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Grußwort MP Althaus zu "80 Jahre Vertreibung Bauhaus aus Weimar"

Grußwort des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus bei der Gedenkfeier „80 Jahre Vertreibung Bauhaus aus Weimar“ am 1. April 2005 in Weimar

Der Bauhäusler Ludwig Mies van der Rohe hat einmal gesagt: „Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten.“ Von Weimar aus haben die Bauhaus-Ideen die Welt erobert – Ideen, die bis heute stilbildend für Kunst, Architektur und Design sind. Vor 80 Jahren wurde das Bauhaus aus Weimar vertrieben. Das damalige Wahlergebnis zum Thüringer Landtag hatte das politische Schicksal des Bauhauses besiegelt.

Heute stellt sich die Frage: Sind die Bauhaus-Ideen für immer aus Weimar vertrieben worden oder haben wir die Kraft, diese Ideen wieder in dieser Stadt, in diesem Land wirken zu lassen? Ich denke, wir haben diese Kraft!

Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass in Weimar, ich denke zum Beispiel an das „neue bauen am horn“, die Bauhaus-Ideen wieder erfolgreich aufgegriffen worden sind. Oder die Universität: sie knüpft an die Bauhaus-Tradition schon durch ihren Namen an. Damit wird deutlich, dass die Bauhaus-Tradition lebendig ist – nicht nur museal, sondern vor allem zukunftsgerichtet.

Heute jähren sich zwei weitere bittere Daten: Vor 75 Jahren wurde die Staatliche Bauhochschule Weimar geschlossen und die Europäische Moderne aus dem Landesmuseum Weimar vertrieben. Und schon in wenigen Tagen, am 10. April 2005, erinnern wir an den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald – in einer zentralen Gedenkfeier für ganz Deutschland.

Die Frage, die wir heute beantworten müssen: Wie kann man das, was mit der Vertreibung des Bauhauses aus Weimar an Problemen, an Zerwürfnissen, an Perspektivlosigkeit entstanden ist, wieder aufgreifen, um der Idee eines „neuen“ Bauhauses in Weimar – eingereiht in die reiche Kultur- und Kunstlandschaft dieser Stadt und dieses Landes – den nötigen Raum zu geben?

Herr Seemann hat es deutlich gemacht: Noch etliche Fragen sind offen. Aber die Frage, ob wir dieser Idee Raum verschaffen und ob wir an die große Tradition anknüpfen wollen, die darf sich nicht stellen. Sondern die sollten wir aus Thüringer Sicht und aus Sicht dieser Stadt klar mit „Ja“ beantworten.

Wir haben damit die besondere Chance, Brücken zwischen Wissenschaft, Forschung, Lehre und Kunst und Kultur zu bauen. Wir haben auch die Chance, durch ein „neues“ Bauhaus unsere Bauindustrie zu beleben. Denn es steht außer Frage: Auch wenn sich die Baubranche derzeit in einer konjunkturell schwierigen Situation befindet, bleibt das Baugewerbe auch künftig ein ganz entscheidender Wirtschaftszweig. Und warum die Impulse nicht nutzen?

Inzwischen gibt es unterschiedliche Ideenskizzen, wie sich die Bauhaus-Idee künftig sinnvoll nutzen läßt. Ideen, die zu einem Konzept zusammengeführt und dann umgesetzt werden müssen. Am Ende ist es wichtiger, dass wir uns darüber einig sind, dass wir ein solches Konzept tatsächlich umsetzen wollen, als die Frage, ob das aufgrund finanzieller Engpässe kurzfristig machbar ist.

Die Entscheidung des Bauhauses vor 80 Jahren, Weimar zu verlassen, hatte einen einzigen Grund: Der Landtag hatte die Mittel für das Bauhaus gestrichen, so dass ein Bleiben unmöglich war. Eine derartige politische Entscheidung darf es nie wieder geben und es wird sie auch nicht geben. Wir wären von allen guten Geistern verlassen!

Wir müssen den heutigen Tag dazu nutzen, deutlich zu machen, dass wir dankbar sind, seit 1989/90 die Möglichkeit zu haben, an unsere baugeschichtlichen, künstlerischen und architektonischen Traditionen anknüpfen zu können. Wir sind stolz, dass die Bauhaus-Tradition in Weimar lebendig ist.

Im Programm des „Staatlichen Bauhauses“ ist der Auftrag klar benannt: „Das Bauhaus will Architekten, Maler und Bildhauer aller Grade je nach ihren Fähigkeiten zu tüchtigen Handwerkern oder selbstständig schaffenden Künstlern erziehen und eine Arbeitsgemeinschaft führender und werdender Werkkünstler gründen, die Bauwerke in ihrer Gesamtheit ... aus gleichgeartetem Geist heraus einheitlich zu gestalten weiß.“ Das ist, denke ich, ein Auftrag an uns alle: an die Wissenschaft, die Industrie, das Handwerk, die Kultur und an die Politik.

Deshalb ist es wichtig, dass wir in diesen Tagen darüber nachdenken, wie wir innerhalb der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, wie wir insgesamt in dieser Stadt den Bauhaus-Ideen weiter Raum geben können und was die Politik dazu leisten kann und muss. Heute ist es ganz klar: Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, von Architektur und künstlerischer Gestaltung, von Lehre und Forschung darf nicht wieder durch politische Beschlüsse in Frage gestellt werden. Dazu verpflichtet uns unsere Geschichte.

Freiheit und Demokratie, die wir 1989/90 gewonnen haben, geben uns klare Aufgaben, die sich aus der Geschichte heraus begründen. Die Aufgabe heißt: Immer wieder einen gemeinsamen Weg finden, keine notwendigen Entscheidungen scheuen, auch wenn vielleicht die Entscheidung von heute nicht schon morgen oder übermorgen eine konkrete Handlung möglich macht. Aber die Entscheidung für ein „neues“ Bauhaus muss gefällt werden, damit klar ist: In Thüringen, in Weimar fühlt man sich der großen Tradition verpflichtet. Und warum sollen wir nicht so etwas wie ein „neues“ Bauhaus weiterentwickeln, das von diesem Fundament getragen wird?

Deshalb danke ich all denen, die an diesen Ideen praktisch arbeiten und die diese Ideen entwickeln. Ich wünsche uns, dass wir gemeinsam die Kraft haben, diese Ideen auch umzusetzen, den Raum dazuzugeben, aber auch die Gestaltungsarbeit zu übernehmen.

Alles Gute und: Danke, dass Sie heute mit dabei sind, weil Sie damit deutlich machen, dass auch Sie diese Ideen weiterentwickeln wollen und den Raum für diese Ideen schaffen wollen.

veröffentlicht am 11.04.2005 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Stiftung Baukultur Thüringen

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