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Wulf Herzogenrath: Utopien und Realitäten – 80 Jahre nach der Vertreibung des Bauhauses aus Weimar

Festvortrag

Liebe Freunde des Bauhauses, und damit darf ich Sie, Herr Ministerpräsident und alle anwesenden Politiker ebenso einschließen!

Für die ehrenvolle Einladung heute in Weimar über das Bauhaus zu sprechen, danke ich Ihnen – auch wenn ich weiß, dass Sie hier einen inhaltlich höchst kompetenten Kollegen, Michael Siebenbrodt, in Weimar haben.

Vor 80 Jahren schloss das Bauhaus seine Pforten; vertrieben von einer rechtsgerichteten Koalition im Thüringischen Landtag, die den Zuschuss zum Bauhaus einfach halbiert hatte und die Verträge mit den Bauhaus-Meistern zum 31.3.1925 kündigte. Mein Thema ist also weder die Würdigung der künstlerischen Leistungen des Bauhauses zu würdigen, noch Empfehlungen für das noch heute vorhandenen Bauhaus-Potential der Gebäude, der Hochschule oder des Museums für die Zukunft zu geben (da warten wir auf die Strukturkommission!), sondern Gründe für den Aufstieg und die Vertreibung des Bauhauses,
also für UTOPIEN und REALITÄTEN aufzuzeigen.

Diejenigen Kräfte, die das Bauhaus abschaffen wollten, versuchten Gropius zu isolieren, doch die Meister am Bauhaus solidarisierten sich – trotz aller Unterschiede – mit ihrem Direktor. Es blieb die Frage, wie der Mittelbau und die Studierenden darauf reagieren würden,: Gropius beschrieb die Stimmung am 12. März 1924, wenige Tage nach dem Amtsantritt der neuen Rechtsregierung mit dem Saatsminister Richard Leutheusser. „Kandinsky ist offenbar deshalb unlustig, weil die Schüler sich angeblich sehr dumm gegen ihn stellen. Heute Abend ist Schülerversammlung .. Einige Schüler haben Moholy in unverschämter Weise brüskiert, alles, weil plötzlich der Fimmel da ist, sie brauchen keine Meister.“ (Gropius an Ise wohl 12.3.1924, Isaacs S. 321/2) Zu dieser Zeit kursierten die ersten Artikel und Gerüchte, dass die neu gewählte thüringische Regierung „irgendwie Ordnung“ machen wollte in diesem Bauhaus. Und doch schaffte es Gropius alle im Bauhaus zu überzeugen, dass man sich nicht auseinanderdividieren lassen sollte, sondern einen gemeinsamen neuen Anfang in einer anderen Stadt wagen sollte. Ich zitiere aus dem Protestbrief an die Thüringische Regierung:
„Wir teilen der Regierung mit, dass wir Mitarbeiter am Staatl. Bauhaus mit dem erzwungenen Fortgang der leitenden Personen das Bauhaus gleichzeitig verlassen werden. Wir werden die Bauhaus-Idee durch unsere aktive Arbeit anderwärts weiter fördern. Die letzte Möglichkeit, „unser Bauhaus“ in Weimar weiterzuführen ist mit unserem Fortgang endgültig genommen – da die wesentliche Bauhaus-Arbeit in den Werkstätten in der Gruppe, die sich hier freiwillig zusammengeschlossen hatte, geleistet wurde. Tatsächlich ist es uns im Bauhaus in fünfjähriger Arbeit gelungen, eine klare Übereinkunft in den wesentlichsten Fragen der Gestaltung zu schaffen, die Ausdruck findet in unserer gemeinsamen Werkarbeit. Diese hat weit über die deutsche Grenze hinaus das größte geistige und seit einem halben Jahre auch wirtschaftliche Interesse gefunden. – Nur Weimar war nicht in der Lage für uns Heutige Notwendig-Neues anzuerkennen. Im Gegenteil: gerade hier wurden wir in der gehässigsten Weise in der Presse, in Broschüren, durch Protestversammlungen bekämpft.

Wir stellen fest, dass die Regierung unsere Arbeit gehemmt und uns gegen Verleumdungen nicht geschützt hat.

Die Gesamtheit der Bauhäusler, gez. L. Hirschfeld. 13. Januar 1925“ (Wingler S. 106)

Bevor ich auf die Leistungen von Gropius und den Bauhäuslern, auf die wenigen Befürworter und die vielen Gegner des Bauhauses in Weimar eingehe, möchte ich Ihnen allen ein Bild vor Augen stellen, dass mich seit Jahrzehnten beeindruckt hat, und dass auch eine Motivation für meine Rede heute ist: Der 85jährige Gropius ergriff am 4. Mai 1968 ein Megaphon – vor seinem Gang in die große Ausstellung „50 Jahre Bauhaus“ in Stuttgart, an der ich schon die Freude hatte als Student den Katalog zu bearbeiten. Er sprach zuerst in den Arkaden des Kunstgebäudes zu den aufgebrachten Studenten der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Denn parallel zur retrospektiven Ehrung des Bauhauses wurde diejenige Schule, die das Erbe in der frühen Bundesrepublik mit radikalen Ansätzen fortführte, vom Ministerpräsidenten Filbinger aus politischen Gründen geschlossen - wie gesagt im Jahr ´68! Kreative wie Max Bill, Ottl Aicher, Alexander Kluge oder Hans Magnus Enzensberger hatten der Schule Profil gegeben und der greise, aber hellwache Gropius beschwor die baden-württembergischen Politiker geradezu, denn nur, wer die Gegenwart offen und kraftvoll für die Zukunft fördere, der dürfe sich verklärend einer beschönigten Vergangenheit zuwenden!

Auf Grund des thematischen Ansatzes heute, erwarten Sie sicherlich nicht eine neue, aktuelle Interpretation des Bauhauses – wir haben davon schon so viele, und einige lassen die Zeitbezogenheit der Interpretierenden mehr aufscheinen als den Charakter des Bauhauses.

Für die einen wurde Bauhaus zum Synonym eines neuen Raum- und Lebensgefühls in Stahlrohrmöbeln, für die anderen zum totalitären Vordenker der Rasterbauten unserer öden Vorstadt-Siedlungen. Jeder Autor und Redner baute sich sein eigenes Lieblings- oder Feindbild. Das Bauhaus musste und muss für fast jede Grundsatzdiskussion herhalten – von Rudolf Schwarz 1953 mit seiner Gropius persönlich so diffamierenden Sicht auf das Bauhaus über Thomas Wolfe´s modisch ironisierendes Buch „From Bauhaus to our house“ in den 70er Jahren bis zu Wolf Jobst Siedler, der in den späten 80er Jahren die sterbende Stadt dem Bauhaus zuschrieb, bis zu einigen Kunsthistorikern in den 90ern, die einige ganzheitliche Gedanken des Bauhaus als Vorläufer totalitären Denkens der Nazis sehen wollten.

Bei mancher Pauschal-Kritik wurde übersehen, dass es DAS Bauhaus sowieso nie gegeben hatte, sondern eine Idee, die Gropius realisierte und die von den Lehrern und Studierenden unterschiedlich, ja fast gegensätzlich in den fünf Phasen im Laufe der 14 Jahre seiner Existenz von April 1919 bis Sommer 1933 gestaltet wurde, und all dies von nicht mehr als ca. 600 Studierenden in Weimar und noch einmal so viel in Dessau und Berlin geleistet wurde!

Allein die unterschiedlichen Sichtweise in Ost und West ließen bis weit in die 70er Jahren zwei gegensätzliche Bauhäuser erscheinen: Der Marxist Hannes Meyer als 2. Direktor nach Gropius kam im Westen kaum vor. Das begann mit der Gropius/Bayer Ausstellung des Museum of Modern Art in New York1938 (damals hörte das Bauhaus schon 1928 auf zu existieren!) und dies verbreitete dann der vielfach aufgelegte Katalog seit 1955 (Hatje Verlag Stuttgart). Schlagwortartig galt die Überschrift „Wer hat Angst vor Hannes Meyer“ (Hermann Funke in „Die ZEIT“ Nr 8, 1967). Im Westen wurde seit der großen Ausstellung 1950 im Münchener Haus der Kunst die Malerei, insbesondere die abstrakte, geometrische als Synonym für die Freiheit des Westens in den ersten Jahrzehnten in den Mittelpunkt der Rezeption gestellt, in der Adenauerzeit 1953 posaunte z.B Rudolf Schwarz, daß das Bauhaus am eigenen „Ungeist“, an seinem „Komintern-Jargon“ gestorben sei! (W. Nerdinger Hrsg, 1994, S. 46)). Lobend muß man Hans Maria Winglers dickes Buch von 1962 und (2. Auflage 1968) als objektives Dokument hervorheben!

Es verwundert nicht, dass die Bemühungen der unmittelbaren Nachkriegszeit, das Bauhaus in Weimar (geplant mit ehemaligen Bauhäuslern wie Hoffmann-Lederer, Hassenpflug und Keler) oder auch Dessau wieder zu begründen, schnell scheiterten, wenn man Zitate wie das 1951 im „Neuen Deutschland“ erschienene liest: „Der Bauhaus-Stil ist eben ein waschechtes Kind des amerikanischen Kosmopolitismus und seine Überwindung unerlässliche Voraussetzung für die Entwicklung einer nationalen deutschen Baukunst“ (Fiedler, S. 47) In den ersten Jahrzehnten standen die Werkstatt-Arbeiten im Vordergrund (Scheidig 1966), die abstrakte, ungegenständliche Kunst war tabu. Kandinsky erschien höchstens als Gestalter einer Tasse, aber nicht als Maler, als einer der entscheidenden Väter der ungegenständlichen Kunst. Die Querelen um die erste Restaurierung der Bauhaus-Gebäude 1975/6 spiegeln diese wechselnde Nähe und Distanz zum Bauhaus in der DDR bis Ende der 70er Jahre wieder! Und im Klappentext des materialreichen Buches von Karl-Heinz Hüter von 1976 über das Bauhaus in Weimar erscheint zuerst der Name Hannes Meyer und der von Gropius nur mit dem Hinweis auf seine – hier natürlich dann positiv hervorgehobenen - „belegbaren Kontakte zu Funktionären der KPD“.

Wenn ich nunmehr auf unser heutiges Thema konkret zu sprechen komme, dann besteht für mich das Besondere an der Existenz des Bauhauses eigentlich – zugespitzt formuliert – dass es überhaupt existiert hat, dass es geboren wurde und in dieser neuen Form die politischen Stürme und die Inflationsjahre überlebte!:

Nach dem verlorenen Krieg, nach dem Zusammenbruch der Monarchie, den Wirren und Aufbrüchen, den Diskussionen und Zusammenbrüchen der Räterepubliken und neuen parlamentarischen Erfahrungen in Berlin, aber auch in den einzelnen, z.T. sich überhaupt erstmals zusammenraufenden Ländern, so ja auch in Thüringen, gab es Reform-Ideen für vieles, besonders im Bildungsbereich - denken Sie nur an die Anregungen, die von Hermann Lietz oder Rudolph Steiner ausgingen.. Für den Kulturbereich formulierten Mitglieder des Berliner „Arbeitsrats für Kunst“ viele utopische Pamphlete – doch nur ein einziger dieser Künstler, Architekten und Reformer stellte sich so in den Dienst seiner Idee, dass er vor für die Realisierung kämpfte wie Walter Gropius, der eben nicht nur redete und schrieb, sondern in den Ministerien dafür arbeitete, dass in Weimar die Kunstakademie und die Kunstgewerbeschule vereint zum neuen „Staatlichen Bauhaus“ werden konnte. Zunächst sollten Kunst und Handwerk und dann ab 1923 schrittweise Kunst und Industrie eine neue Einheit bilden – und dies spiegelte sich in der Lehre und dem Ideal der gemeinsamen Arbeit!. Und die revolutionäre Struktur wurde ermöglicht durch die Einführung des „obligatorischen Vorunterrichts“, dem auch heute, nach 80 Jahre international für die Akademie-Ausbildung noch üblichen Vorkurses!

Im Januar 1921 hat Gropius im Ministerium endlich die Satzung und mit kraftvollen Debatten auch einen Etat für die Etablierung der Schule durchgesetzt: 164.000 Mark, vergleichbare, bereits lange bestehende Schulen hatten ähnliche Gelder, Gropius musste aber Neues aufbauen! In Hannover hatte man das Doppelte, in Hamburg gar das Dreifache, beide Kunstschulen haben jedoch keine überregionalen Spuren hinterlassen.

Wie hat Gropius das geschafft? Er musste zwei vorhandene Lehrkörper mit traditioneller Feindschaft – nämlich die freien Künstler und die auf die angewandte Kunst bezogenen Handwerker – vereinen. Einige konnte er entlassen, die alten Räume nutzen. Wer die mühevolle Durchsetzung auch nur kleiner Reformen unserer Tage sieht, weiß, welche Herkules-Arbeit Gropius auf sich geladen hatte und kann dies in den Protokollen des Bauhauses und des Landtages, aber mehr noch in den Tagebüchern, den Hetzkritiken der Zeitungen, in denen die alten Professoren sich gegen das Neue wehrten, nachlesen.

Zwar wurde Gropius von Henry van de Velde, seinem als Ausländer beim Ausbruch des ersten Weltkrieges vertriebenen Vorgänger an der Kunstgewerbeschule, empfohlen, er konnte sowohl das Großherzoglich Sächsische Hofmarschallamt wie dann die Mehrheit im ersten Thüringischen Landtag überzeugen, der allerdings nur mühsam überhaupt die ersten Gelder für die bis dahin aus der Schatulle des Großherzogs finanzierten Kunstschulen bewilligen konnte. Noch ein Jahr nach der Gründung beschwerte sich Gropius: „Wir können nicht arbeiten ohne Material und Werkzeug! Wenn nicht schnelle Hilfe kommt, sehe ich schwarz für die Existenzmöglichkeit des Bauhauses. Viele müssen und wollen es verlassen, da sie nicht arbeiten können“ (Gropius an das STAW, 31.1.1920, Vb 33, Hüter, S. 31). Einige der Studierenden gingen deshalb auch auf Wanderschaft nach Italien, worüber sich dann wiederum die Meister beschwerten!

Im zweiten Thüringischen Landtag ab September 1921 bis Dezember 1923 gab es dann eine denkbar knappe Mehrheit von 28 Abgeordneten der Regierungskoalition, d.h. 13 der SPD, 9 der USPD und 6 der KPD, Dagegen traten die 26 Abgeordneten der DVP (Deutschen Volkspartei), des Landbunds, der DDP, die im der vorhergehenden Zeit noch FÜR das Bauhaus votierten, und der DNVP (Deutschnationale Volkspartei) an. Als Lautsprecher gegen das Bauhaus profilierte sich in vielen Debatten der Fraktionsvorsitzende der Deutschnationalen Dr. Herfurth, von Haus aus Studienrat in Weimar.

Wir sollten auch heute noch den 28 Abgeordneten der Regierungsmehrheit wie dem Kultur- bzw. ab 1921 Volksbildungsministerium mit Staatsminister Greil und Staatsrat Rudolph, die immer loyal Gropius und das Bauhaus verteidigten, danken, die damals feststellten: „Die Tradition von Weimar kann nicht Feststehen auf einem Punkt bedeuten, sondern lebendige Weiterentwicklung und der wahre Geist von Weimar kann nur Kampf um geistigen Fortschritt sein.“ (Hüter S. 31) – In dem Zusammenhang sollten dann auch der Dessauer Oberbürgermeister Hesse und sein Landeskonservator Grote erwähnt werden, die mutig ab März 1925 das ganze Bauhaus übernahmen und die Neubauten innerhalb eines Jahres ermöglichten! Diejenigen Politiker, die Großes mutig für ihre Stadt und Land wagen, sollten gebührend erwähnt werden.

Wenn man von dem kleinen Kreis um den Künstler Johannes Molzahn, dem Museumsdirektor Köhler, dem Theaterintendanten Hardt, Sammlern und – Freunden in Jena wie Prof. Auerbach und Dexel um den Kunstverein und das Museum in Erfurt sowie einigen toleranten Weimarer Bürgern absieht, war das Bauhaus in der Weimarer Presse, in den täglichen Gesprächen der Menschen in Weimar von Anfang an Ziel von Vorwürfen, Klatsch, Verleumdungen und politischer Diffamierung.

Die ersten lauten Proteste gegen das Bauhaus kamen von den Professoren und ehemaligen Schülern der alten Akademie, die sich kalt gestellt und die hehre Kunst in den Sumpf des angewandten Handwerks gezogen sahen – schon 1921 setzte diese Gruppe eine Rehabilitation und Neugründung der Akademie (eine neuen „Hochschule für Bidlende Kunst“) durch, was aber ihre Lautstärke dieser Kräfte natürlich verstärkte! .Bei diesem Kampf um Gelder schreckten Gropius und die Bauhausmeister auch nicht vor einem offiziellen Rücktritt zurück (Brief vom 8.3.) – am 15. 4 lenkte die Landesregierung ein, aber erst am 20. Juni zogen die Bauhäusler offiziell ihren Rücktrittsbrief zurück – schon hier hing das Schicksal an einem seidenen Faden. (Wahl in Festschrift Kornfeld 2001, S. 347-372).

Die Handwerker sahen vermeintliche Aufträge verloren gehen und mobilisierten Versammlungen und die Presse. Die neue Aufbruchstimmung in Deutschland mit den aus dem verlorenen Weltkrieg zurückkehrenden jungen Männern, die erstmals studieren dürfenden jungen Frauen, die Ideen realisieren wollten, die die Jugend- und Wandervogel-Bewegung propagierten, trafen im kleinen, traditionsreichen Weimar auf noch größere Widerstände als in den Großstädten. Der Konflikt wurde oft an den Frisuren sichtbar, kahlgeschorene Männerköpfe und junge Mädchen mit Bubifrisuren – das ließ Klatschgeschichten entstehen über das wilde Treiben dieser Bauhäusler, die in der Ilm nackt badeten. Daß Goethe dies auch getan hatte, wurde tunlichst vergessen!

Ich habe höchsten Respekt vor dieser Leistung von Gropius, die Bauhaus-Idee nicht nur auf dem Papier zu formulieren, sondern Stück für Stück gegen all die Widerstände umzusetzen. Die über das Bauhaus-Manifest weit hinausgehende Vision beschrieb er im April 1919 so: „Ich glaube bestimmt, dass Weimar gerade um seiner Weltbekanntheit willen, der geeigneteste Boden ist, um dort den Grundstein einer Republik der Geister zu legen. Schaffen wir doch zunächst eine Idee, die wir mit allen Mitteln in der Öffentlichkeit propagieren, so wird die Ausführung nach und nach folgen. Ich stelle mir vor, dass in Weimar eine große Siedlung sich um den Belvedereberg bilden soll, mit einem Zentrum von Volksbauten, Theatern, Musikhaus und als letztem Ziel einem Kultbau, und dass jährlich im Sommer große Volksfestspiele dort stattfinden, bei denen das Beste geboten werden soll, was die neue Zeit an Theater, Musik und Bildender Kunst zu geben weiß. Ich bin entschlossen in meinem Kunstinstitut mit Hilfe aller Meister und Studierenden zunächst auf dem Papier große Pläne dieser Art aufzustellen und zu propagieren.“ (Gropius, Brief an den Ernst Hardt, Weimar 14.4.1919, Isaacs S. 270) Übrigens kann ich Weimar nur gratulieren, wie 85 Jahre später in der Siedlung „Neues Bauen am Horn“ mit den rund 50 Kuben-Häusern etwas Angemessenes realisiert wurde. Architekturthemen und die Bauhaus-Uni könnten heute solche Brücken aus der Bauhaus-Vergangenheit in eine international beachtete Zukunft werden! Nur Mut weiter!

Gropius stellte sich in den Ring, um für die Realisation dieser neuen Schulidee zu kämpfen, versammelte einen Kranz herausragender internationaler Künstler unterschiedlichster Haltungen, aber höchster Qualität und Eigenart, realisierte einen völlig neuen Lehrplan, zog wache Studierende an und kämpfte täglich darum, Ministerien, Parlament und Öffentlichkeit von seinem Konzept zu überzeugen. Manchmal wird Gropius als reiner „Propagandameister“ auch von Fachleuten hart kritisiert (siehe Winfried Nerdinger, 1994), doch ohne diese Mobilisierung der Fürsprecher wären diese Ziele kaum erreicht worden. Vielleicht ist ein privates Briefzitat von Feininger besser als jede offizielle Biographie-Beschreibung: „Mittwoch, den 1. August 1923, halb acht morgens, gestern traf ich Gropi – (übrigens hatten viele Bauhäusler eigene Kosenamen für ihn, der ja meist verehrend „Pius“ genannt wurde!) – er kam so liebevoll mir entgegen und nahm mich in den Arm und wollte mir einiges sagen – so ging ich dann mit, bis zum Bauhaus. Nichts von Klage, nichts von Ermüdung oder gar Bitterkeit in diesem Menschen! Er arbeitet bis 3 Uhr nachts – schläft fast überhaupt nicht, und wenn er einen ansieht, strahlen seine Augen wie die keines anderen Menschen! Dabei weiß er nicht, wie er es machen soll, dass alles klappt .. Wer sich nicht an diesem Menschen irgendwie aufrichten kann, der kann einem leid tun“ (Wingler S. 83);– und dann berichtete Feininger seiner Frau Julia, dass er überhaupt nicht einverstanden ist mit der neuen Ausrichtung auf die Technik. Aber Gropius Ausstrahlung, seine Überzeugungskraft wird an diesem Zitat deutlich, auch gerade unterschiedliche Haltungen am Bauhaus zu bündeln. Er behielt Feininger auch in Dessau dabei, als einen Ausgleich zu Moholy-Nagy.

Wie gesagt ich will weder der Strukturkommission vorgreifen, noch die Leistungen des Bauhauses darstellen, oder aufzeigen, wie Gropius auf der einen Seite, höchste Qualität und Breite künstlerischer Ansätze ermöglichte, auf der anderen Seite dann aber auch den notwendigen Wandel steuerte: von der expressionistisch-individualistischen frühen Phase, stellvertretend seien Johannes Itten und Lothar Schreyer genannt, zur zweiten Phase, mit den Berufungen von Kandinsky und Moholy-Nagy charakterisiert, mit der strengeren, die geometrischen Formen und Grundfarben bevorzugenden Gestaltung sowie der Ausrichtung auf Produktion und wirtschaftlicher Verwertbarkeit im Jahr 1922. Gropius steuerte diesen Wandel, er scheute keinen Konflikt, wenn es ihm erforderlich schien, und er konnte wie ein Diplomat reden, wenn es um die Vermittlung der Ideen ging.

Sondern: mein Thema lautet vielmehr, was sind die Ursachen für das Ende heute vor 80 Jahren, am 1. April 1925 – und zugleich eine Antwort zu versuchen, wie Gropius es geschafft hat, das Bauhaus doch so weit in Weimar zu entwickeln, dass es doch als Ganzes transplantiert werden wollte und konnte.:

Die wirtschaftliche Lage, die aufkommende steigende, rasant sich entwickelnde Inflation 1922/23 – der Geselle Herbert Bayer entwarf die funktionalen Inflations- Geldscheine für die Landesregierung, wichtig war nur noch die riesigen Zahlen mit den vielen Nullen – machte die Realisation der von Gropius so sehnlichst erwünschten Bauhaus-Bauten unmöglich – aber das Haus am Horn entstand trotz allem sogar in dieser Zeit, auch durch Verkauf des Tafelsilbers von Gropius und das Engagement des Mäzens und Bauherrn Sommerfeld.

Heiss diskutierte man im Bauhauses die Frage, wie sehr die Schule ein rein wirtschaftlicher Produktionsbetrieb werden sollte: künstlerische Ausbildung stand gegen Produktionsbetrieb. (Bauhaus-Vollversammlung 16.10.1922, mit Syndikus Beyer, dem Handwerks-Meister Zachmann und dem Bruder von Oskar Schlemmer, Casca, die zugleich Gropius öffentlich miese Klatschgeschichten unterstellten) schlugen hohe Wogen bis in den Landtag. In der aufgeheizten Lage in Weimar Anfang der 20er Jahre wurde jede innere Bauhaus-Auseinandersetzung oder auch Kritik innerhalb der Kunstszene (z.B. die vom Standpunkt des DeStijl Künstlers Huszar verständliche Kritik an der fehlenden Radikalität des Bauhauses) umgehend von den Gegnern in der Presse und von dem Deutschnationalen Herfurth zu Attacken genutzt. Aber auch intern rangen alle um die richtige Position: „Das Bauhaus mit seinen Affairen ist ein unerfreuliches und kompliziertes Ding“ schrieb Schlemmer am 12. Februar 1923 (Schlemmer Briefe und Tagebücher , S 143)

Ganz zu Anfang 1919 – angezogen von der gotischen Kathedrale und dem Bauhütten-Gedanken in der Darstellung von Feiningers Holzschnitts auf dem ersten Manifest – gab es sogar nationale, monarchistische Studierende, die jedoch bald das Bauhaus wieder verließen. Eine größere Gruppe von meistern und Studierenden folgten zwischen 1921 und 1923 der Mazdaznan-Lehre, die einer esoterischen Ernährung, Kleidung und Lebensweise frönten; es gab sozialutopische Gedanken, anarchistische oder katholisch Gläubige; es gab Freunde des Wanderpredigers Häusser oder des Lebenskünstlers Muck Lamberty, von Rabindranath Tagore, der 1922 die erste kleine Bauhaus-Ausstellung in Kalkutta vorstellte (Isaacs, S. 291), oder anderer östlicher Philosophien; es gab Ingenieure und naturwissenschaftlich Denkende oder 1922 ca. 20 Teilnehmer an den Kursen des strengen De Stijl-Künstlers Theo van Doesberg im Atelier des Bauhäuslers Peter Röhl. Gropius ließ diesen Wildwuchs zu und vermied Einseitigkeiten und ideologisches Denken. Dass kein „Generalprinzip“ vorhanden sei, empfand er nicht als Vorwurf (z.B. von Theo van Doesburg formuliert), sondern die kreative Offenheit und Vielgestaltigkeit war gewollt, solange die künstlerischen Produkte neue geistige Haltungen, die sich wie gesagt auch kräftig wandelten, ausstrahlten!

Und er verbat sich strikt jeden parteipolitisch zu wertenden Auftritt; so empfahl er 1921 Heinrich Vogeler, seine Rede in der Buchhandlung Thelemann zu reden – nicht am Bauhaus. Diese lebendige, vieles zulassende – aber eben unpolitische -Grundeinstellung von Gropius ist zusammen mit dem Verständnis für sozialen Ausgleich, für Gemeinschaft mit der Schaffung vieler Unterstützungsformen, für Einrichtung von Gärten für die Kantine, und von Eigeninitiative zum Verdienst durch Mitmachen bei Aufträgen ein Grundstock für das soziale Überleben des Organismus Bauhaus.

Als wichtiges Mittel zur Einheit im Bauhaus verstand Gropius die vielen Feste, Feiern, Geburtstage, Aufführungen mit Karikatur, Tanz, Musik und Umzügen innerhalb und außerhalb des Bauhauses. Die Laternenumzüge, die Karnevalsfeste, die Gropius-Geburtstagsfeste, die Auftritte der Bauhaus-Jazzband, der Bauhausbühne hatten legendären Ruhm!: Wer in einer wirtschaftlich so angespannten Zeit eine solche Gruppe kreativer, brodelnder Menschen in einem bürokratisch zu regelnden Organismus zusammenhält, muß charismatische Ausstrahlung haben, gerade weil allein bis 1924 vier Syndikus genannte Geschäftsführer versuchten die noch nicht bewilligten Gelder an der nötigsten Stelle auszugeben.


Doch letztlich war es eine Illusion, bei der scharfen internationalen Profilierung die lokale Politik aus dem Bauhaus herauszuhalten, da die rechten Parteien die Volksmeinung schürten: allein die neue ästhetische Erscheinung von ungegenständlicher Kunst, streng gestalteten Alltagsobjekten oder dem flachen Dach des Hauses am Horn in der Nähe von Goethes Gartenhaus reichten diesen Abgeordneten aus, von undeutscher Erziehung zu reden, die beendet werden müsste.

Gab es eine Alternative zur öffentlichen Finanzierung – damals wie heute nicht!

Gropius skizzierte zwar schon im Dezember 1921 seine Gedanken über „Die Notwendigkeit der Auftragsarbeit für das Bauhaus“ (Wingler S. 61, Protokolle S. 149-151), scheute nicht den Konflikt mit Itten, Schreyer, Muche u.a., um das Bauhaus näher an die Produktion, und damit auch an Einnahmen heranzuführen. Eine Folge von Graphikmappenwerken wurde geplant, aber wegen der Inflation kaum abgesetzt. Nach dem Scheitern der ersten Bauhaus-Siedlungs-Genossenschaft als erster GmbH im Laufe des inflations-Jahres 1922, führten dann neue Initiativen zur Gründung eines „Produktivunternehmens“ im Herbst 1924 zu neuen Plänen für die bauhaus GmbH, (ob wirklich schon 121ooo von den gewünschten 150.ooo Mark vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Sommerfeldt zugesagt waren, bleibt wohl immer umstritten) – doch letztlich zerschlugen sich alle diese Pläne, die erst ein Jahr später mit Aussicht auf die Existenz in Dessau im Oktober 1925.realisiert werden konnten. (Droste, Taschen S. 113), aber immerhin vier Jahre später erwirtschaftete dann das Bauhaus mit seinen Lizenzen aus des Produktion von Lampen, Möbel und besonders den Rasch bauhaus-Tapeten ein Drittel seines Etats!

Gropius akzeptierte dann im Herbst 1922 die Forderung aus dem Landtag, endlich eine große Ausstellung der eigenen Arbeit zu machen. Er sah darin auch Möglichkeiten der positiven Bündelung der heterogenen Kräfte innerhalb des Bauhauses, der Sichtbarmachung der neuen Ziele sowie der Darstellung der Methode im nationalen Rahmen.
Während der Abwesenheit von Gropius hatte Schlemmer ein erstes Werbeblatt zur Ausstellung mit einem schwungvoll geschriebenen, idealistisch anmutenden Manifest entworfen. Darin verwendete Schlemmer erstmals den Begriff der „Kathedrale des Sozialismus“, die er im Sinne der Deutschnationalen der Frühromantik interpretiert wissen wollte. So taucht das Wort „Romantik“ mehrfach auf, dagegen keine tagespolitisch interpretierbaren Begriffe. Doch Gropius wusste, wie brisant dieses Wort war und ließ die Auflage wieder einstampfen – aber die Weimarer Gegner hatten endlich, was sie wollten: das vermeintliche Bekenntnis zum internationalen Bolschewismus – auch wenn dies vom wohl unpolitischsten Meister, dem Tänzer-Künstler Oskar Schlemmer gänzlich anders formuliert worden war!

Diese große Ausstellung im Sommer 1923 zeigte vieles von dem, was das Bauhaus auszeichnete, wenn es auch für Gropius noch viel zu früh war: ein neues Lehren und Arbeiten im Vorkurs und in der Vermittlung der künstlerischen Grundlagen für die Gestaltung vervielfältigbarer Alltagsobjekte und endlich den ersten Bau, das sogenannte Versuchshaus. Dies ist zur Überraschung aller nicht vom Architekten-Direktor gebaut, wie es doch wohl überall geschehen wäre, sondern Gropius hat sich überzeugen lassen, dass es dem Selbstverständnis des Bauhaus-Geistes mehr entsprechen würde, wenn er dem Sieger des internen Wettbewerbes den Vorrang lasse: so wurde der Entwurf des Leiters und Formmeisters der Weberei-Werkstatt, des Malers Georg Muche gebaut, dessen Erstling dies war.
Doch letztlich ist die Bewertung der Ausstellung und des informativ umfangreichen und von Moholy-Nagy (mit einem Umschlag des Gesellen Herbert Bayer) einzigartig gestalteten Kataloges eine Frage für die Kunstgeschichte – und führt für unser Thema nur deshalb weiter, weil die Reaktionäre in Weimar sich noch mehr herausgefordert fühlten.

Linksgerichtete Bürger wurden systematisch verleumdet, Gropius musste selbst im Herbst eine erniedrigende private Hausdurchsuchung der Reichswehr – d.h. ohne richterlichen Beschluß - über sich ergehen lassen.

Die Deutschnationalen und Deutschvölkischen gingen den sogenannten „Ordnungsbund“ ein und traten geschlossen in der Wahl im Februar 1924 an – und siegten, auch weil sie im Wahlkampf ihre ablehnende Haltung zum Bauhaus herausstellten. Damit war das Schicksal des Bauhauses praktisch besiegelt. Die Chemnitzer Allgemeine Zeitung berichtete schon am 30.3.1924, Gropius habe schon die amtliche Auskunft erhalten, dass das Staatl. Bauhaus aufgelöst werde, „weil so viele Ausländer in der Lehrer- und Schülerschaft seien, weil linksradikale Gesinnung unter den Bauhausleuten herrsche, weil der von ihnen gepflegte Radikalismus verdammenswert sei . . Die tiefere Ursache … ist aber wohl die, dass eine bürgerliche Regierung ein bisher von einer Linksregierung protegiertes Institut nicht fördern zu können glaubt.“ Dem kann man nichts mehr hinzufügen! (Hüter S. 183)

Nunmehr verbreitete sich die schon seit Beginn des Bauhauses tätige Hetze auch noch mit offiziellem Schutz aus: der Regierungsrat Koch verfasste höchstselbst anonyme Artikel in den Zeitungen, er versorgte den Berliner Dr. Noll mit Materialien. Dieser Dr. Ing. Noll entwickelte sich zu einem wüsten Pamphletisten: Unter dem Titel „Staatliche Müllzufuhr“ schrieb er in der Deutschen Zeitung vom 24.4.1924: „Die deutlich erkennbare, lediglich auf Verneinung des Bestehenden gerichtete Weltanschauung lässt die Bauhausleute allen gesellschaftlichen Zusammenhang im weitesten Sinne mit der übrigen Welt verlieren. Das Bauhausschaffen trägt tiefste geistige Entrückheit und Zersetzung in sich. Die Öffentlichkeit wehrt sich daher mit vollem Recht dagegen, dass auf diese Weise in Thüringen der jungen Künstler- und Handwerkerwelt, die noch ein nüchternes, ehrliches Streben hat, der Weg zum gründlichen Lernen einfach verrammelt wird.“ (Wingler S. 91) Dieser Noll, eigentlich Architekt, verfolgte Gropius noch Jahre öffentlich verleumderisch,. Und dieser Noll spielte dann auch weiter unter den Nationalsozialisten eine Rolle, was nicht wundert!

Einen weiteren Höhepunkt der Schmutzkampagne stellte wenige Tage später Ende April 1924 das Erscheinen der sogenannten „Gelben Broschüre“ dar, eine umfangreiche Sammlung negativer Presse-Stimmen, offiziell herausgegeben von dem Handwerksmeister Müller in Weimar, der später allerdings zugab, nur als Strohmann aufgetreten zu sein.

Schlemmer notierte im Mai 1924: „Die Ruhe ist ferner denn je. Die nächsten Tage – Wochen? – bringen die Entscheidung, ob das Bauhaus noch leben soll, mit oder ohne Gropius, mit oder ohne Meisterschaft. Die Rechtsregierung in Thüringen, die Bürgerlichen, die Handwerksmeister, die `an die Wand gedrückten, einheimischen Künstler laufen Sturm mit verschiedenen Parolen. Der Blätterwald rauscht gewaltig für und wider. Gropius gibt gesammelte Pressestimmen heraus, es erscheint eine Gegenbroschüre, ein Pamphlet – eine Zeitungskampagne – Plakate der Schülerschaft für das Bauhaus.“ (Schlemmer S. 161)

Der September 1924 brachte dann klare Entscheidungen. Die Deutschnationalen brachten den Antrag durch, das Bauhaus nur noch mit der Hälfte des Zuschusses, d.h. 50.ooo zu versehen- der Todesstoß, denn dies war natürlich niemals einzusparen. Dann wurde die Thüringische Rechnungskammer im Bauhaus tätig und schließlich- wohl zwischen dem 18.und 24. September 24 - hatte Gropius die Kündigung aller Meisterverträge einschließlich aller Handwerksmeister zum 31.3.1925 von der Landesregierung in der Hand.

Die Beantwortung der Frage, wie soll es mit dem Bauhaus weitergehen, schien allerdings allen Bauhäuslern klar: möglichst alle gemeinsam an einem neuen Ort – und deshalb gab es keine Kompromisse, die nahe gelegen haben, in kleinerer Form ohne Gropius weiterzumachen.

Die Meister ließen sich nicht spalten – und die jungen, die wichtigsten Gesellen und Studenten solidarisierten sich mit diesen vorher oftmals intern heftig kritisierten Lehrern - Sie erinnern das Eingangszitat im Namen der Bauhäusler verfasst von Ludwig Hirschfeld. Und im Herbst 1924 wußte keiner ob und wie es weitergehen, noch nicht einmal am Ende, im März 1925.

Walter Gropius machte privat selbst eine ebenso anstrengende Zeit machte, seine Mutter forderte seine Anwesenheit in Berlin, seine erste Frau Alma Mahler ließ ihn seine Tochter Manon zunächst nur in Wien besuchen, seine Freundin Lily Hildbrandt, - besonders verdienstvoll war ihr unermüdlicher Einsatz, den „Kreis der Freunde des Bauhauses“ zu erweitern - , sein „liebes Lily-Kind“, war weiterhin mit seinem guten Freund Hans Hildebrandt verheiratet, und seit Frühjahr 1923 entwickelte sich seine Liebe zu Ise Frank, der er während der wilden Zeit der großen Ausstellung immer näher kam, und im Oktober 23 heiratete – während die Reichswehr sein Haus durchsuchte.

Diese Ise Gropius war auch tätig, die Übernahme-Möglichkeiten für das Bauhaus in andere Städte zu sondieren. Ihre Gespräche mit Konrad Adenauer, dem Oberbürgermeister von Köln, im September 1924 sind ein Beispiel – doch letztlich wollte Köln oder Frankfurt am Main immer nur die berühmten Maler als Professoren an ihre eigenen Schulen holen – das andere Extrem:

Erfurter Industrielle machten eine Eingabe an das thüringische Ministerium, die „Produktiv-Werkstätten“ des Bauhauses privatwirtschaftlich weiterzuführen.

Doch Gropius verstand diese gefährlich Lage über ein halbes Jahr auszuhalten und seine ganzes Bauhaus-Team zusammenzuhalten, auch einzelne Lehrer sollten den Verlockungen noch widerstehen, um dem Ganzen eine neue Chance zu geben!: Schlemmer schrieb im Februar 1925: „Noch ist nicht aller Tage Abend, respektiv noch weiß ich nicht, wo ich sein werde künftig… Der Tanz der deutschen Städte um das goldene Bauhaus ist allmählich zu Ende. Die Lauen haben sich von den Warmen geschieden, die Heißen von den Brennenden. So ist Dessau (im Vertrauen) geblieben, eine kleinere Stadt zwischen Leipzig und Magdeburg – ehrgeizig aufstrebend, nicht unvermögend, die gewillt ist, das Bauhaus zu übernehmen. ….Wie sehen Sie den Marsch der Reaktion in Deutschland an? Die Ablehnung alles Abstrakten in Kunst, auch Theater, ist phänomenal. Über eine Ausstellung in Jena erschien, aus Protest, kein Wort. Eine in Erfurt musste aus denselben Gründen abgesagt werden.. Ich sehe herzlich wenig Positives in Deutschland : die Franzosen machen es wenigstens geistreich, die Russen ehrlich, die Amerikaner forsch – es treibt bei uns auf etwas zu: ich weiß nicht, ob es Staaten- oder Bürgerkrieg heißen wird.“ (Schlemmer Brief an O.M. 17.2.1925, S 168)

Dies wäre ein passendes Schlusswort, doch es müssen noch zwei Fakten genannt werden:

1. Dieselbe Landesregierung und Landtagsmehrheit bewilligt Otto Bartning, der mit Gropius schon 1918 im „Arbeitsrat für Kunst“ – von Dr. Noll immer fälschlich als „Arbeiterrat“ politisch diskreditiert – gearbeitet hatte und einer der Mitväter des Bauhauses genannt werden darf, für seine Nachfolge-Akademie, der „Staatlichen Bauhochschule Weimar“, die mit dem Bauschwerpunkt vieles von dem realisieren konnte, was man Gropius verwehrte, am 19.4.1926 – also ein halbes Jahr VOR dem Bauhaus in Dessau - eröffnete Bartning schon diese Schule, mit einem Etat von 144.ooo, Mark, also gleich sogar 50 % mehr als man je Gropius gab! Die Schließung des Bauhauses war also eindeutig ein politischer Akt, das Geld war sofort da, sogar für eine inhaltlich fast vergleichbare Sache. Denn wichtige Bauhaus-Mitarbeiter wie Heinz Nösselt, Otto Lindig, Otto Dorfner, Wilhelm Wagenfeld oder Ludwig Hirschfeld-Mack, Erich Dieckmann wurden Mitarbeiter und der Büroleiter von Walter Gropius Ernst Neufert wurde sogar Professor.

2. 75 Jahre ist es nun her, dass Paul Schultze-Naumburg dann diese Schule übernahm und 1930 jeden Bauhaus-Geist aus der Schule vertrieb, ja sogar zum stolzen Vorkämpfer einer nationalsozialistischen Kampfpolitik gegen die Moderne wurde, indem er in den Sommerferien 1930 die Wandgestaltungen Schlemmers in den Weimarer ehemaligen Bauhaus-Gebäuden abschlagen und übermalen ließ. „Der Vandale als Kunstschuldirektor“ – so die Überschrift eines protestierenden Artikels von Paul Westheim – nutzte dann diese Tat, um sich als Sprecher des nationalsozialistischen „Kampfbundes für deutsche Kultur“ in den kommenden Monaten zu „profilieren“, zur Freude seines thüringischen Innenministers Frick. Die war der Beginn der Aktion „Entartete Kunst“ – sieben (!) Jahre vor der Münchener Ausstellung!

So endet die Geschichte des Bauhauses in Weimar vor 80 Jahren, und anscheinend endgültig ausgelöscht vor 75 – doch die Reaktionäre, Bürokraten und die traditionalistischen Handwerkslobbyisten in Weimar haben es ungewollt geschafft, die zerstrittenen, quirligen Bauhäusler so zu einigen, dass sie wirklich dann fast geschlossen in Dessau konzentriert und mit einem radikalen Schwung die Arbeit fortsetzten.
Und die Nationalsozialisten förderten 1932 mit der Schließung in Dessau und dann letztendlich im Sommer 1933 in Berlin überhaupt erst die weltweite Verbreitung der Bauhaus-Idee gegen ihren eigenen Willen. Überall haben Bauhäusler in Holland, England, den USA, Japan, ja selbst in Australien, wohin der oben genannte Autor Ludwig Hirschfeld emigrierte, gearbeitet und den Mythos Bauhaus weltweit verbreitet –

So ist es heute an Ihnen hier in Weimar, die Konsequenzen daraus zu ziehen, wie man mit dem Bauhaus-Erbe umgeht, wie man museal – und das ist nicht immer das Schlechteste Erinnern – damit so umgeht, dass die Kräfte dieses positiven Deutschlands sichtbar bleiben und noch mehr werden, dass die internationale Attraktion, die der Bauhaus-Gedanke auch wegen der radikalen Vernichtung durch die Nazis hat, nicht nur für Berlin und Dessau, sondern gerade für Weimar genutzt wird. Die Idee Bauhaus als Ort internationaler Zusammenarbeit an einem human-idealistischen demokratischen Geis in der Weimarer Republik sollte verstärkt sichtbar werden!

Nutzen Sie die Chance und schauen Sie nach vorn.

Sie haben das Weltkulturerbe Bauhaus hier mit den Originalbauten Van de Veldes und dem Musterbau, dem „Haus am Horn“

Sie haben einzigartige, die kompletten Bauhaus-Protokolle im Staatsarchiv und die erste, einzig originale Bauhaus-Sammlung (die von Gropius und Museumsdirektor Köhler ausgesuchte Werkstatt-Produkte)

Dies bildet die Grundlage für das nunmehr 10 Jahre alte Bauhaus-Museum mit all seinen Schenkungen, Ankäufen und internationalem Prestige – aber einer nur minimalen, falschen Struktur.

Sie haben eine aktive Bauhaus-Universität, die Tradition mit Zukunft verbinden will

Sie haben Personen, die unser heutiges Treffen angestoßen haben –

Und wir alle können über die Zukunft des Bauhauses hier gemeinsam nachdenken - z. B über einen Neubau mitten in der Stadt, im Herzen Weimars

Walter Gropius und die Bauhäusler haben hier viel getan, auch für den internationalen Ruhm dieser Stadt, aber auch – wie ich versucht habe darzustellen, einiges erlitten. Weimar, seinen Bürgern und einer thüringischen Landesregierung steht es gut an, hier mit allen Bauhaus-Freunden in der Welt positiv anzusetzen!

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihre Geduld.

veröffentlicht am 20.05.2005 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Stiftung Baukultur Thüringen

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