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Flächennutzungs- und Landschaftsplanung in Thüringen

Vortrag Heike Roos zur Initiative Architektur und Baukultur

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich bin freie Garten- und Landschaftsarchitektin aus Denstedt bei Weimar und möchte Sie heute in das Fallbeispiel der Stadt Saalfeld zur Integration der Landschaftsplanung (LP) in den Flächennutzungsplan (FNP) einführen. Ich habe vor, etwas zu sagen

  • zum Ort
  • zum Planungsverlauf LP und FNP 1992 bis 1998
  • zum Prozeß der Integration LP in FNP
  • zum Planungsverlauf FNP ab 1999
  • zu Schwierigkeiten bei der Integration des LP

Einführungen zum Ort


Ein Rundgang durch die Stadt Saalfeld, bei der man auch die historischen Bauwerke wie das Schloß, das Renaissance-Rathaus, die spätgotische Stadtkirche St. Johannis, die Gerdrudiskirche, die Burgruine "Hoher Schwarm" oder auch die Gaststätte "Loch" erfaßt, läßt die wechselvolle Geschichte dieser alten Stadt bereits erahnen.

Schaut man aus der Stadt auch etwas in die Umgebung oder betrachtet man während der Fahrt in die Stadt hinein oder aus ihr heraus auch die landschaftlichen Gegebenheiten, so werden auch in dieser Weise Wechsel wie Vielfalt deutlich.

Saalfeld am Ufer der Saale und am Fuße des Thüringer Gebirges gelegen ist Mittelpunkt und Schnittpunkt zugleich. Hier tritt nicht nur ein markanter Fluß aus dem Gebirge heraus - wobei das Wasser charakteristischer Nebenflüsse aufgenommen wird - hier stoßen ganz unterschiedliche Geländeformen und Gesteinsbereiche zusammen. Jede Betrachtung dieser Stadt wird diesen Zusammenhang zwischen Natur und Kultur, zwischen Geschichte und Gegenwart einbeziehen müssen. Jede Aussage über die weitere Entwicklung wird ohne ausreichende Berücksichtigung dieses natürlichen und historischen Potentials unvollständig bleiben.

Man wird die Attraktivität einer so alten Stadt mit einer so vielfältig ausgestatteten Umgebung wohl kaum erhalten und vergrößern können, wenn nicht in stärkerem Maße auch Aspekte des Natur- und Landschaftsschutzes Berücksichtigung finden. Das bedeutet aber nicht ausschließlich die Konservierung bestimmter Zustände, sondern vielmehr die zielorientierte Verknüpfung von Nutzung und Schutz und damit eine nach ökologischen Kriterien orientierte Landnutzung und Landschaftsgestaltung. Nur so werden die Lebensbedingungen für eine Vielfalt an Arten und damit der Bestand an Ökosystemen erhalten.

Saalfeld wird gemeinsam mit Rudolstadt und Bad Blankenburg regionalplanerisch eingestuft als Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums.

Saalfeld – das ist eine Fläche von etwa 45 km2 auf der fünf naturräumliche Einheiten aufeinandertreffen:
  • Mittleres Saaletal
  • westliches Schiefergebirge
  • östliches Thüringer Schiefergebirge
  • Orlasenke
  • Saale-Sandstein-Platte.
Innerhalb der Gemarkung sind ca. 400 Höhenmeter Unterschied zwischen dem Flußlauf der Saale und den Bergkuppen im Westen.

Saalfeld – das heißt auch eine Vielzahl von Schutzgebieten (Naturschutz, Denkmalschutz, Gewässerschutz).

Saalfeld – eine Stadt mit kompakter Bebauung im Talkessel an der Hauptader der Saale.

LP allgemein


Landschaftspläne allgemein sind kritische Bestandsaufnahmen der momentanen Situation von Natur, Landschaft und Umwelt in einer Kommune. Sie formulieren die Entwicklungsziele für die Bereiche Natur und Landschaft und liefern der Kommune konkrete Handlungsanweisungen, um den vorhandenen Zustand zu verbessern und negativen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Der Landschaftsplan stellt einen fachlichen Beitrag (Fachplan) zum Flächennutzungsplan dar. Gesetzliche Grundlagen bilden das Bundesnaturschutzgesetz und das ThürNatG.

In den letzten 10 Jahren fand in Thüringen wie in allen jungen Bundesländern innerhalb kürzester Zeit eine wirtschaftlich-strukturelle Entwicklung zu einem hochtechnisierten Land statt. Wichtigstes umweltpolitisches Instrument zur Steuerung dieses Prozesses auf kommunaler Ebene ist der Landschaftsplan.

Das übergeordnete Ziel der Landschaftsplanung ist die nachhaltige Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes. Daraus ergeben sich folgende Schwerpunkte:
  1. Landschaftsplanung ist sektorale Fachplanung
    • im Biotop- und Artenschutz,
    • in landschaftsbezogener Erholungsvorsorge,
    • zur Sicherung des biotischen Ertragspotentials,
    • zur Sicherung des Wasserdargebotes einschließlich einer höchstmöglichen Wasserqualität und
    • zur Sicherung von lokalen Klimaqualitäten.
  2. Landschaftsplanung liefert Beiträge zu anderen Fachplanungen im Sinne einer Beurteilung auf ihre Umweltverträglichkeit.
  3. Landschaftsplanung erfaßt und bewertet das Naturpotential, seine Leistungsfähigkeit, Eignung und seine Empfindlichkeit (Nutzungsfähigkeit und -grenzen).
  4. Schließlich setzt Landschaftsplanung Maßstäbe durch Festlegung räumlich konkreter Umweltqualitätsziele.

LP Saalfeld konkret


Die Stadt Saalfeld beschloß bereits 1992 die Aufstellung eines Landschaftsplanes für ihre Gemarkung. Die rechtliche Grundlage dazu wurde erst später durch das VorlThürNatG im Jahre 1993 geschaffen, womit die UNB klar als Träger der Landschaftsplanung definiert wurde.

Die Fachämter wie auch die politischen Entscheidungsträger der Stadt waren und sind sich der Sensibilität ihres Landschaftsraumes bewußt und dokumentierten dies durch die gleichzeitige Beauftragung der Landschafts- wie auch der Flächennutzungsplanung an zwei verschiedene Büros bereits im Jahre 1992.

Planungs- und Handlungsbedarf ergab sich vor allem aus der Notwendigkeit
  • der Erhaltung und Entwicklung von Erholungs- und Wohnumfeldqualitäten,
  • der Sicherung und Entwicklung von Lebensraumqualitäten besonders für geschützte Tier- und Pflanzenarten,
  • der nachhaltigen Sicherung der Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlich genutzten Flächen,
  • der Erhaltung nutzbarer Grundwasserqualitäten,
    der Wiederherstellung der Fließgewässer als biologisch aktiver
    Landschaftsbestandteil einschließlich ihres Selbstreinigungsvermögens sowie
  • zur umweltverträglichen Einordnung und Gestaltung von Wohnbebauung, gewerblich zu nutzenden Flächen und den beabsichtigten Ortsumgehungen.
Der eigentlichen Planungsphase gingen umfangreiche Ermittlungen der Planungsgrundlagen voraus. Diese waren damals äußerst mühsam und nicht immer in befriedigendem Umfang erfolgreich.

Der Vorentwurf zum Landschaftsplan lag 1994 vor.

Nach der Eingemeindung der Ortslagen Beulwitz, Aue am Berg, Crösten und Wöhlsdorf 1994 erfolgte die landschaftsplanerische Bearbeitung dieser Ortsteile im Rahmen einer durch die UNB separat an ein drittes Büro beauftragten Landschaftsplanung. Dieser LP wurde für den Raum Bad Blankenburg, Rudolstadt bis hin nach Zeutsch (Richtung Kahla) erstellt. Der Versuch der Stadt Saalfeld, die nunmehr eingemeindeten Ortsteile im Auftrag der UNB vom bisherigen Hauptverfasser des LP Saalfeld bearbeiten zu lassen, scheiterte. Der Wille der Stadt Saalfeld war es jedoch, ein Planwerk Landschaftsplan für ihre Gemarkung zu erhalten, worin die Betrachtung der neuen Ortsteile im Zusammenhang mit dem Stadtgefüge und nicht im großen Rahmen und im Kontext zu den Städten Bad Blankenburg und Rudolstadt enthalten sein sollte.

Nun hieß es für die Stadt Saalfeld WARTEN, warten auf die Ergebnisse des benachbarten Landschaftsplanes, der die eingemeindeten Teile ihrer Gemarkung mit bearbeitete. Im Jahre 1996 erfolgte eine inhaltliche Abstimmung zwischen der Stadt Saalfeld, der UNB und den beiden Planverfassern LP. 1997 stand das fertige Planwerk vom benachbarten LP zur Verfügung und es erfolgte die Überarbeitung des vorhandenen Vorentwurfes LP Stadt Saalfeld und eine Anarbeitung des für den Raum Rudolstadt / Bad Blankenburg vorliegenden Entwurfes zum Landschaftsplan für die Ortlagen Beulwitz, Aue am Berg, Crösten und Wöhlsdorf. Das Ergebnis war 1998 der Entwurf Landschaftsplan für die Gesamtstadt Saalfeld mit seinen Anlage- und Textkarten in einem Planwerk.

Anlaß für dieses komplexe Vorgehen war nicht zuletzt die Erarbeitung und Überarbeitung des Flächennutzungsplanes, dessen Schwerpunkt entsprechend den Vorstellungen der Stadt Saalfeld die vorrangige Entwicklung der Wohn- und Erholungsfunktionen bei gleichzeitig begrenzter Entwicklung der Gewerbefunktionen beinhaltet.

FNP Saalfeld konkret


Die Beauftragung erfolgte wie zum LP auch im Jahre 1992. Bereits 1993 lag der erste Vorentwurf zum FNP vor. Er definierte allgemeine Flächennutzungen, die topographischen und naturräumlichen Besonderheiten des Landschaftsraumes lassen sich kaum ablesen.

Nach einer ersten Trägerbeteiligung, der neuen Entwicklung durch die Eingemeindungen im Jahre 1994 und dem speziellen Verlauf der Bearbeitung der Landschaftsplanung für Teile der Gemarkung durch unterschiedliche Büros mit unterschiedlichen Auftraggebern bedingte auch eine weniger stark forcierte Bearbeitung des FNP.

Im Jahre 1998 wurde für die Gesamtstadt der überarbeitete FNP vorgestellt, der geringfügig differenziertere Aussagen als der Vorentwurf von 1993 enthielt.

Integration Saalfeld konkret


Die fortgeschrittenen Erfahrungen mit der Landschaftsplanung im Land Thüringen schlugen sich in der Richtlinie zur Integration des LP in den FNP nieder, die die Obere Naturschutzbehörde (ONB) - sprich das Landesverwaltungsamt (LvwA) - als Empfehlung den Unteren Naturschutzbehörden (UNB´s) übergab.

In einer gemeinsamen Beratung zwischen Stadt Saalfeld, FNP-Planer, UNB und mir als LP-Planer sollten die zu integrierenden Aussagen des LP Stand 1998 in den FNP festgelegt werden. Hier forderte die UNB die Darstellung aller Schutzgüter, die Übernahme wesentlicher Grünstrukturen, die Ausweisung vom Kompensationsräumen und vor allem die Attributierungen der land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Dies bedeutete für den FNP-Planer: die komplette Übernahme der Informationstiefe des LP in den FNP !!! Nach nochmaligem Studium der Integrationsrichtlinie durch den FNP-Planer sowie nach Erlangung des Überblickes über den damit verbundenen Arbeitsaufwand kam es zur Entrüstung, denn der FNP-Planer dachte bis dato, er sei so gut wie fertig!

Eine lockere Bemerkung meinerseits – zugegeben mit etwas jugendlichem Leichtsinn – brachte den Stein damals ins Rollen. Ich sagte: Wo liegt eigentlich der große Unterschied zwischen dem FNP und dem LP ? Der LP der Stadt Saalfeld hat in zwei Punkten gegensätzliche Aussagen zum FNP, dies betrifft ausschließlich Bergbauerweiterungsflächen, wo sich der LP bewußt über das Abbaurecht hinwegsetzt, um eine naturschutzfachlich klare und richtige Haltung zu beziehen und nicht zuletzt den Willen der Stadt zu dokumentieren. Und welchen Aufwand hätte ich, um aus meinen LP den FNP herzustellen? Dieser Aufwand würde sich auf die Umarbeitung der beiden Bergbauflächen sowie auf die Einzeichnung sämtlicher sozialer Symbole beschränken!

Diese von mir geäußerten Gedanken wurden von der Stadt aufgegriffen. Ihr wurde damit eine Möglichkeit aufgezeigt, mit geringem Aufwand den kompletten Inhalt des LP in den FNP zu übernehmen. Im Einvernehmen wurde 1998 der Vertrag mit den vorherigen FNP-Planer gelöst, 1999 wurde ich mit der Aufgabe der Fertigstellung des FNP für die Stadt Saalfeld betraut.

Klare Leistungsgrenzen begleiteten den Einstieg in die Tiefe des FNP – mein Aufgabenschwerpunkt lag bei der Herstellung und Bearbeitung der Pläne, das Stadtplanungsamt zeichnete hauptverantwortlich für die Überarbeitung des Textes, die Durchführung der Trägerbeteiligung, die Vorbereitung der Abwägung wie auch die Vorbereitung des Stadtratsbeschlusses.

Der FNP in seiner Vielfalt an Informationen wurde ergänzt durch Fachpläne, um eine Übersichtlichkeit zu gewährleisten.

Die Trägerbeteiligung hatte wenige Korrekturen im FNP und seinen Fachplänen zur Folge. Die Vorstellung des Planwerkes FNP als Ergebnis des langen Planungsprozesses seit 1992 führte im April 2001 in Stadtrat zum Beschluß, die Einreichung der kompletten Unterlagen zu Genehmigung steht unmittelbar bevor.

Schwierigkeiten bei der Integration


Bedingt aus der landschaftsräumlichen Situation der Stadt sind die Flächenanteile etwa je zu 1/3

Siedlung
Forstwirtschaft
Landwirtschaft (LW) .

Die Übernahme der kompletten Grünzüge und Attributierungen der Flächen führte insbesondere bei der Landwirtschaft zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem FNP. Durch die Einordnung von Grünzügen, der bewußten Gliederung der landwirtschaftlichen Großflächen und die Einschränkungen der Bodenbearbeitung innerhalb der Trinkwasserschutzzone (TWSZ) 2 sah sich die LW in ihrer Existenz elementar bedroht. Gleichzeitig erfolgte die bisherige Entwicklung von Bauflächen überwiegend auf LW-Flächen, damit verbunden war eine Reduzierung der Erwerbsflächen für die LW. All diese Schwierigkeiten und Grundhaltungen konnten in einem klärenden Gespräch für die unterschiedlichen Interessenlagen sensibilisieren – der vorliegende FNP stellt einen Konsenz dar.

Eine andere Schwierigkeit bei der Flächennutzungsplanung war die Einordnung der Umgehungsstraße Westtangente der B 281 Richtung Thüringer Wald, Neuhaus am Rennweg. Die Stadt Saalfeld versteht diese Trasse als Vorsorge - als Freihaltetrasse, auch als einzig mögliche und sinnvolle Linienführung, um das derzeitige Bundesstraßenkreuz der B 87 und B 281 stadtstruturell sinnvoll zu entflechten und landschaftsraumverträglich einzuordnen. Diese Freihaltetrasse, deren Realisierung als Westtangente noch nicht greifbar ist, stieß nicht in jedem Fall auf Verständnis der Bürger, hier spielten Privatinteressen herein.

Fazit


Ich möchte sagen, daß das Fallbeispiel Saalfeld die Integration des LP in den FNP beispielhaft vollzogen hat.

Ich halte es jedoch für unabdingbar, die landschaftsplanerisch noch nicht bearbeiteten Teile Thüringens mit der Systematik der Landschaftsplanung zu untersuchen und daraus Entwicklungsziele auch als Vorgabe für die FNP abzuleiten.

Der Prozeß der Integration der LP in den FNP ist eine Chance der Sicherung allgemein anerkannter städtebaulicher und landschaftsplanerischer Grundsätze, wie
  • Begrenzung der Landschaftszersiedlung
  • Behutsame Verdichtung im Innenbereich
  • Sicherung und Entwicklung der einzelnen Naturraumpoteniale
  • Festlegung von Entwicklungs- und Kompensationsschwerpunkten innerhalb der Gemarkung der Kommune.
Unser tägliches Handeln im Planungsalltag sollte von folgenden Worte des Philosophen Bernhard von Mutius begleitet werden:
  • Wahrnehmen, was entsteht,
  • bedenken, was geht,
  • gestalten, was trägt,
  • entwickeln, was lebt.
Vielen Dank!

veröffentlicht am 06.06.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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