektenkammer Thüringen, Weimar
Vollständige Jury-Beurteilungen
Preisträger: Nördliche Geraaue Erfurt
Planungsbüro: geskes.hack Landschaftsarchitekten GmbH, Berlin
Bauherr: Landeshauptstadt Erfurt
Die Gestaltung „Nördliche Geraaue“ in Erfurt beantwortet auf vorbildliche Weise die aktuelle Aufgabenstellung einer nachhaltigen Stadtentwicklung: durch die Schaffung zusammenhängender Grünräume mit niederschwelligen Aufenthaltsangeboten, einem facettenreichen Landschaftserleben und einem alternativen Verkehrswegenetz mit barrierefreien Rad- und Fußwegverbindungen. Mit der Ausrichtung der Bundesgartenschau 2021 eröffnete sich für die Stadt Erfurt die Möglichkeit, vorhandene Freianlagen entlang der Gera zu qualifizieren, den Fluss wieder sichtbar zu machen und als attraktiven zusammenhängenden Grünzug mit vielfältigen Erholungsbereichen zu entwickeln. Durch den über 60 Hektar großen Grünzug werden die benachbarten Wohnquartiere im bevölkerungsreichen Norden miteinander verknüpft und erfahren so eine dauerhafte Aufwertung. Siedlungsnah ziehen sich an der höhergelegenen Hangkante urban gestaltete Promenaden, Terrassen und fantasievolle Spielplätze. Zum Fluss hin gestalten sich landschaftliche Bereiche mit weiten Wiesenflächen und Gehölzgruppen. So wird der verbindende Flussraum zum prägenden Landschaftselement, dem unverwechselbare einzelne Orte, wie das grüne Amphitheater, dessen skulpturale Terrassenschwünge ans Ufer führen, angelagert sind. Die dabei eingesetzten Materialien versprechen durch ihre robuste, alltagstaugliche und unaufgeregte Gestaltung eine Dauerhaftigkeit, die der starken Nutzung standhält. Die Nördliche Geraaue gibt den Bewohnerinnen und Bewohnern des Erfurter Nordens einen neuen, markanten Ort der Identifikation.
Preisträger: Kirchenburg Walldorf
Planungsbüros: Freier Architekt BDA Dipl.-Ing. Karsten Merkel, Meiningen; Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB, Weimar
Bauherr: Evangelische Kirchengemeinde Walldorf, Meiningen
Die Kirchenburg Walldorf wurde 2012 durch einen Brand bis auf ihre Außenmauern zerstört. Damit wurde auch die Gestalt des Innenraums genommen, der bis auf das 16. Jahrhundert zurückging. Der Entschluss zum Wiederaufbau wurde schnell gefasst, Pfarrer Berlepsch: „Als Christen glauben wir nicht an Zufälle. Allerdings glauben wir auch nicht, dass dieser katastrophalen Vernichtung von einmalig gewachsenem Kulturgut ein höherer Sinn innewohnt. Umso mehr ist uns bewusst, dass wir dem Wiederaufbau unserer Kirchenburganlage einen nachhaltigen Sinn geben sollten.“ Und genau dies ist in außerordentlicher Weise gelungen. Das Gebäude wurde äußerlich rekonstruiert, das Wahrzeichen Walldorfs damit ortsbildprägend beibehalten, jedoch im Innenraum konzeptionell völlig neu gedacht. Die durch den Brand offengelegten Spuren der etlichen Überformungen und Umbauten der Kirchenburg wurden bewusst sichtbar gemacht, mal subtiler, mal deutlicher wie beispielsweise in der Fenstergestaltung, in den archäologischen Spuren der Fußbodenteilung, in der alten Form der neuen Kanzel, in den Konturen der Emporen im Deckenspiegel oder auch in den wiederverwendeten Brandbalken in Altar, Taufe und Pult. Es ist ein spielerischer und leichter Raum entstanden, nicht mahnend und Respekt einflößend. Er ist hell und bunt, einfach, aber detailreich, neu, aber voller Geschichte. Es ist bewundernswert, wie es den Beteiligten aus Kirche, Gemeinde, Architektur und Kunst gelungen ist, die zitierten Worte von Pfarrer Berlepsch mit Leben zu füllen.
Anerkennung: Altstadtquartier am Georgsturm Erfurt
Planungsbüro: Hauschild Jugel Architekten PartG mbB, Erfurt
Bauherr: Gemeinnütziges Siedlungswerk GmbH, Frankfurt am Main
In der historischen Altstadt von Erfurt eine Lücke zu schließen, ist keine einfache Aufgabe. Es unter Wahrung des städtebaulichen Gesamteindrucks zu tun, eigentlich eine Selbstverständlichkeit für ambitionierte Planer und Investoren, aber dennoch ganz sicher nicht trivial. Und dabei neben der Integration vorhandener romanischer Kellerbauten ein Quartier zu entwickeln, das den Vorstellungen und Bedarfen zeitgemäßen Wohnens gerecht wird, ist auszeichnungswürdig. Fast versteckt und doch besonders attraktiv finden sich die Hofhäuser im Quartiers-Innenraum. Sie runden eine kleine grüne Oase mitten in der Stadt ab und bilden die Kulisse für das gemeinsame Leben und Erleben im Quartier der kurzen Wege nach innen wie nach außen. Die gelungene Integration des Ensembles in das Stadtbild, die Einbindung historischer Substanz, die Qualität des Neuen und die Aussicht für die Bewohnerinnen und Bewohner, in einer lebendigen Stadt ein individuelles und lebenswertes Quartier miteinander teilen zu dürfen – all dies ist wertvoll und verdient unsere Anerkennung.
Anerkennung: Strohballenhaus Weimar
Planungsbüro: Z· Architektur GbR, Weimar
Bauherr: Familie Hoppe und Familie Schenker-Primus, Weimar
Der Neubau ist ein modernes Zweifamilienhaus, das regionales Bauen, Tradition und Nachhaltigkeit mit einer einfachen Formensprache auf hohem Niveau neu interpretiert. Aus den regionalen, nachhaltigen und ökologischen Materialien Stroh, Lehm, Kalk und Holz sowie aus Recyclingbaustoffen entsteht eine zukunftsweisende Antwort auf Fragen, mit denen sich das Bauen aktuell konfrontiert sieht. Die Außenwände aus Strohballen schaffen eine hervorragende Wärmedämmung. Eine transparente Südfassade und eine Photovoltaikanlage sorgen für solare Gewinne, welche über Warmwasser-Puffer und massive innere Bauteile gespeichert werden und wesentlich zur jahreszeitlichen Temperierung beitragen. Auf komplizierte Technik kann verzichtet werden. Einfache energetische Konzepte ermöglichen es, Betriebskosten fast zu vermeiden. Das ortstypische Satteldach und Laubengänge greifen traditionelle Bauweisen auf und fügen sich mit ihrer Funktionalität für Erschließung und Witterungsschutz wie selbstverständlich ein. In diesem eindrucksvollen Lösungsansatz liegt die besondere Qualität als Vorbild für künftige Wohnbauten und sicherlich auch für andere Bauaufgaben. Gerade das ist es, wofür der Tag der Architektur auch steht: qualitätvolle Lösungen für alltägliche Architekturaufgaben aufzeigen und zum Nachahmen ermutigen.
Anerkennung: Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel
Planungsbüros: MONO Architekten, Planorama Landschaftsarchitektur, MUS (alle Berlin)
Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Die Autobahn GmbH des Bundes, diese vertreten durch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), in Kooperation mit der IBA Thüringen; Shell Deutschland GmbH
Tanken an Autobahnen ist oft ein funktionales Vorhaben, reduziert den Aufenthalt auf ein Minimum und bleibt selten im Gedächtnis. 2014 gab es den bundesweit ersten interdisziplinären Planungswettbewerb für Autobahnrastanlagen – für die Tank- und Rastanlage „Leubinger Fürstenhügel“. Der Siegerentwurf von 2014 wurde von allen Beteiligten umgesetzt. Entstanden ist ein ganzheitliches Bauwerk, bei dem sich Hochbauarchitektur, Landschaftsarchitektur und Kommunikationsdesign bedingen und ergänzen. Nicht die einzelne Funktion steht im Mittelpunkt, sondern die Verbindung zwischen Mobilität, Tourismus und Versorgung. Der Baukörper passt sich in den landschaftlichen Kontext ein, nimmt den Bezug zum Grabhügel aus der frühen Bronzezeit auf und bietet in einem Gastraum mit Loungecharakter eine hohe Aufenthaltsqualität für Ruhesuchende. Eine Ausstellung informiert über den Fürstenhügel und leitet Interessierte direkt auf einem historischen Pfad zum archäologischen Highlight, das dadurch eine enorme Aufwertung erfährt. Wer nicht laufen will, kann die touristische Sehenswürdigkeit durch einen verglasten Giebel erleben. Die Jury bewertet vor allem das Zusammenspiel der Disziplinen, das zu einem innovativen und attraktiven, zeitgenössischen und kulturgeschichtlichen sowie modellhaften Dienstleistungsstandort führte.
Informationen zum Tag der Architektur:
www.architekten-thueringen.de/tda/
Preisträger Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Nördliche Geraaue Erfurt
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Preisträger Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Kirchenburg Walldorf (Wiederaufbau/Innenraum)
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Anerkennung Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Altstadtquartier am Georgsturm Erfurt
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Anerkennung Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Strohballenhaus Weimar
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Anerkennung Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel
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Termine
Nachrichten
- Architekturpreis 2022: Impressionen der Preisverleihung (vom 15.06.2022)
- Tag der Architektur 2022: 54 neue und modernisierte Bauwerke in ganz Thüringen entdecken (vom 10.06.2022)
- Tag der Architektur 2022: Mehr als 50 Objekte eingereicht (vom 30.03.2022)
Projekte im Architekturführer
- Nördliche Geraaue Erfurt
- Wehrkirche Walldorf: Wiederaufbau nach Brand, Meiningen
- Innenraum Kirchenburg Walldorf
- Neubau Altstadtquartier am Georgsturm, Erfurt
- Stroh zu Gold - Lastabtragendes Strohballenhaus , Weimar
- Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel, Sömmerda
Kontakt
Dipl.-Kulturwiss. (Medien) Björn RadermacherTelefon: (0361) 210 5020
radermacher@architekten-thueringen.de