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China–Report/ II

Teil II von Thomas Freytag, Architekt, Weimar, P.A.D.

XV, 17. Konfuzius sprach: Die den ganzen Tag mit anderen zusammenhocken, verantwortungslos reden und Dummheiten aushecken - mit solchen Leuten hat mans schwer.

Auch wenn es jetzt für einige Leser eher unangenehm wird, an dieser Stelle sind Bemerkungen über die chinesische Sprache erforderlich! Wir sind nämlich so sehr in unserem indoeuropäischen Kulturkreis verwurzelt, dass wir uns etwas grundsätzlich anderes nicht mehr vorstellen können. Chinesisch ist grundsätzlich anders! Chinesisch ist die Erfüllung eines alten Schultraums: Keine Grammatik - jedenfalls keine, die es, aus der Schülerperspektive betrachtet, wert wäre, eine solche genannt zu werden. Wörter bleiben unverändert, demzufolge gibt es auch keine Mehrzahl , keine Zeitformen von Verben und anderen Schulhorror ... Das scheint erfreulich und einfach, wäre da nicht die Schrift - ungefähr dreitausend Zeichen müssen (mindestens) beherrscht werden, um eine Zeitung zu lesen, wären da nicht die Sinn verändernden Betonungen, die vielen zwar gleich klingenden, aber doch völlig unterschiedliche Sachverhalte ausdrückenden Silben ... Quellen für geradezu bizarre Missverständnisse! Der berühmt - berüchtigte Satz "Ma ma ma ma ma" - kann bei entsprechender Betonung beschimpft die pockennarbige Mutter das Pferd bedeuten oder aber in anderen Fällen bloß purer Nonsens! Gerade das Fehlen unserer komplizierten grammatischen Strukturen erweist sich als Schwierigkeit.

"Wo fujin" kann ebenso gut "ich bin Vater" wie "mein Vater" bedeuten, was noch zur Kategorie elementare Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten zählt. Schwieriger sind Sätze wie "Ich Familie wollen ein Stück Tanzparty du kommen?" oder "Aus Unterricht danach wieder sehen. (In einer auflagenstarken, deutschen Tageszeitung wurde dem erstaunten Leser am 6. Februar mitgeteilt: "Glückwunsch, Dieter, ich schenk dir mich!" - aber das ist weder Trost, noch Indiz, dass sich Deutsch langsam dem Chinesischen nähert!) Der deutsche Satz (aus einem Wettbewerbsprotokoll) "Die angebotene Lösung für die Unterbringung von Gewerbe und Wohnen (...) erfolgt an geeigneter Stelle, jedoch in unangemessener Dichte und Struktur." - würde möglicherweise in der Form "Gewerbe und Wohnen sind am richtigen Ort, aber zu dicht." Überleben.

Mit anderen Worten, wir sind zu weitschweifig, vornehm: zu redundant! Architekten verstehen, in der Regel, etwas von Klarheit architektonischer Formen, nicht immer jedoch von Klarheit und Prägnanz der Sprache, was uns, im Verhandlungsfall mit chinesischen Partnern, erheblich in Bedrängnis bringen kann. Wir reden zwanzig Minuten daher, sind stolz auf die komplizierte Sprachgeburt und der Dolmetscher braucht gerade mal dreißig Sekunden, um alles zu übersetzen. Oder schlimmer: Er übersetzt den Inhalt unserer Botschaft in dreißig Sekunden und um nicht aufzufallen, wird die Zeitdifferenz mit ebenso eigenen wie eigenwilligen Interpretationen ausgeschmückt, was allerdings (siehe oben) wiederum nur Mutmaßung und Arbeitshypothese ist!
Manche für uns irrational erscheinende Verhaltensmuster sind schlichter Kommunikationsfrust. Das kann je nach Sachlage lustig, ärgerlich oder peinlich sein und durchaus auch zu Konflikten führen. Es ist aus diesen Gründen unerlässlich fachkompetente Dolmetscher und übersetzen "an Bord zu haben", die in beiden Sprachen "zu hause sind".

Worüber sollen wir uns nun eigentlich verständigen?
Natürlich zuerst über die Form der Zusammenarbeit - Grundsätzlich gibt es zwei Varianten: Die Gründung eines chinesisch - deutschen Jointventures, was einerseits steuerliche Vorteile hat, andererseits aber mit beträchtlichem bürokratischen Hürdenlauf verbunden ist. Dann kann man natürlich Projekt bezogene Arbeitsgemeinschaften bilden, was einfacher ist, aber wo man nicht so genau weiß, wie das Honorar auf das deutsche Konto bei der Stadt- und Kreissparkasse kommt. Und das ist natürlich das zweitwichtigste Thema der Zusammenarbeit: Die Honorierung! Die Grundfrage lautet, kann man den überhaupt in China Geld verdienen? Die Antwort lautet JA, aber man sollte sich vor übertriebenen Erwartungen hüten. Architektur ist mit Sicherheit nicht das Fachgebiet, wo man es zu Schwindel erregenden Reichtum bringen kann! Honorare sind, wie hier, an Baukosten gekoppelt, die in China entsprechend niedriger sind, vor allem aufgrund der wesentlich niedrigeren Lohnkosten (von Lohnnebenkosten ganz zu schweigen!). Die Honorare teilen sich in etwa folgendermaßen auf: 40 bis 45% für Architekten, 30% für Bauingenieure und 25 bis 30% für andere irgendwie am Bau Beteiligte. Es gibt eine deutliche Abstufung vom Wohnungsbau zur "Public Architecture", wo die Honorare drei- bis viermal höher sein können. Durchschnittlich und überschläglich kann man mit drei bis fünf Prozent der Bausumme kalkulieren, wobei nur die reinen Baukosten (also ohne unsere Kostengruppe 400) gemeint sind. Die tatsächliche Höhe der Baukosten wird nicht unbedingt in den Tageszeitungen veröffentlicht. Eine Besonderheit stellte das für unsere Verhältnisse etwas umständliche, oder anders formuliert gründliche, Genehmigungsverfahren dar, das sich nicht nur auf eine Phase konzentriert, sondern den Bau gewissermaßen von Anfang an begleitet. Gerade zu diesem Thema gäbe es viel mitzuteilen - grob kann man formulieren: Die riesigen Flächen und Kubaturen der, für unsere Verhältnisse ungewöhnlichen Aufgaben kompensieren die grundsätzlich niedrigere Gewinnerwartung.
Wäre dieses Thema Schwerpunkt dieses Berichts, hätte man ihn gut auch "GZSZ", also "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" nennen können. Zu den positiven Umständen gehört folgender Aspekt: Es gibt in China eine schöne Sitte, die es früher- glaubt man den Legenden und Berichten unserer Vorväter - auch in Deutschland gegeben haben soll: Nach Vertragsabschluß wird bereits 20% des Honorars gezahlt, weitere Zahlungen folgen, noch vor Abschluss des Verfahrens.

Die Gebäude selbst sind technisch - technologisch vergleichsweise anspruchslos; außerhalb der Metropolen wird auf Dämmung nicht allzu viel Wert gelegt, die Energiekosten sind noch nicht wirklich wichtig, obwohl der Prozess des Umdenkens in vollem Gange ist. Es ist sicher nur noch eine Frage weniger Jahre (Monate?), bis die heute auch bei Hochhäusern noch übliche Einfachverglasung verschwindet (, die mit schlanken, eleganten Fassadenprofilen eine gewisse magische Anziehungskraft auf uns ausübt). Dieser letzte Satz würde dem chinesischen Übersetzer grandiose Schwierigkeiten bereiten!
Manchmal ist die Einfachheit auch etwas bedrückend und man wird an die Sätze von Rem Koolhaas erinnert: "Was Noah gefehlt hat, war Stahlbeton. Was der modernen Architektur fehlt, ist eine Sintflut."
Vieles, nicht nur baulich, ist in Bewegung. Wer Dynamik gesellschaftlicher Veränderung kennen lernen möchte - für uns Deutsche vielleicht ganz nützlich - sollte schon aus therapeutischen Gründen China besuchen. Natürlich hat eine solche Entwicklung nicht nur Vorteile; denn schon Konfuzius sagte: "Ein viereckiges Gefäß ohne vier Ecken - was für ein sonderbares viereckiges Gefäß ist das!" (VI, 25.)

Die Frage, was denn eigentlich die Chinesen von uns wollen, beziehungsweise erwarten ist damit immer noch nicht beantwortet. Das wird dem dritten und letzten Teil dieses Reports vorbehalten bleiben...

veröffentlicht am 25.03.2004 von Susann Weber · Rubrik(en): Export, Berufspraxis, News, Export

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