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Nutzungsperspektiven für Schloss Schwarzburg

Ergebnis des Ideenwettbewerbs im kooperativen Verfahren

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1. Preis: Schaubild Prinzip Ausstellung, Bild: Tectum Hille Kobelt Architekten BDA, Weimar

Trotz seines teils ruinösen Zustands prägt das Schloss Schwarzburg im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt weithin das Landschaftsbild des mittleren Schwarzatals. Die stattliche Schlossanlage aus dem 18. Jahrhundert soll als Attraktion entwickelt, als kulturelles Zentrum revitalisiert und zum touristischen Zentrum der Schwarzaregion werden. Aus diesem Grund hatte die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten einen Ideenwettbewerb für das Schloss ausgelobt. Aufgabe war es, unter Berücksichtigung und Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz ein inhaltlich und wirtschaftlich angemessenes Nutzungskonzept für das gesamte Schlossensemble zu erarbeiten. Gesucht waren Ideen, Vorschläge und Entwürfe für eine langfristige Nutzung, die unter Beachtung des historischen Kontextes eine zukünftige Entwicklung ermöglichen.

Neun Architekturbüros wurden zu dem Wettbewerb eingeladen. Den ersten Preis erhielt das Architekturbüro Tectum Hille Kobelt Architekten BDA, Weimar. Der zweite Preis ging an das Büro gildehaus.reich architekten BDA, Weimar, der dritte Preis an Rittmannsperger und Partner, Erfurt.

Die Jury, unter Vorsitz von Prof. Dr. Egon Schirmbeck, legte besonderen Wert auf den maßvollen Umgang mit der bestehenden baulichen Substanz und Kubatur und eine Realisierbarkeit in Bauabschnitten. Mit dem ersten Preis, aber auch den weiteren Preisträgern, zeichnet sich die Veranschaulichung deutscher Geschichte am Beispiel der Schwarzburg als die tragende Attraktion ab. Sie könnte die Basis für eine Kombination von geschichtlichen und gegenwartsbezogenen Dauer- und Ereignisausstellungen, Veranstaltungen, Bildungsseminaren und touristischen Erlebnissen bilden. Nach dem Entwurf des ersten Preisträgers könnte dieses Spektrum auch um eine Künstlerresidenz ergänzt werden, die als Katalysator für eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Thema von Geschichte und Gesellschaft in Kunstwerken aller Sparten fungieren könnte. Geschichte würde damit zum Gegenwartsereignis.

Preisverleihung und Ausstellung

Die Preisverleihung findet am 29. Oktober auf Schloss Schwarzburg statt. Noch bis 31. Oktober werden sämtliche Entwürfe in einer öffentlichen Ausstellung im Erdgeschoss des Kaisersaalgebäudes von Schloss Schwarzburg gezeigt. (Öffnungszeiten des Kaisersaalgebäudes: Montag bis Sonntag von 10 Uhr bis 18 Uhr)

Beurteilungen (Auszüge aus dem Protokoll der Preisgerichtssitzung)

1. Preis
Die besondere Qualität des Entwurfs liegt im angestrebten Dialog mehrerer Nutzungskomponenten, insbesondere der Kombination einer Dauerausstellung zur Geschichte und gegenwartsbezogener Ereignisausstellungen. Diese Wechselereignisse sind eingebunden in ein Konzept der Künstlerresidenz, die eine Dauerbelebung von Schloss Schwarzburg gewährleistet. Der Wechsel der Künstler ermöglicht die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit diesem besonderen Ort der Geschichte. Hervorzuheben ist der Ansatz, die Auseinandersetzung mit Geschichte zu einem Gegenwartsereignis zu machen. Dafür wird Öffentlichkeit in Form vielfältiger Präsentationen hergestellt: Konzerte, Aufführungen, Tagungen, thematische Ausstellungen. Die parallel laufende Dauerausstellung mit ihren geschichtlichen Bezügen vermag es, als permanente Anregung Künstlern und Besuchern gleichermaßen zu dienen. Das Gebäude selbst bleibt dabei immer wichtigstes Exponat. Dieses Konzept spricht sowohl traditionelle Besucher als auch völlig neue Zielgruppen an. Im Rahmen des ausgelobten Ideenwettbewerbes wertet die Jury diesen Nutzungsvorschlag als ein tragfähiges Konzept, welches großes Potential weiterer Entwicklung in sich trägt. Das Schloss wird in der vorliegenden Arbeit respektvoll in den Mittelpunkt gerückt. Seine Zeitschichten werden thematisiert. Der denkmalpflegerische Ansatz wird zum ästhetischen Konzept fortentwickelt. Er gewährt einen äußerst sensiblen Umgang mit der historischen Bausubstanz, auf moderne Ergänzungen wird dabei nicht verzichtet. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der besseren Erreichbarkeit der Schlossanlage wird positiv bewertet. Kritikpunkt bleibt der vorgeschlagene Aussichtsturm als weithin sichtbares Zeichen mit dem Brückenschlag zu einem neuen Empfangsgebäude. ... Die einzelnen Funktionselemente sind gut und schlüssig platziert, gleiches gilt für die Gestaltung der Elemente im Außenraum. Von großer Qualität sind die Ideen für die Fassadenkonzeption des Schlosses und der Vorschlag für die Reparatur des Bauvolumens am Kaisersaalgebäude in Form einer Voliere. Besonders positiv wird bewertet, dass eine Erhöhung der baulichen Volumina im Interesse der Wirtschaftlichkeit vermieden wird.

2. Preis
Die Konzeption konzentriert sich auf den Kernbereich des Schlosses mit dem West- und Kirchflügel. Leitbild ist, Maßnahmen in einem überschaubaren Kostenrahmen und damit einer zeitnahen Realisierungsperspektive zu entwickeln, die schrittweise veranlasst werden können. Ein Katalog aus kurz-, mittel- bis langfristigen Maßnahmen wird vorgelegt. Die Idee, als Auftakt einen Kunstwettbewerb für die Turmhaube mit dem Ziel auszuloben, ein Wahrzeichen zu schaffen, wird begrüßt und kann einen breiten öffentlichen Impuls auslösen. Mit der weiterführenden Entwicklung einer„Spur“, also einer gezielten Wegeführung werden die Knoten, die sogenannten „Wunderpunkte“ miteinander verknüpft. Diese Idee ermöglicht eine originelle und gezielte Besucherführung durch das Schlossensemble und darüber hinaus zu den Ausstellungen, die in der 3. Etappe im Schloss präsentiert werden sollen. Das modulare Wegesystem ist aus Betonplatten auf Unterkonstruktion vorgesehen. Wenngleich die Grundidee überzeugt, scheint doch die Umsetzung an einigen Punkten im Bereich der Freifläche überinstrumentalisiert. Der Entwurf sieht eine spannende räumliche Verknüpfung zwischen dem Hauptgebäude und dem Kirchflügel vor. Dabei werden die Befunde, die baulichen Bruchstücke des Kirchflügels erhalten und in das Konzept aufgenommen. Geschickt werden die Eingriffe der 1940er Jahre an der Fassade sicht- und ablesbar gelassen und in die Gestaltung integriert. Sehr gut gelöst sind hierbei die Ergänzung der fehlenden Achse am Westflügel und der Umgang mit der großen Fensteröffnung in der hangseitigen Ansicht. Überzeugen kann der Entwurfsverfasser durch den dargestellten sensiblen Umgang mit dem Bestand und das feine Gespür für den Ort und seine Qualitäten. Die Wunden des Ortes werden gezeigt und als Bestandteil der Geschichte akzeptiert. Dies zeigt sich in im besonderem Maße im Umgang mit dem Innenraum. Durch das Einfügen einer Sekundärstruktur in einer skulpturalen Form wird die Wegeführung durch das Schlossgebäude definiert und Nutzungsbereiche erschlossen. Weitreichende Eingriffe werden vermieden, die Ablesbarkeit zwischen historischen Substanz und moderner Zutat ist gewährleistet. Das Denkmal wird selbst zum Ausstellungsobjekt inszeniert.

3. Preis
Der Entwurf inszeniert die Gesamtanlage durch eine neue, zusätzliche Wegeführung. Diese führt über den ganzen Bergsporn hinweg, erschließt so das gesamte Schlossplateau und bezieht auch die heute nicht erschlossenen Bereiche mit ein, die dadurch zugänglich werden. Die neue Wegeführung verläuft an der Westseite des Plateaus. Durch ihre mäandrierende Führung über das Gelände erhöht sie den Reiz für den Besucher erheblich durch den Wechsel zwischen Enge und Weite, durch wechselnde Ausblicke und neue Blickbeziehungen zwischen der Architektur, dem gestalteten unmittelbaren Umfeld und der umgebenden Natur mit dem Schwarzatal und den gegenüber liegenden Bergrücken. Durch diese gezielte Führung, die auch den Westflügel der Schlossanlage mit einbezieht, wird das räumliche Erleben des Bergrückens erheblich gesteigert. Zusammen mit der historischen Wegeführung an der Ostseite des Bergsporns entsteht so ein spannungsreicher Rundweg, der die gesamte Anlage reizvoll erschließt. ... Die Jury bewertet positiv, dass die vorhandene Bausubstanz schonend behandelt wird. Die historisch gewachsene Situation mit ihren groben Brüchen wird weitgehend belassen. Die hinzugefügten Wege und Ausstellungsflächen werden dem Vorhandenen berührungslos hinzugefügt. So bleiben die Brüche in der Geschichte des Bauwerks erkennbar und erlebbar. Allein der Ahnensaal wird in seiner historischen Dimension wieder hergestellt. Es bliebe der weiteren Bearbeitung überlassen, wie weit eine Rekonstruktion führen sollte. ... Im Westflügel der Schlossanlage werden Flächen für eine Ausstellung „Licht und Schatten in der deutschen Geschichte“ angeboten, die vorwiegend für die warme Jahreszeit, also als Sommernutzung, angeboten wird. Eine Temperierung bzw. Heizung ist für den überwiegenden Teil der Räumlichkeiten im Westflügel nicht vorgesehen, bis auf den ehemaligen Ahnen- und Festsaal, der zumindest in seiner Kubatur wieder hergestellt und offenbar durch eine Heizung auch für eine Nutzung in der kalten Jahreszeit hergerichtet werden soll. An der Stelle des ehemaligen Kirchflügels wird ein Neubau vorgeschlagen, in dem Empfang, vier Seminarrräume und ein Tagungssaal mit den entsprechenden Nebenräumen (Garderobe, Toiletten etc.) vorgesehen sind, die für eine ganzjährige Nutzung vorgesehen sind. ... Der Entwurf sieht Seminar- und Tagungsräume in einem Neubau an der Stelle des ehemaligen Kirchflügels vor. Der Eingang zum Seminargebäude liegt eher versteckt in einer bewusst angelegten Baufuge zwischen dem Westflügel und den Neubau. ... Der auf die Grundform eines Kubus reduzierte Baukörper, bewusst ohne Anklang an historische Architekturformen, soll mit einer Metallhaut mit großer Lochung versehen werden, der die Struktur des darunter liegenden Backsteinmauerwerks von 1940 durch ein anderes Material aufgreift und verfremdet. Die Lochung soll durch Beleuchtung zu einer Leichtigkeit der neuen Architektur führen, die dem Backsteinmauerwerk fremd ist. Der neue Baukörper hält zudem räumliche Distanz zu den bestehenden Mauern, über dem schweren, „nationalsozialistischen“ Backsteinmauerwerk soll der leichte, „demokratische“ Baukörper schweben, der die Seminar- und Tagungsräume enthält, in denen über Demokratie diskutiert wird. Die Jury erkennt positiv an, dass sich der Baukörper vom Volumen her in die historische Anlage einfügt, sich gegenüber der vorhandenen Architektur zurücknimmt, nicht auftrumpft, und damit der Geschichtlichkeit des Ortes Vorrang und damit weiten Raum gibt.

veröffentlicht am 16.10.2012 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wettbewerbe nach RPW: Ergebnisse

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