„Wir erwarten integrierte Systeme, die mit den Anwendern abgestimmt sein sollten.“
Interview mit Hartmut Strube, Präsident der Architektenkammer Thüringen
Auch in diesem Jahr setzte die Architektenkammer Thüringen die mit der WERTBAU GmbH & Co. KG gemeinsam organisierte und von der Ingenieurkammer Thüringen unterstützte Informationsreihe zu neuesten technischen Entwicklungen im Fensterbau fort. Kammerpräsident Hartmut Strube über die Fenstertagung 2012 und künftige Vorhaben in Sachen Fortbildung.
Herr Strube, die Kooperation mit der Firma WERTBAU besteht bereits seit 2007. Wie kam es zur ersten Fenstertagung und zu diesem Erfolgsmodell?
Im Zusammenhang mit der Realisierung eines Bauvorhabens hatte ich Kontakt zum Inhaber und Geschäftsführer der Fensterfirma WERTBAU Herrn Rainer Taig. Seine Firma ist einer der Marktführer im Freistaat Thüringen. Vor dem Hintergrund der zu dieser Zeit einsetzenden rasanten technischen Weiterentwicklung des Fensterbaus diskutierten wir leidenschaftlich über zukünftige Anforderungen an das Bauteil Fenster aus Architektensicht und aus Sicht der Produzenten. Ich kann heute nicht mehr sagen, wer von uns beiden als Erster die Idee hatte, diese Diskussion in der Öffentlichkeit weiter zu führen. Auf alle Fälle waren wir uns sofort einig und veranlassten die Vorbereitung der ersten Tagung.
Was beinhaltet die Kooperation und was schätzen Sie daran?
Die Themen und die dazu passenden Referenten werden gemeinsam festgelegt. Die Themen orientieren sich an den tagesaktuellen Anforderungen an den Fensterbau auch z. B. unter Berücksichtigung neuester europäischer Rechtsvorschriften und Qualitätsstandards. Dabei versuchen wir die Jahresthemen so abwechslungsreich zu gestalten, dass im Wechsel alle technischen, funktionellen und gestalterischen
Aspekte des Bauteils Fenster als Schwerpunkte berücksichtigt werden. Seit der zweiten Tagung ist auch die Ingenieurkammer Thüringen einbezogen. Die Firma WERTBAU organisiert und finanziert die Tagung, so dass die Teilnahme gebührenfrei ist. Die Architektenkammer und die Ingenieurkammer setzen neben der inhaltlichen Mitwirkung ihre Strukturen zur Teilnehmerwerbung und Registrierung ein und sichern die
nötige Produktneutralität. Die Architektenkammer Sachsen hat übrigens die Veranstaltung seit einigen Jahren übernommen. Die Tagung wird also jedes Jahr mit gleichem Thema und gleichen Referenten in Sachsen wiederholt.
Was macht den Reiz der Fenstertagung aus?
Beispielhaft ist der Direktkontakt zwischen den Produktentwicklern und den Anwendern. Neuentwicklungen werden schon im Entwicklungsprozess vorgestellt, und es findet ein reger Erfahrungsaustausch statt. Das befördert die Qualität und erhöht die Akzeptanz neuer technisch verbesserter Produkte, verkürzt gegebenenfalls die Markteinführung. Darüber hinaus sind die Erläuterungen bauphysikalischer Zusammenhänge und zur Mängelvermeidung beim Einbau Architektenweiterbildung im besten Sinne, auch im Interesse der Bauherren.
2012 stand die Fenstertagung unter dem Motto „Mehr Licht zum Leben“. Was war die Botschaft des Tages? Gab es eine besondere Erkenntnis?
Mit diesem Thema wollten wir die Hauptfunktion des Fensters, die Belichtung der Räume mit Tageslicht, in den Mittelpunkt rücken. Lichtgestalter Torsten Müller und Architekt Jörg Lammert erläuterten an Beispielen von Seniorenheimen und Pflegeeinrichtungen eindrucksvoll die psychischen und physischen Auswirkungen von zu wenig oder ausreichendem Tageslicht auf das Wohlbefinden der Bewohner. Übereinstimmend wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Qualität von Tageslicht durch kein Kunstlicht, egal welcher Art, zu ersetzen ist. Eine Erkenntnis, die sicher für alle Arten der Gebäudenutzung, auch z. B. für Bürogebäude und Kindergärten, Bedeutung hat. Passend dazu war die Vorstellung des WERTBAU-Effizienzfensters durch Herrn Taig, das neben verbesserter Wärmedämmung bei gleicher Rohbauöffnung circa 40 Prozent mehr Licht in den Raum lässt als ein herkömmliches Fenster. Bei diesem Fenster ist übrigens der äußere Rahmen an der Gebäudefassade nicht mehr sichtbar, ungewohnt, aber für Architekten eine große Chance für zeitgemäße gute Architektur resultierend aus der Anwendung zeitgemäßer guter Bautechnik. Gegen zu viel Sonnenlicht im Sommer erläuterten Andre Schindler und Horst Eitel von WAREMA Sonnenschutztechnik noch das optimale Zusammenspiel von außen liegendem Sonnenschutz, Wärmeschutzverglasung, innen liegendem Blendschutz und intelligenter Steuerung.
Ist das große Interesse an diesen Anregungen aus der Berufspraxis Anreiz für weitere Fortbildungsangebote der Kammer in Zusammenarbeit mit weiteren Herstellern, auch aus anderen Fachgebieten?
Auf jeden Fall. Diese Art des Informationsaustausches mit steigenden Teilnehmerzahlen kann und muss ausgeweitet werden. Akuten Handlungsbedarf sehe ich insbesondere im Bereich der Gebäudelüftung, Sonnenkollektoren, Photovoltaik und Fassadensysteme für Fassadensanierung. Hier erwarten wir integrierte Systeme, die mit den Anwendern, also den Architekten und Ingenieuren, abgestimmt sein
sollten.
Ein Blick in die Zukunft: Was könnten Themen künftiger Fortbildungsangebote sein?
Sorge bereitet uns zurzeit die Inflation der Listenführungen von Planern mit so genannten Spezialkenntnissen. Kenntnisse über z. B. neue Technik oder neue Förderinstrumente sollte fachbezogen Wissen aller Architekten und Ingenieure sein. Ich würde mir eine Weiterbildung mit größerer Verbindlichkeit wünschen, die im Ergebnis eine für Bauherren verwirrende Listenführung überflüssig macht. Für die nächste Fenstertagung am 11. September 2013 werden wir uns am Brennpunkt der Thüringer Baupolitik, der Durchsetzung der Energiewende, orientieren. Der sinnvollen Sanierung des Altbaubestandes mit den unterschiedlichsten Fenstersystemen in unterschiedlichsten Gebäuden kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dabei wollen wir u. a. mit Vertretern der Politik, Fördermittelgebern und Technikern sinnvolle Lösungen diskutieren.
Das Interview führte Björn Radermacher.